Das steckt hinter dem Billig-Fleisch

Hallo und guten Tag,

Betriebe werden geschlossen, Menschen in Quarantäne geschickt. Zu Hunderten meldeten Schlachthöfe positive Corona-Tests bei Arbeitern. Überall dasselbe Bild: In Deutschland, in Frankreich, in den Niederlanden. Die Fleischindustrie hat sich zum Hotspot für Virus-Infektionen entwickelt. Medien berichteten über die menschenunwürdige Wohn- und Arbeitssituation der Leiharbeiter: Menschen aus Osteuropa, die für kargen Lohn bis zum Umfallen arbeiten müssten und unter zweifelhaften hygienischen Bedingungen in vollgestopften Sammelunterkünften hausten. Die Bundesregierung gab sich empört: Bundeskanzlerin Angela Merkel wunderte sich über die „erschreckenden Nachrichten“, Arbeitsminister Heil kündigte an, „aufräumen“ zu wollen, während Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ganz bestimmt wusste, dass es sich nur um Ausnahmefälle handeln könne.

Diese gespielte Überraschung ist schwer zu ertragen, liebe foodwatch-Interessierte – und es geht auch nicht um ein paar einzelne Betriebe. Strategisch hat sich der Großteil der deutschen Fleischindustrie darauf festgelegt, billig und immer billiger zu produzieren, damit deutsches Schweinefleisch ein Exportschlager in der EU und weit darüber hinaus ist. Erreicht wird dies mit der Ausbeutung von Tieren, Menschen und Umwelt. Zeigen Sie, dass wir Verbraucherinnen und Verbraucher das nicht akzeptieren wollen und unterstützen Sie jetzt unsere Arbeit als Förderin/Förderer!

Fleisch ist ein dickes Geschäft – vor allem in Deutschland. Es geht um einen Umsatz von mehr als 40 Milliarden Euro im Jahr, kein Zweig unserer Lebensmittelindustrie ist größer. Ein hochkonzentrierter Markt in den Händen von Massenkonzernen wie Tönnies, Vion, Westfleisch und Wiesenhof, die sich einen knallharten Wettbewerb liefern. Dabei geht es vor allem um eines: Einen möglichst billigen Preis.

Noch vor 20 Jahren führte Deutschland Schweinefleisch ein, um die Nachfrage decken zu können. Heute wird längst weit über Bedarf produziert. Es wurden sogar dann noch immer mehr Tiere geschlachtet, als der Konsum für Schweinefleisch spürbar zurückging. Rasant hat sich Deutschland vom Netto-Importeur zum Massenexporteur entwickelt, die Schweinfleischindustrie ist heute geradezu abhängig vom Exportgeschäft. Die Bundesregierung präsentiert uns das als große Erfolgsgeschichte, nennt Deutschland den „Exportweltmeister“ für Schweinefleisch. Was sie nicht so gerne sagt: Exportweltmeister wird nicht, wer die beste Qualität anbietet – sondern einen möglichst billigen Preis. Die Fleischwirtschaft ist nicht nur abhängig vom Export, sondern auch von einem gnadenlosen Dumping-Wettbewerb. Einem Wettbewerb, bei dem es außer einigen Fleischbaronen vor allem Verlierer gibt: Wir Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn es wieder einmal zu einem Fleischskandal kommt, weil die Sparpolitik selbst bei der Hygiene nicht Halt macht. Bauernfamilien, die einer ständigen Preisdrückerei ausgeliefert sind. Die Billig-Arbeiterinnen und Arbeiter in den Schlachthöfen. Und nicht zuletzt die Tiere, deren unermessliches Leid die Fleischindustrie in Kauf nimmt, durch Spaltenböden für Mastschweine, enge Kastenstände für Muttersauen und vieles mehr. Sie alle zahlen den Preis für die politisch gewollte Wachstumsstrategie der Fleischbarone: Wenn gestern billig war, muss es morgen noch billiger gehen…

Wir müssen endlich weg von dieser zerstörerischen Billig-Export-Strategie! Unterstützen Sie uns mit unserer Arbeit, damit wir unsere Finger immer wieder in diese Wunde legen können – werden Sie jetzt Förderin/Förderer von foodwatch!

Um die zweifelhafte „Erfolgsgeschichte“ fortzuschreiben, drücken Bundes- und Landesregierungen wie auch die europäische Politik schon mal alle Augen zu. Unvorstellbar, aber wahr, von welchen Bedingungen die Fleischwirtschaft profitiert:

  • Die Einhaltung von Tierschutzvorgaben wird sicher von den Behörden kontrolliert, denken Sie wahrscheinlich. So ist es auch: Tierschutzkontrollen finden in Deutschland in jedem Betrieb regelmäßig statt – und zwar im Schnitt alle 17 Jahre (!), in Bayern sogar nur alle 48 (!) Jahre. Diese Zahlen machte die Bundesregierung vor zwei Jahren in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage öffentlich.
  • Selbst wenn offensichtlich wird, dass die Ämter bei massiven Tierquälereien nicht eingegriffen, sondern weggeschaut haben, gehen die Amtsleute straffrei aus. Staatsanwälte sehen trotz der Vergehen keine Handhabe. Aber hat die Politik darauf reagiert und die Gesetze verschärft? Fehlanzeige!
  • In einer Verordnung erlaubte es die EU sogar ausdrücklich, dass in der Geflügelindustrie „Schlachthofpersonal die Tätigkeiten der amtlichen Fachassistenten bei der Kontrolle (…) übernimmt“. Dieselbe Verordnung definiert die an den Schlachthofkontrollen beteiligten Fachassistenten als „Teil eines unabhängigen Teams“. Aber wie unabhängig bitteschön soll jemand sein, der als Angestellter eines Schlachthofs seinen eigenen Arbeitgeber kontrollieren soll?!

Der Eindruck drängt sich auf: Es SOLL gar nicht so genau hingeschaut werden, um bloß den Export-„Erfolg“ einer Industrie nicht zu gefährden, die am Tropf einer fatalen Billig-Strategie hängt. Das dürfen wir nicht länger akzeptieren! Helfen Sie uns dabei und werden Sie jetzt Förderin/Förderer von foodwatch!

Auf eins müssen wir uns allerdings einstellen: Die Fleischindustrie wird sich wehren und alles dafür tun, ihr ausbeuterisches Billig-System aufrecht zu erhalten. Sie wird weiter dafür sorgen, dass das Leid von Menschen und Tieren unsichtbar bleibt. Dagegen braucht es den entschiedenen Widerstand von uns Verbraucherinnen und Verbrauchern. Wir lassen uns nicht länger für das Versagen politischer Regulierung moralisch in Geiselhaft nehmen. Wir wollen, dass die Fleischbarone nicht länger Profit aus der Not wehrloser Tiere und der schäbigen Ausbeutung von Menschen ziehen. Wir Verbraucherinnen und Verbraucher müssen Druck machen, damit dieser Wahnsinn endlich aufhört. Bitte helfen Sie uns dabei und unterstützen Sie foodwatch als Förderin/Förderer!

Vielen Dank und herzliche Grüße


Ihr Martin Rücker
Geschäftsführer foodwatch