Mehrheit der Bundesländer will Nutri-Score-Ampel – foodwatch: Ländervertreter müssen verbraucherfreundliche Lebensmittelkennzeichnung gegenüber Frau Klöckner durchsetzen
Die Mehrheit der Bundesländer spricht sich für den Nutri-Score aus. Mit dieser Lebensmittelampel liege „ein bereits wissenschaftlich bewährtes und evaluiertes praxisgetestetes System“ zur Nährwertkennzeichnung vor, heißt es in einer kürzlich veröffentlichten Erklärung der Länder-Verbraucherschutzministerkonferenz. Neun Bundesländer, darunter Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Hessen und Berlin, fordern darin die Nutri-Score-Ampel, „damit Verbraucherinnen und Verbraucher mit einem Blick eine differenziertere Einkaufsentscheidung treffen können“. Die Diskussion über ein weiteres, neues Modell zur Nähwertkennzeichnung, wie von Bundesernährungsministerin Julia Klöckner vorgeschlagen, sei „unnötig und zeitverzögernd“. Julia Klöckner hatte im Mai ein eigenes Modell zur Nährwertkennzeichnung vorgelegt, das das staatliche Max Rubner-Institut in ihrem Auftrag entwickelte hatte. Anders als beim Nutri-Score fehlt bei diesem „Waben“-Modell eine Einordnung in Ampelfarben. Anlässlich eines Runden Tisches zur Nährwertkennzeichnung, zu dem Frau Klöckner am Dienstag Vertreterinnen und Vertreter der Lebensmittelwirtschaft und der Bundesländer in ihr Ministerium eingeladen hatte, forderte foodwatch die Bundesländer auf, sich weiterhin für eine klar verständliche Lebensmittelampel einzusetzen
„Die Länder dürfen sich nicht von Frau Klöckner über den Runden Tisch ziehen lassen, sondern sollten bei ihrer klaren Position bleiben. Die Erprobung eines neuen Systems zur Nährwertkennzeichnung ist unnötig, kostet Zeit und schützt nur die Interessen der Süßwaren- und Junkfood-Industrie, die mit allen Mitteln eine Lebensmittelampel verhindern will", sagte Luise Molling von foodwatch. „Die Mehrheit der Bundesländer spricht sich mit deutlichen Worten für den Nutri-Score aus, da die Nutri-Score-Ampel im Gegensatz zum Klöckner-Modell klar verständlich ist und eine farbliche Orientierung beim Einkaufen bietet. Anders als das von Frau Klöckner präsentierte Modell ist die Nutri-Score-Ampel wissenschaftlich abgesichert und in der Praxis erprobt.“
Die Verbraucherschutzministerinnen und -minister der Bundesländer hatten sich auf ihrer Konferenz (VSMK) im Mai dafür ausgesprochen, dass der Bund bis zum Jahresende ein einheitliches Modell zur Nährwertkennzeichnung vorlegen solle. Neun Bundesländer sprachen sich darüber hinaus in einer sogenannten Protokollerklärung explizit für den Nutri-Score aus: Berlin, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Bremen, Thüringen, Hessen, Brandenburg, Saarland und Sachsen-Anhalt forderten darin den Bund auf, „bei der weiteren Ausgestaltung einer leicht verständlichen, transparenten und mehrfarbigen Kennzeichnung auf der Vorderseite von Lebensmitteln in Deutschland das Nutri-Score-System zu Grunde zu legen“. In einer weiteren Protokollerklärung übten die gleichen Bundesländer – außer das Saarland – zudem deutliche Kritik an dem von Frau Klöckner in Auftrag gegebenen Modell des Max Rubner-Instituts: Es erfülle nicht die „Anforderungen an eine vereinfachte und verbraucherverständliche Nährwertkennzeichnung“ und biete „keine farbliche Orientierung“. Das klare Fazit der Länder: „Durch eine Vielzahl an Informationen und Symbolen sind die Informationen nicht intuitiv und auf den ersten Blick erfass- und nachvollziehbar. Das Modell erfüllt das Ziel einer einfachen, für die Verbraucherinnen und Verbraucher leicht verständlichen Kennzeichnung nicht.“
Nicht nur foodwatch, sondern auch Ärzteverbände, Krankenkassen und Verbraucherorganisationen in vielen europäischen Ländern fordern schon seit langem verbindliche Maßnahmen gegen Fehlernährung und Übergewicht – eine verständliche Nährwertkennzeichnung in Ampelfarben ist dabei ein wichtiger Baustein. In Ermangelung einer verbindlichen EU-weiten Regelung haben inzwischen mehrere Länder Ampelkennzeichnungen auf freiwilliger Basis eingeführt. Der von unabhängigen französischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickelte Nutri-Score wird bereits in Frankreich und Belgien verwendet, Spanien hat seine Einführung angekündigt und in Portugal, Luxemburg und der Schweiz wird über die Einführung diskutiert. Das Modell nimmt eine Gesamtbewertung der Nährwertzusammensetzung eines Produktes vor, indem es ernährungsphysiologisch günstige und ungünstige Nährwertbestandteile miteinander verrechnet und auf einer von grün nach rot abgestuften Farbskala einordnet. Mit dem Nutri-Score lassen sich so die Nährwerte verschiedener Lebensmittel wie Tiefkühlpizzen, Frühstücksflocken oder Fruchtjoghurts auf einen Blick vergleichen.