Protest gegen geplante Kürzung von Lebensmittelkontrollen: 130.000 Menschen fordern Bundesrat mit Petition zum Stopp von Klöckners Reformvorhaben auf
- Länderkammer entscheidet am 18.9. über neue Regeln für Lebensmittelkontrollen
- Risikobetriebe müssten dem Klöckner-Entwurf zufolge seltener kontrolliert werden
- Kontrolleure, Amtstierärzte und Verbraucherschützer warnen vor den Folgen
Breiter Protest gegen die geplante Reduktion der Lebensmittelkontrollen: Neben Verbraucherschützern, Amtstierärzten und Lebensmittelkontrolleuren haben nun schon 130.000 Bürgerinnen und Bürger mit einer Petition an die Bundesländer appelliert, den Reformentwurf von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner im Bundesrat abzulehnen. Die Länderkammer soll bereits am kommenden Freitag (18. September) über das Vorhaben abstimmen, dem zufolge die Lebensmittelbehörden künftig weniger Betriebskontrollen durchführen müssten als bisher vorgesehen. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der von der Verbraucherorganisation foodwatch initiierten Petition fordern die Landesregierungen auf: „Stoppen Sie dieses Vorhaben im Bundesrat!“ Der Appell kann unter www.aktion-lebensmittelkontrollen.foodwatch.de weiter unterzeichnet werden.
Der von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner vorgelegte und vom Bundeskabinett bestätigte Entwurf zur Änderung der sogenannten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmen-Überwachung („AVV Rüb“) sieht vor, dass Lebensmittelbetriebe in Zukunft routinemäßig seltener kontrolliert werden müssten als nach der bislang geltenden Fassung der Vorschrift. Ausgerechnet für Risikobetriebe wären weniger Pflichtkontrollen vorgesehen als heute: Für ein Unternehmen aus der Kategorie des Skandal-Wurstherstellers Wilke beispielsweise nur noch 4 statt bisher 12 Termine im Jahr. Fleischbetriebe der höchsten Risikoklasse, für die bisher werktägliche Kontrollen vorgesehen sind, müssten die Ämter nur noch einmal pro Woche überprüfen – für diese Hochrisikounternehmen fielen mit dem neuen Entwurf 200 Pflichtkontrollen im Jahr weg.
Neben foodwatch hatten auch der Bundesverband der beamteten Tierärzte, der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure Deutschlands und der Verbraucherzentrale Bundesverband die Länder aufgefordert, den Klöckner-Entwurf im Bundesrat abzulehnen.
„Die Klöckner-Reform wäre vielleicht ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk an Herrn Tönnies, aber eine gravierende Schwächung des Verbraucherschutzes. Wenn die Landesregierungen die Lebensmittelsicherheit nicht markant absenken und dem nächsten Skandal Vorschub leisten wollen, müssen sie diese wahnwitzigen Pläne im Bundesrat stoppen“, forderte foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker.
Die Verbraucherorganisation kritisierte, dass Julia Klöckner und ihr Ministerium den Reformentwurf auch noch als eine Stärkung der Lebensmittelüberwachung darstellten, weil im Gegenzug zur Reduktion der vorgeschriebenen Pflichtkontrollen zusätzliche anlassbezogene Kontrollen stattfinden sollen. Allerdings ist es schon heute der Fall, dass die Lebensmittelbehörden bei einem konkreten Anlass zusätzliche Überprüfungen in den Unternehmen durchführen – zudem enthält der Klöckner-Entwurf keinerlei konkrete Vorgabe für eine Verpflichtung der Ämter auf eine bestimmte Anzahl dieser zusätzlichen Kontrollen. Damit steht unter dem Strich eine deutliche Verringerung der geplanten Kontrolltermine, vor allem bei Risikobetrieben.
Weil die meisten Lebensmittelämter unterbesetzt sind, wird schon in keinem einzigen Bundesland die vorgeschriebene Zahl an Routinekontrollen erreicht. Jede dritte nach der derzeit geltenden AVV RÜb vorgesehene Routinekontrolle fällt aus.
„Die Lebensmittelüberwachung braucht seit langem mehr Personal – stattdessen will Julia Klöckner den Personalmangel kaschieren, indem sie einfach die Aufgaben reduziert. Damit wird nichts verbessert, sondern nur die Statistik der unterbesetzten Ämter geschönt, die plötzlich ihr Aufgaben-Soll erfüllen könnten, ohne eine Stelle mehr zu schaffen und ohne eine Kontrolle mehr durchzuführen. Das ist, als würde die Polizei die Kriminalitätsrate kleiner reden, weil sie plötzlich nur noch Ladendiebstähle verfolgt“, so foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker.
Lebensmittelüberwachung ist in Deutschland Sache der Länder, für die Kontrollen vor Ort sind rund 400 Lebensmittelbehörden in den Kommunen zuständig. Wie oft die Behörden so genannte Plankontrollen in den Lebensmittelbetrieben durchführen müssen, regelt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift Rahmen-Überwachung (AVV RÜb). Abhängig von der Risikoeinstufung eines Betriebes ist festgelegt, wie viele Pflichtkontrollen eine Behörde dort durchführen muss. Die Vorschrift wird von Bundesregierung und Bundesrat verabschiedet. Der Bundestag ist in die Entscheidung nicht eingebunden.