Pressemitteilung: Nahrungsmittelspekulation: Eigene Forschungsabteilungen warnten Deutsche Bank und Allianz vor schweren Folgen – Deutsche Bank belog den Bundestag
Insgesamt sechs Papiere aus den Forschungsabteilungen von Deutscher Bank und Allianz belegen: Entgegen öffentlicher Äußerungen gehen die Unternehmen selbst davon aus, dass Spekulation mit Agrarrohstoffen zu höheren Nahrungsmittelpreisen und damit zu Hunger führen kann. In einem als „ausschließlich zur internen Nutzung, vertraulich“ gekennzeichneten Dokument des Allianz-Konzerns, das der Verbraucherorganisation foodwatch vorliegt, heißt es: Es sei „doch wahrscheinlich“, dass „spekulative Kapitalströme (…) die Preisentwicklung zumindest verstärkt haben“. In einem weiteren Papier hielt die Forschungsabteilung von Allianz bereits 2008 fest: „Die Preisausschläge an den Agrarmärkten wurden durch spekulative Faktoren nicht ausgelöst, aber verstärkt“.
Deutsche Bank belog Bundestag
Vier Dokumente der Abteilung DB Research zeigen, dass die Deutsche Bank den Deutschen Bundestag über ihre Erkenntnisse belogen hat. Vor dem Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hatte der Chefvolkswirt des Unternehmens, David Folkerts-Landau, am 27. Juni 2012 gesagt: „Es gibt kaum stichhaltige empirische Belege für die Behauptung, dass die zunehmende Bedeutung von Agrarfinanzprodukten zu Preissteigerungen oder erhöhter Volatilität geführt hat.“ Die Forschungsabteilung der Deutschen Bank dagegen schreibt: „Auch die Spekulation hat zu Preissteigerungen beigetragen.“ DB Research warnt ausdrücklich und unmissverständlich vor den Konsequenzen: „Solche Spekulationen können für Landwirte und Verbraucher gravierende Folgen haben und sind im Prinzip nicht akzeptabel.“ Folkerts-Landau könnten die Einschätzungen von DB Research durchaus bekannt sein – er selbst ist der Leiter der Abteilung.
„Der eigentliche Skandal ist, dass Deutsche Bank und Allianz ganz genau wissen, welchen Schaden sie mit ihren Finanzprodukten anrichten – aber die Öffentlichkeit täuschen und sogar den Bundestag belügen, um weiterhin ohne Skrupel Geschäfte auf Kosten Hungernder zu machen“, erklärte foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode.
Insgesamt werden in den Papieren von Deutscher Bank und Allianz immer wieder die uneinheitlichen empirischen Erkenntnisse über den Einfluss von Spekulation auf die Preise dargestellt. Die Hauptursache für steigende Preise wird in fundamentalen Entwicklungen (steigende Nachfrage, Biospritproduktion etc.) gesehen. Doch entgegen den öffentlichen Aussagen von Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen und Allianz-Vorstand Jay Ralph, die spekulative Finanzprodukte sogar als Instrument im Kampf gegen die Hungerkrise darstellten, gehen die Forschungsabteilungen beider Unternehmen fest davon aus, dass Spekulation Preisentwicklungen verschärfen kann: Es sei „nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die Spekulation übermäßige Preisentwicklungen zumindest fördert“, heißt es in einem Allianz-Papier.
foodwatch forderte Deutsche Bank und Allianz auf, sämtliche Finanzprodukte, die auf die Preisentwicklung von Agrarrohstoffen wetten, sofort vom Markt zu nehmen. „Schon kurzfristige Preissteigerungen können insbesondere bei chronisch mangelernährten Kindern dauerhafte Schäden verursachen oder zum Tode führen – allein eine Wahrscheinlichkeit für solche Folgen verpflichtet dazu, die exzessive Spekulation aus Vorsorgegründen zu beenden“, so foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode.
In einem Dokument aus dem Jahr 2010 machten sich die Deutsche-Bank-Forscher sogar noch für politische Eingriffe stark: „Eine stärkere Regulierung auf den Derivatemärkten würde insgesamt einen positiven Beitrag dazu leisten, Exzesse zu vermeiden.“ Geboten wäre das – aber davon ist heute keine Rede mehr.
Steigende Preise, gestörte Märkte, schwere Folgen: Zitate aus den Forschungsergebnissen von Deutscher Bank und Allianz zu den Auswirkungen exzessiver Agrarspekulation:
„In manchen Zeiten können übertriebene Marktpositionen allerdings das normale Funktionieren des Markts vorübergehend verzerren – und dies kann möglicherweise ernsthafte Konsequenzen für Bauern und Verbraucher haben. Wenn Spekulanten die Preise auf ein Niveau treiben, das nicht mehr mit den Fundamentaldaten im Einklang steht, kann dies schwere Folgen haben.“
Aus: Deutsche Bank Research: Steigende Lebensmittelpreise – strukturell oder temporär? – Kurzfristige Einflussfaktoren, Trends und Implikationen (28.03.2011), S.7/8; Quelle: http://www.dbresearch.de/PROD/DBR_INTERNET_DE-PROD/PROD0000000000271533.pdf
„Wie […] erörtert, werden Preiserhöhungen durch angebots- und nachfragerelevante Faktoren angetrieben (Bevölkerung, Einkommen, Produktivität, Energiepreise, politische Maßnahmen); in einigen Fällen wurde die Preisentwicklung durch die Spekulation aber womöglich zusätzlich verstärkt.”
