Pressemitteilung 28.11.2019

Nach Wilke-Fall: Behördenversagen bei drei weiteren Listerien-Rückrufen

foodwatch kritisiert unzureichende Warnung der Verbraucher

  • Gefährliche Lücken in staatlichem Portal für Lebensmittelwarnungen
  • Niedersachsen verweigert gesundheitsrelevante Angaben
  • foodwatch: Julia Klöckner muss Warnsystem reformieren

Die Verbraucherorganisation foodwatch hat unzureichenden Warnungen bei drei Lebensmittelrückrufen kritisiert. In allen drei Fällen waren Lebensmittel mit Listerien belastet, die schwere bis hinzu tödlich verlaufenden Erkrankungen auslösen können - dennoch wurden Verbraucherinnen und Verbraucher gar nicht oder nur mangelhaft auf dem offiziellen Behördenportal lebensmittelwarnung.de informiert. foodwatch forderte Bundesernährungsministerin Julia Klöckner auf, zügig ein Konzept vorzulegen, wie das Online-Portal endlich zu einer verlässlichen Informationsquelle über alle gesundheitsrelevanten Lebensmittelwarnungen werden kann.

„Die Webseite in seiner bisherigen Form ist gescheitert. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können sich nicht einmal im Ansatz darauf erlassen, dass sie auf der zentralen Plattform über wichtige Lebensmittelwarnungen zuverlässig informiert werden“, kritisierte foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. Dem niedersächsischen Verbraucherschutzministerium und dem Landkreis Leer warf er zudem vor, gegen die Standards bei der Verbraucherwarnung zu verstoßen und dadurch ernsthafte Erkrankungen billigend in Kauf zu nehmen.

Die drei Fälle im Detail:

Fall 1: Am 16. November musste die Schlachterei Lay aus dem niedersächsischen Moormerland alle Produkte aufgrund einer möglichen Listerienbelastung zurückrufen. Die zuständige Kontrollbehörde, der Landkreis Leer, und das niedersächsische Verbraucherschutzministerium verweigerten jedoch eine Warnung über die eigens dazu eingerichtete Bund-Länder-Plattform lebensmittelwarnung.de. Das Ministerium stufte den Fall als „lokalen Rückruf" ein und rechtfertigte damit, dass der Landkreis auf eine Lebensmittelwarnung im Portal für Lebensmittelwarnungen verzichtete. Tatsächlich wurden die Produkte über einen Partyservice und eine Adventsausstellung potenziell auch an Verbraucherinnen und Verbraucher aus anderen Regionen verbreitet. Das Ministerium bewertete die stattdessen erfolgte Verbreitung des Rückrufs über das eigentlich für Naturkatastrophen gedachte Portal „Katwarn“ als „effektiv“ - konnte aber auf Nachfrage nicht einmal konkrete Angaben zur Reichweite des Portals machen. Zudem enthielt die Meldung keine Benennung der erheblichen, mit Listerien verbundenen Gesundheitsgefahren oder eine Beschreibung von Symptomen. Das gehört jedoch zum Standard, allen Kontrollbehörden bundesweit liegen abgestimmte Formulierungen dazu vor. Diese zu ergänzen wäre „hilfreich“ gewesen, räumte das Ministerium gegenüber foodwatch ein - sah jedoch keinen Anlass für fachaufsichtliche Maßnahmen gegenüber dem Landkreis Leer.

Fall 2: Am 24. November kam es zu einem weiteren Listerien-Rückruf im Landkreis Leer, betroffen waren mehrere Fleisch- und Wurstwaren der ebenfalls in Moormerland ansässigen Fleischerei Diedrich Eckhoff. In diesem Fall informierten die niedersächsischen Behörden zwar auf lebensmittelwarnung.de über den Rückruf. Sie akzeptierten jedoch die vage Angabe der Fleischerei, dass betroffene Ware „in diversen Verbrauchermärkten und anderen Verkaufsstellen“ abgegeben worden sei - wo genau, gaben weder die Behörden noch das Unternehmen an, obwohl eindringlich gewarnt wurde: „Endverbraucher, die die Produkte gekauft haben, sollten diese auf keinen Fall verzehren“. Wie die Endverbraucher ohne die Nennung der Verkaufsstellen überprüfen sollen, ob sie die betroffenen Produkte gekauft haben, blieb offen.

Fall 3: Am 26. November rief der italienische Hersteller Igor - ebenfalls wegen einer möglichen Listerienbelastung - Gorgonzola-Produkte der Marke „San Fabio“ zurück, die in Deutschland beim Discounter Penny verkauft wurden. Auch hier erfolgte kein Eintrag auf dem Behördenportal lebensmittelwarnung.de.

„Nach dem Fall Wilke müsste doch auch die letzte Behörde verstanden haben, welche Folgen Listerien haben können - offenbar ist das nicht der Fall. Diese fatalistische Haltung muss endlich ein Ende haben“, so foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker.