Nach Klage einer Kundin: Aldi knickt ein
Nach der Musterklage einer Verbraucherin lenkt Aldi Nord ein: Um ein Urteil abzuwehren, hat der Discounter einen Tag vor dem Gerichtstermin nun doch die Laboranalysen verdorbener Butter herausgegeben, die er seiner Kundin über fast ein Jahr hinweg vorenthalten hatte.
foodwatch hatte den Prozess unterstützt, um grundsätzlich zu klären, welche Auskunftsansprüche Verbraucher gegenüber Unternehmen haben. Der Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht Neumünster (Schleswig-Holstein) war für den heutigen Freitag bereits angesetzt (AZ 32 C /1629-13) – bei dem Termin wäre es nach der überraschenden Übermittlung der Laboranalyse nun formal zwar nur noch um eine Entscheidung über die Verteilung der Gerichtskosten gegangen. Diese hätten Aufschluss darüber geben können, ob das Gericht in der geltenden Rechtslage Informationsansprüche verankert sieht oder nicht. Deshalb hatte die Klägerin entschieden, nicht, wie von Aldi gewünscht, ihre Klage zurückzuziehen.
Der von Aldi Nord bestellte Anwalt jedoch eröffnete bei dem Termin, dass die Kosten von dem DIscounter getragen würden – jegliche Verhandlung war damit hinfällig.
Auskunftsrechte gegenüber Unternehmen müssen ins Gesetz!
Kurz vor dem Prozess ist Aldi also eingeknickt. Der Fall zeigt jedoch: Nur wer auch vor einer Klage nicht zurückschreckt, hat als einzelner Verbraucher überhaupt eine Chance, von Lebensmittelunternehmen Informationen zu bekommen. foodwatch fordert daher eine klare gesetzliche Grundlage, damit Kunden nicht erst vor Gericht ziehen müssen, um ihr Recht auf Informationen einzufordern. Direkte Auskunftsrechte der Verbraucher gegenüber Unternehmen müssen per Gesetz festgeschrieben werden. Wenn ein Lebensmittel nicht in Ordnung war, haben Kunden ein Recht darauf, zu erfahren, was genau los war.
Auch die 60 Jahre alte Klägerin Ruth Rockenschaub begrüßte den Kurswechsel von Aldi Nord, zog jedoch ein geteiltes Fazit: „Schön, dass Aldi nun nach Monaten endlich die Labor-Ergebnisse herausgibt – ein cleverer Schachzug am Abend vor dem Verfahren. Aber es ist enttäuschend, dass ich erst mit dem Anwalt kommen musste, um die Mauer des Schweigens bei Aldi zu durchbrechen“, sagte die Neumünsteranerin. „Es kann jedem passieren, dass man ein verdorbenes Lebensmittel kauft – aber soll denn jetzt jeder vor Gericht ziehen, um an Informationen zu kommen?“
Präsentkorb statt Information
Ruth Rockenschaub hatte seit fast einem Jahr vergeblich versucht, von Aldi Nord genaue Informationen über zwei Päckchen „Irische Butter“ zu erhalten, die sie Ende Mai 2013 gekauft hatte. Beim Verzehr hatte sie festgestellt, dass von der Butter ein unangenehmer, ranziger Geruch ausging. Daraufhin hatte sie beide Päckchen bei der Filialleiterin zurückgegeben und den Zustand des Lebensmittels reklamiert. Erst auf mehrmaliges Nachhaken kam schließlich die Antwort von Aldi Nord: Die Reklamation sei berechtigt und man habe das Produkt aus den Filialen zurückgerufen. Darüber hinaus habe das Unternehmen „selbstverständlich umgehend zusätzliche laboranalytische Untersuchungen“ veranlasst. Mit welchem Ergebnis wollte Aldi jedoch nicht preisgeben. Der Handelskonzern ließ lediglich mitteilen, dass man sich nicht weiter äußern werde. Daraufhin wandte sich die 60-jährige an foodwatch und verklagte Aldi Nord. foodwatch hatte zugesagt, die Kosten für den Prozess zu übernehmen. Kurz vor dem Gerichtstermin hat Aldi nun doch die Ergebnisse herausgegeben. Den Laboranalysen zufolge wies die Butter Anzeichen von Fettverderb auf, eine Gesundheitsgefahr bestand laut Aldi Nord nicht. Umso unverständlicher ist aus Sicht von foodwatch, dass der Discounter diese Informationen monatelang zurückgehalten hatte.
Präzedenzfall – ungeklärt
Für foodwatch war die Klage ein Präzedenzfall, der nun leider ungeklärt bleibt. Im Lebensmittelrecht ist bislang selbst im Fall von Gesundheitsrisiken unklar, welche Informationsansprüche Verbraucher gegenüber Lebensmittelunternehmen haben. Im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch sowie im Verbraucherinformationsgesetz (VIG) ist bisher nur geregelt, welche Informationen Behörden veröffentlichen müssen – nicht aber, welche Informationen Unternehmen an ihre Kunden weitergeben müssen.