Was die neuen Werberegeln von Julia Klöckner (nicht) bringen
Hallo!
Sie haben in den vergangenen Wochen unsere Aktion gegen das sogenannte Influencer-Marketing von ungesunden Produkten an Kinder unterzeichnet. Vielen Dank für Ihre Unterstützung! Was ist seitdem passiert? Wie Sie vielleicht aus den Medien erfahren haben, hat Bundesministerin Klöckner eine „schärfere Regulierung“ für an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung angekündigt. Ein Zufall? Nicht wirklich.
Wir haben in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass die Ernährungsindustrie mithilfe von ausgeklügelten Marketingstrategien junge Zielgruppen anspricht – und dabei fast ausschließlich für ungesunde Produkte wie zuckrige Limo und Fastfood wirbt . Ein großes Problem, angesichts der weltweiten Ausbreitung von Adipositas und Typ-2-Diabetes.
Deshalb fordern nicht nur wir, sondern auch zahlreiche medizinische Fachgesellschaften schon seit Jahren , dass sogenanntes Kindermarketing eingeschränkt wird. Nur für gesunde Produkte sollte mit Comicfiguren, Spielzeugbeigaben oder Kinder-Idolen geworben werden dürfen. Ist diese Kritik also endlich bei Bundesministerin Klöckner angekommen und hat sie mit ihrer neuen Initiative die richtigen Maßnahmen ergriffen?
Julia Klöckners neue Werbebeschränkung auf dem Prüfstand
- Die Ministerin spricht von „Regulierung“. In Wahrheit handelt es sich um freiwillige Verhaltensregeln der Werbewirtschaft.
- Es gibt keine Sanktionen und keine unabhängige Kontrolle. Die Werbewirtschaft soll sich selbst „kontrollieren“.
- Und vor allem: Das zentrale Problem beim Kindermarketing – dass für Zuckerbomben und fettige Snacks mit Comics, Spielzeugbeigaben & Co. geworben wird – bleibt unangetastet.
Kurz gesagt: Wir können sicher sein, dass die neue freiwillige Selbst-“Verpflichtung“ in der Praxis wirkungslos bleibt. Und das wäre auch keine Überraschung, angesichts der Erfahrungen aus anderen Ländern.
- In Ländern mit gesetzlichen Werbebeschränkungen ist der Junkfood-Konsum im Zeitraum 2002 bis 2016 um 8,9 Prozent zurückgegangen.
- In Ländern mit freiwilligen Werbebeschränkungen ist der Konsum im gleichen Zeitraum hingegen um 1,7 Prozent gestiegen!
Dass freiwillige Selbstverpflichtungen in diesem Bereich nicht funktionieren, ist wenig verwunderlich. Die Profitmarge von Süßkram, Limo und Snacks ist drei bis vier Mal so hoch wie die von Obst und Gemüse . Die Industrie hat daher ein großes Interesse daran, mithilfe von ausgeklügelten Werbestrategien ausgerechnet den Verzehr jener Produkte anzukurbeln, von denen die Kinder eigentlich nicht mehr, sondern weniger essen sollten.
Dennoch setzt Ministerin Julia Klöckner im Kampf gegen zu viel Zucker in unserem Essen weiterhin auf das „Prinzip Freiwilligkeit“. Aus internen Gesprächsunterlagen von Julia Klöckner und dem Chef des Kanzleramts, Helge Braun, geht nun hervor, dass diese Strategie System hat und vor allem ein Ziel: Verbindliche Maßnahmen sollen unbedingt verhindert werden.
Wir dürfen es nicht so weit kommen lassen, dass die Öffentlichkeit weiter darauf drängt, dass wir die Geschäftsgrundlage – die Freiwilligkeit – anpassen müssen.
Ich muss gestehen: Mich hat die Lektüre dieser internen Unterlagen schockiert. Da warnen die Weltgesundheitsorganisation und zahlreiche medizinische Fachgesellschaften seit Jahren eindringlich vor dem Anstieg chronischer Krankheiten und fordern wirksame Maßnahmen gegen zu viel Zucker. Doch die Bundesregierung setzt sich offenbar als höchstes Ziel, dass sie der Wirtschaft keine verbindlichen Vorgaben machen muss. Das kann nicht die Grundlage für eine sinnvolle, dem Gesundheitsschutz dienende Politik sein.
Eines kann ich Ihnen versprechen: Wir bei foodwatch werden nicht locker lassen und weiterhin gegen übergriffige Werbestrategien kämpfen.
Danke, dass Sie uns dabei tatkräftig unterstützen!
Vielen Dank und herzliche Grüße
Oliver Huizinga
P.S.: Dass Frau Klöckners Ministerium die Freiwilligkeit von Maßnahmen „Geschäftsgrundlage“ nennt, ist entlarvend. Dringend notwendige gesetzliche Regelungen scheinen so in weiter Ferne. Doch das Zitat zeigt auch, dass es dazu kommen kann, dass diese „Geschäftsgrundlage“ angepasst werden muss – nämlich, wenn die Öffentlichkeit darauf drängt. Diese Öffentlichkeit, das sind wir, das sind Sie: Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass die kritischen Stimmen so laut werden, dass Julia Klöckner gar nicht mehr anders kann als zu handeln! Mit unserer Pressearbeit, mit Protestaktionen, mit Verbündeten wie Ärzteverbänden können wir gemeinsam Veränderungen herbeiführen – daran glaube ich fest. Bitte helfen Sie uns dabei, am besten als Fördermitglied mit einem kleinen monatlichen Beitrag!