Laut Behörde: Diese Adventskalender sind belastet
Nur acht Tage vor Weihnachten hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) die Namen der nach eigenen Angaben mit gefährlichen Mineralölen verunreinigten Schokoladen-Adventskalender herausgegeben und damit einem Antrag von foodwatch stattgegeben. Das LGL hatte die Produkte bereits im November untersucht, die Namen jedoch unter Verschluss gehalten und auch den Verkauf nicht gestoppt.
Aromatische Mineralöle, die als potenziell krebserregend und erbgutverändernd gelten, wurden nach Angaben des LGL in der Schokolade der folgenden Adventskalender nachgewiesen (Angabe in Klammern: Hersteller bzw. hergestellt für):
- Adventskalender „Tischkalender zum Aufstellen“ (Feodora, Bremen)
- Adventskalender „Santa’s Schlitten“ (Frankenwald Confiserie Bauer, Ludwigsstadt)
- Adventskalender „Für große Kinder“ (Frankenwald Confiserie Bauer, Ludwigsstadt)
- Adventskalender „Goldora“ (Windel GmbH & Co. KG, Osnabrück)
foodwatch vorliegenden Unterlagen des LGL zufolge hat die Behörde auch in diesem Kalender aromatische Mineralöle gefunden:
- Adventskalender „Santa Claus In Town“ (Netto Marken-Discount)
Weil Netto Marken-Discount auf dem Gerichtsweg versucht hat, eine Herausgabe dieser Information durch das LGL zu verhindern, konnte die Behörde selbst diese Angabe bislang nicht herausgeben. Da foodwatch dem Gerichtsverfahren jedoch beigeladen ist, erhielt die Verbraucherorganisation Kopien der Schriftsätze, aus denen das betroffene Produkt hervorgeht, und machte diese gesundheitsrelevante Information ebenfalls öffentlich.
Die Adventskalender wurden teilweise offenbar auch über Bayern hinaus verkauft. Nähere Angaben dazu liegen foodwatch jedoch nicht vor.
Information wäre bereits Ende November möglich gewesen
foodwatch kritisierte, dass die Behörden in Bayern bereits Ende November den Verkauf der Kalender stoppen und die Öffentlichkeit informieren können. Stattdessen lehnten sie die Nennung der Produktnamen zunächst ab, um sie später nach förmlichem Antrag und nach einer Anhörung der Unternehmen dann doch herauszugeben – wenige Tage vor Weihnachten, wenn ein Großteil der Schokolade bereits verzehrt ist. Frau Scharf als zuständige Ministerin hat zu verantworten, dass zahlreichen Kindern unnötige und vermeidbare Gesundheitsrisiken zugemutet wurden.
Behörde sieht „besonderes Informationsinteresse“
Im Bescheid des LGL heißt es: „…das Vorhandensein auch nur von geringen Bestandteilen einer potentiell krebserregenden Substanz […] unterliegt einem besonderen Informationsinteresse“. Umso mehr steht die Frage im Raum, weshalb Behörde und bayerisches Ministerium nicht sofort nach Vorlage der Messwerte aktiv über die Testergebnisse informiert haben. Der Fall zeigt aus Sicht von foodwatch, dass selbst bei Gesundheitsrisiken eine ausreichende Informationspolitik der Behörden nicht sichergestellt ist. Es fehlt eine Informationspflicht für die Lebensmittelbehörden. foodwatch forderte Bundesernährungsminister Christian Schmidt zu einer gesetzlichen Klarstellung auf: Bei Gesundheitsrisiken darf es keine Ermessensspielräume mehr geben: Wenn eine Behörde etwas weiß, dann muss sie auch informieren.
17.000 protestierten gegen Geheimhaltung
Das LGL hatte eigenen Angaben zufolge im November elf Adventskalender analysiert. Über die Untersuchung hatte die Behörde am 1. Dezember auf ihrer Internetseite berichtet, ohne dabei Messdaten und ohne die Namen der getesteten Produkte zu nennen. Die laut LGL belasteten Kalender blieben also nicht nur im Verkauf, den Verbraucherinnen und Verbrauchern wurde zudem vorenthalten, um welche Kalender es sich handelt. Eine Anfrage von foodwatch nach Nennung der Namen ließen sowohl die Pressestelle des LGL als auch die des Verbraucherschutzministeriums zunächst unbeantwortet. Am Donnerstag der vergangenen Woche startete foodwatch daraufhin eine E-Mail-Aktion, über die in kurzer Zeit mehr als 17.000 Menschen Ministerin Ulrike Scharf aufforderten, die Namen öffentlich zu machen. Schließlich stellte foodwatch zusätzlich einen förmlichen Eil-Antrag unter Berufung auf das Verbraucherinformationsgesetz (VIG). Das LGL gab dem Antrag statt und setzte in einem „Eilverfahren“ immerhin auch die für solche Fälle üblicherweise geltenden Auskunftsfristen von zwei Monaten außer Kraft, die zu einer Veröffentlichung der Angaben frühestens im Februar 2016 geführt hätten. Zunächst jedoch bat die Behörde, wie beim VIG üblich, die betroffenen Unternehmen um Stellungnahme, wodurch eine Information der Öffentlichkeit weitere Tage nach hinten geschoben wurde. An diesem Mittwoch schließlich übersandte das LGL die Namen der Produkte an foodwatch und folgte auch unserer Bitte, die Angaben auf der eigenen Internetseite öffentlich zu machen.
Dieses Hin und Her und all die formalen Verzögerungen waren unnötig: Das Lebensmittelrecht gibt den Behörden die Möglichkeit, bei Gesundheitsrisiken sofort zu handeln und sofort zu informieren – es verpflichtet sie aber nicht dazu. Dies muss sich dringend ändern.