Frage des Monats 03.11.2016

Wieso kostet fettarme Milch weniger als Vollmilch?

Antwort von Sophie Unger von foodwatch

Wieder einer dieser Preisunterschiede, die auf den ersten Blick nicht logisch erscheinen: Fettarme Milch aus dem Kühlregal mit 1,5 bis 1,8 Prozent Fett kostet in der Regel weniger als die Vollmilch mit 3,5 bis 3,8 Prozent Fett. Dabei könnte man doch meinen, dass fettarme Milch ein stärker verarbeitetes Produkt sei, welches aufgrund der zusätzlichen Verarbeitungsschritte eigentlich teurer statt billiger sein müsste. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass Vollmilch ein „natürlicheres“ Produkt sei. Doch weit gefehlt!

Vollmilch genauso stark verarbeitet wie fettarme Milch

Dass fettarme Milch und Vollmilch zwei gleich stark verarbeitete Produkte sind, zeigt ein Blick hinter die Kulissen der Molkereien: Die Rohmilch, die die Molkereien bei den Landwirten abholen, hat in der Regel einen Fettgehalt von gut 4 Prozent. Der natürliche Fettgehalt der noch nicht verarbeiteten Milch schwankt aber je nach Fütterung, Haltung und Kuhrasse.

Um dennoch ein homogenes Ausgangsprodukt für die Weiterverarbeitung zu schaffen, wird mit Hilfe einer Zentrifuge das Fett von der übrig bleibenden Magermilch und „Nichtmilchbestandteile“ wie zum Beispiel Euter- oder Entzündungszellen getrennt und abgeschöpft.

Foto: © Fotolia.com / corbis_fancy

Je nachdem, wie viel von welchen Milchtypen benötigt wird, wird das so gewonnene Milchfett der Magermilch anschließend wieder zugefügt – in einem maschinell gesteuerten Prozess, sodass der Fettgehalt genau kontrolliert werden kann. Nur so können Molkereien den immer gleichen Fettanteil ihrer Produkte garantieren. Zudem wird das Aufrahmen des Milchfetts durch „Homogenisierung“ der Fetttropfen unter Hochdruck verhindert – also noch ein Verarbeitungsschritt, der allen Arten von Milch widerfährt.

Fettarme Milch: Mehr übriggebliebenes Fett für Butter & Co

Da der Rohmilch unterm Strich mehr Fett entzogen als am Ende wieder zugefügt wird, kann das restliche Fett zu anderen Milchprodukten wie beispielsweise Butter weiterverarbeitet werden. Je weniger Fett also im Endprodukt Trinkmilch ist, desto mehr Fett können die Molkereien zusätzlich in Form anderer Milchprodukte verkaufen. Ergo: Fettarme Milch ist günstiger als Vollmilch, denn sie enthält weniger des teuersten Rohstoffs – nämlich weniger Fett.

Verbraucher können Auszahlungspreise nicht beeinflussen

Auf den Erlös der Landwirte hat die Wahl zwischen günstiger fettarmer Milch und der etwas teureren Vollmilch keinen Einfluss – den Gewinn machen die weiterverarbeitenden Molkereien. Diese legen auch die Auszahlungspreise für die Landwirte fest. Und anders als Milchminister Christian Schmidt es uns weiß machen will, können Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Wahl zwischen teurer und günstiger Milch nicht beeinflussen, wieviel Geld bei der Landwirtschaft ankommt – das zeigt unser Milchpreis-Marktcheck. Und daran ändern auch die ab November leicht ansteigenden Milchpreise nichts.

...und „frisch“ ist nicht gleich frisch!

Apropos „frische Vollmilch“: Nur noch selten trifft das Prädikat „frisch“ wirklich zu. Denn heutzutage wird lediglich ein kleiner Teil der Milch „nur“ pasteurisiert, das heißt für wenige Sekunden auf mittlere Temperatur (circa 75 Grad Celsius) erhitzt. Die meiste Milch wird hingegen durch verschiedene, gesetzlich nicht geregelte Verfahren „länger haltbar“ gemacht (bis zu 21 Tage). Dafür werden zum Beispiel höhere Temperaturen bis über 120 Grad Celsius oder auch Mikrofiltrationen  eingesetzt (sogenannte ESL-Milch). Obwohl bei dieser im Vergleich zur klassischen „Pasteurisierung“ stärkeren Verarbeitung zwei- bis dreimal so viele Vitamine verloren gehen, darf auch diese Milch noch als „frische“ Milch verkauft werden (meistens als „länger haltbar“ gekennzeichnet).

Aus unserer Sicht ist die Vermarktung der stark verarbeiteten ESL-Milch als „frisch“ ein eklatantes Beispiel für legale Verbrauchertäuschung!

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Sophie Unger ist Campaignerin bei foodwatch. Im Zuge Ihrer Recherchen hat sie einen Blick hinter die Kulissen der Molkereien geworfen.