Aus: Deutsche Bank Research: Talking point – Food prices on the rise: weather events exacerbate a tight supply-demand balance (12.01.2011), S. 2; Übersetzung durch foodwatch; engl. Originaltext: „As discussed above, price increases are driven by supply-demand factors (population, income, productivity, energy prices, policy responses) but in some instances speculation might have added to the price movement.”
Quelle: http://www.dbresearch.de/PROD/DBR_INTERNET_DE-PROD/PROD0000000000268155.pdf
„Dies bringt natürlich die Möglichkeit mit sich, dass bestimmte Positionen allein aufgrund ihrer Größe das normale Funktionieren des Marktes beeinträchtigen können. Solche Spekulationen können für Landwirte und Verbraucher gravierende Folgen haben und sind im Prinzip nicht akzeptabel.
Im Großen und Ganzen ist es für das reibungslose Funktionieren der Nahrungskette wichtig, dass die Rohstoffderivate weiterhin ihrem ursprünglichen Zweck dienen, nämlich der Preisbildung und Preisabsicherung, und der Preisvolatilität entgegenzuwirken. Wir setzen uns generell für mehr Transparenz ein. Eine stärkere Regulierung auf den Derivatemärkten würde insgesamt einen positiven Beitrag dazu leisten, Exzesse zu vermeiden.“
Aus: Deutsche Bank Research: Risk management in agriculture – Towards market solutions in the EU (17.09.2010), S. 21/22; Übersetzung durch foodwatch; engl. Originaltext: „This brings of course the possibility of positions distorting the normal functioning of the market, for instance due to their sheer size. Such speculation can have grave consequences for farmers and consumers and is, in principle, unacceptable. All in all, it is important for the good functioning of the food chain that commodity derivatives keep serving their initial purpose of price discovery and hedging, to cope with price volatility. We advocate more transparency in general. More regulation in the derivatives market overall will be helpful in avoiding excesses."
Quelle: http://www.dbresearch.com/PROD/DBR_INTERNET_EN-PROD/PROD0000000000262553.PDF
„Auch die Spekulation hat zu Preiserhöhungen beigetragen.“
Aus: Deutsche Bank Research: The global food equation – Food security in an environment of increasing scarcity (21.09.2009), S. 22; Übersetzung durch foodwatch; engl. Originaltext: „Speculation has also contributed to price increases.“
Quelle: http://www.dbresearch.com/PROD/DBR_INTERNET_EN-PROD/PROD0000000000247631.PDF
„Bedenkt man jedoch […] den massenhaften Zustrom von Fonds und nicht-traditionellen Teilnehmern auf die Rohstoffmärkte, ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die Spekulation übermäßige Preisentwicklungen zumindest fördert, und zwar in beide Richtungen. Selbst wenn spekulative Kapitalströme nicht unbedingt der Auslöser für die Preisbewegungen der Jahre 2007 und 2008 waren, so ist es doch wahrscheinlich, dass sie die Preisentwicklung zumindest verstärkt haben.“
Aus: Allianz Research: Kathrin Brandmeir, Arne Holzhausen, Gabriele Steck; Is speculation to blame für rising food prices? – A compilation of facts & findings – Allianz Working Paper (18.06.2012), S. 11 – unveröffentlicht und gekennzeichnet mit for internal use only – confidential”; Übersetzung durch foodwatch; engl. Originaltext: „However, taking into consideration the huge influx of funds and non-traditional participants into commodity markets, it cannot be totally dismissed, that speculation at least supports excessive price developments, and this in both directions. Even if speculative capital flows were not necessarily the trigger for the price movements seen in 2007 and 2008, it seems reasonable that at least they enforced price trends.”
Quelle: veröffentlicht durch foodwatch: Allianz_Workingpaper06-2012_ger.pdf
„Die Preisausschläge an den Agrarmärkten wurden durch spekulative Faktoren nicht ausgelöst, aber verstärkt, zumal es sich um relativ enge Märkte handelt.“
Aus: Dr. Ingrid Angermann: Korrektur an den Rohstoffmärkten – Ist die Luft raus? – Allianz Dresdner Economic Research: Working Paper 114 (27.08.2008; im September 2008 auch in englischer Fassung erschienen als „Working Paper 105“), S. 14
Quelle: https://www.allianz.com/media/current/de/images/wp_rohstoffe_aug08.pdf