Pressemitteilung 15.05.2020

foodwatch-Statement: Das Verbot von gesüßten Babytees ist ein Ablenkungsmanöver

Baby- und Kindertees dürfen in Zukunft keinen zugesetzten Zucker enthalten. Eine entsprechende Verordnung von Bundesernährungsministerin Julia Klöckner hat der Bundesrat heute beschlossen. Dazu erklärt Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch:

„Im Kampf gegen Fettleibigkeit und Fehlernährung versagt Julia Klöckner auf ganzer Linie. Ihre freiwilligen Verabredungen mit der Industrie funktionieren hinten und vorne nicht, und jetzt versucht sie ihr politisches Scheitern mit dem Verbot von gesüßten Babytees zu überdecken – ein Nischenprodukt, das im Einzelhandel ohnehin kaum mehr eine Rolle spielt. Statt Ablenkungsmanöver muss Frau Klöckner ernsthafte Maßnahmen ergreifen, wie sie von der Weltgesundheitsorganisation und der Ärzteschaft seit Jahren gefordert werden. Die Werbung an Kinder für unausgewogene Lebensmittel muss gesetzlich untersagt werden, wir brauchen eine verpflichtende Nutriscore-Ampel auf allen Produkten und eine Limo-Steuer nach britischem Vorbild. Weil Frau Klöckner keine Antwort auf die Epidemie von Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes liefert, nimmt sie neue Erkrankungen wissentlich in Kauf.“

Hintergrund

Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern sowie Erwachsenen haben in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch zugenommen. Die WHO und die OECD sprechen von einer „globalen Adipositas-Epidemie“. Aktuell ist etwa jeder vierte Erwachsene in Deutschland fettleibig. Bei Kindern sind mehr als 15 Prozent übergewichtig. Ein Zusammenschluss von deutschen Fachgesellschaften warnt vor einem „Tsunami chronischer Krankheiten“, denn Fettleibigkeit erhöhe nachweislich das Risiko für die Entstehung von zahlreichen chronischen Krankheiten, darunter Herzkrankheiten, Typ-2-Diabetes sowie diverse Krebsarten. Allein durch Adipositas entstehen in Deutschland jährlich etwa 63 Milliarden Euro Folgekosten.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, setzt Julia Klöckner auf freiwillige Vereinbarungen mit der Industrie: Im Rahmen der „Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten“ sollen Hersteller freiwillig bis 2025 unte anderem weniger Zucker einsetzen. Bislang hat sich bei den Rezepturen jedoch kaum etwas geändert: Weiterhin enthalten 99 Prozent der Frühstücksflocken für Kinder zu viel Zucker, Joghurts für Kinder enthalten 40 Prozent mehr Zucker als von der WHO empfohlen ¬¬– das zeigen Daten der AOK und des Max Rubner-Instituts. Bei Zuckergetränken, einer der Hauptursachen für Fettleibigkeit, ging der Zuckeranteil sogar nur um 0,2 Gramm pro 100 Milliliter zurück.

Die WHO und die Ärzteschaft fordern seit Jahren wirkungsvolle Maßnahmen gegen Fehlernährung: Ein gesetzliches Verbot der Werbung an Kinder für unausgewogene Lebensmittel, eine EU-weit verpflichtende Nutriscore-Ampel auf allen Produkten und eine Limo-Steuer nach britischem Vorbild. In Großbritannien ist nach Einführung einer Limo-Steuer der Zuckergehalt in Limonaden und anderen Erfrischungsgetränken drastisch gesunken. So enthält mittlerweile eine Fanta in Großbritannien nur noch halb so viel Zucker wie eine Fanta in Deutschland (4,6 statt 9,1 Gramm pro 100 Milliliter). Sowohl in Großbritannien als auch in Mexiko, Finnland, Berkeley oder Frankreich ging der Zuckergetränke-Verbrauch nach Einführung einer Steuer signifikant zurück.