Pressemitteilung 12.12.2016

foodwatch kritisiert: Industrie rechnet Nährwerte durch unrealistische Portionsangaben schön

  • Am 13.12. wird der letzte Teil der Lebensmittelinformationsverordnung verbindlich
  • keine klaren Angaben zu Nährwerten, Herkunft der Zutaten und Gentechnik
  • Verbrauchertäuschung wird weiterhin Tür und Tor geöffnet

Die Lebensmittelindustrie rechnet den Gehalt von Salz, Zucker und Fett mit unrealistischen Portionsgrößen schön. Das kritisierte die Verbraucherorganisation foodwatch anlässlich der vollständigen Anwendung der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV). Am Dienstag (13.12.) endet die letzte Übergangsfrist für die EU-weite Regelung zur Kennzeichnung von Lebensmitteln. „Für die 500 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU ist das keine gute Nachricht“, kritisierte Sophie Unger von foodwatch. „Kennzeichnungslücken werden gesetzlich festgeschrieben, Irreführung und Täuschung weiterhin erlaubt und informierte Kaufentscheidungen verhindert!“

Zwar müssen künftig die sieben wichtigsten Nährwerte (Brennwert, Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz) einheitlich pro 100 Gramm beziehungsweise Milliliter angegeben werden. Doch die Industrie darf die Angaben auf der Rückseite der Packung im Kleingedruckten verstecken – und auf der Packungsvorderseite die Zucker-, Fett- oder Salzwerte mit Mini-Portionsgrößen und irreführenden Prozentwerten kleinrechnen. „Die Portionsangaben der Industrie sind vollkommen unrealistisch“, sagte Sophie Unger. „Wer isst denn aus einer großen 175 Gramm-Tüte nur eine Hand voll Chips? Wer trinkt aus einer 500 Milliliter-Flasche für unterwegs nur die Hälfte? Und wer wird von nur einer Frühlingsrolle aus einer Viererpackung satt?“

Weitere Kritikpunkte an der Lebensmittelinformationsverordnung:

  • Gentechnik: Der Großteil der Menschen in Europa lehnt den Einsatz von Agrar-Gentechnik in der Landwirtschaft ab. Trotzdem erfahren Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einkauf weiterhin nicht, ob Tierprodukte wie Fleisch, Milch oder Eier von Tieren stammen, die mit gentechnisch veränderten Futterpflanzen gefüttert wurden.
  • Herkunft: Hersteller dürfen Informationen über die Herkunft der verwendeten Zutaten bei den meisten Produkten verschweigen. Bei verarbeiteten Lebensmitteln fehlen verpflichtende Herkunftsangaben gänzlich. Und auch Begriffe wie „aus der Region“ oder „aus der Heimat“ sind nicht gesetzlich definiert bzw. geschützt.

foodwatch fordert die Vorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien dazu auf, das Thema erneut auf die politische Agenda zu heben. „Die Lebensmittelinformationsverordnung ist eine Irreführungsverordnung, denn sie hält das Versprechen nicht, das den europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern gegeben wurde. Mannigfaltiger Täuschung und Irreführung durch die Hersteller wird damit kein Riegel vorgeschoben. Das absurde Industrie-Modell mit Mini-Portiönchen illustriert dies nur zu gut. Viel verständlicher wäre für Verbraucherinnen und Verbraucher erwiesenermaßen die Lebensmittelampel auf der Schauseite der Produkte“, sagte foodwatch-Campaignerin Unger. „Wir rufen die Politik deshalb dazu auf, die Einführung der Nährwertampel in ihre Programme zur Bundestagswahl 2017 aufzunehmen.“ Die Ampelkennzeichnung, durch die der Gehalt an Fett, Zucker und Salz auf einen Blick zu erkennen wäre, hatte 2010 im EU-Parlament keine Mehrheit gefunden.

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