Drei Siegel, die auf den Ursprung eines Produkts oder seine Verbundenheit mit einer Region hinweisen, vergibt die EU-Kommission. Das Problem: Die drei Siegel sehen sich zum Verwechseln ähnlich, haben aber einen ganz unterschiedlichen Informationsgehalt. Wir Konsument*innen stehen verwirrt vor dem Supermarktregal: Was sagen die Bezeichnungen „Steirisches Kürbiskernöl“, „Vorarlberger Bergkäse“ und „Pizza Napoletana“ über die Herkunft aus? Nur eines dieser Produkte muss tatsächlich aus der angegebenen Region kommen. foodwatch findet: Klare Herkunftsangaben schauen anders aus.
Bergkäse aus Vorarlberg?
Du hast dich auch schon mal gefragt: Kommt der „Vorarlberger Bergkäse“ wirklich aus Vorarlberg? Die „Pizza Napoletana“ aus Neapel? Die „Nürnberger Lebkuchen“ aus Nürnberg? Und was hat es mit den vielen Heumilch-Produkten auf sich? Alle diese Lebensmittel haben eines gemeinsam: Sie tragen eines der drei „Qualitätssiegel“ der Europäischen Union. Die Siegel beziehen sich auf einen Ort, eine Region oder eine Machart.
Der eigentliche Zweck der Siegel: Sie sollen regionale Spezialitäten auf dem Weltmarkt schützen. Wir Konsument*innen werden damit aber oft in die Irre geführt. Die drei Siegel machen ganz unterschiedliche Aussagen. Von unseren Beispielprodukten stammt nur eines wirklich ganz aus der angegebenen Region: der „Vorarlberger Bergkäse“. Er trägt das Siegel „geschützte Ursprungsbezeichnung“.
Achtung, Verwechslungsgefahr!
Die drei EU-Qualitätssiegel sehen sich zum Verwechseln ähnlich: Alle tragen einen gelben Kreis und EU-Sterne als Basis. Sehr unterschiedlich sind sie aber in ihrem Hinweis darauf, wo die Rohstoffe herkommen. Der Name des Produkts kann da verwirren. Wie sieht es zum Beispiel mit „Steirischen Käferbohnen“ aus?
Nur ein Siegel bezeichnet die Herkunft verlässlich
Die „Steirischen Käferbohnen" tragen wie der „Vorarlberger Bergkäse“ eine „geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.)“. Dieses Siegel ist als einziges eine klare Herkunftskennzeichnung.
Der „Tiroler Speck“ hingegen trägt das Siegel „geschützte geografische Angabe (g.g.A)“. Er darf als solcher verkauft werden, ohne dass Tiroler Schweine verarbeitet wurden. Das Fleisch kann, muss aber nicht aus Tirol kommen. Es darf sogar aus einem anderen Land stammen. Hergestellt muss der Speck allerdings in Tirol werden. Das dritte Siegel, die „garantiert traditionelle Spezialität (g.t.S.)“, gibt lediglich an, dass das Produkt „auf traditionelle Weise“ hergestellt wurde.
Was das EU-Recht dazu sagt
Lebensmittel aller Art können die „Qualitätszeichen“ der Europäischen Union tragen. Die Hersteller müssen die Zeichen in einem Zulassungsverfahren beantragen, sie werden auf Basis einer EU- Verordnung vergeben.
Aber Achtung: Für alle drei EU-Siegel gilt: Sie sind keine Qualitätssiegel im Sinne von Umwelt-, Tier- oder Gesundheitsschutz. Hier gehen sie nicht über die gesetzlichen Standards hinaus.
Qualitätssiegel pushen das Marketing
Die drei Qualitätssiegel sind in erster Linie eines: ein Wirtschaftsfaktor. Das belegt eine EU-Studie aus dem Jahr 2019. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Verkaufswert eines Produkts mit geschütztem Namen im Durchschnitt doppelt so hoch ist wie bei ähnlichen Produkten, die kein EU-Siegel tragen. Die EU-Kommission meint zur Veröffentlichung der Studie in einer Presseaussendung :
„Der Studie zufolge gibt es einen eindeutigen wirtschaftlichen Nutzen für die Produzenten in Bezug auf Marketing und Umsatzsteigerung dank der hohen Qualität und des guten Rufs dieser Produkte sowie der Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für ein authentisches Produkt.“
Die „geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.)“
Dieses Siegel ist ein echtes Herkunftszeichen. Es besagt, dass ein Produkt komplett aus einem bestimmten geografischen Gebiet kommt. Das bedeutet:
- Die Rohstoffe stammen aus diesem Gebiet.
- Alle Erzeugungsschritte müssen in dieser Region erfolgen.
- Das Produkt muss in diesem Gebiet oder dieser Region fertiggestellt werden.
Beispiele aus Österreich: Vorarlberger Bergkäse, Tiroler Graukäse, Waldviertler Graumohn oder Steirische Käferbohnen.
Die „geschützte geografische Angabe (g.g.A.)“
Das EU-Qualitätssiegel „geschützte geografische Angabe (g.g.A.)“ wird für Produkte vergeben, die „typisch“ für ein geografisches Gebiet sind. Es muss jedoch nur ein einziger Schritt der Produktion in dem genannten Gebiet erfolgen – die Rohstoffe können ganz woanders herkommen.
Die bekanntesten Beispiele aus Österreich sind wohl „Tiroler Speck “ und „Steirisches Kürbiskernöl“. Der „Tiroler Speck“ darf als solcher verkauft werden, ohne dass Tiroler Schweine verarbeitet wurden. Das Fleisch darf sogar aus einem anderen Land stammen.
Das „Steirische Kürbiskernöl“ muss in der Steiermark oder im Burgenland hergestellt sein – die Kürbiskerne dafür stammen aus definierten österreichischen Regionen, die nicht ausschließlich in der Steiermark sind.
Weitere Beispiele aus Österreich, die dieses Siegel tragen, sind Marchfeldspargel, Steirischer Kren und Gailtaler Speck.
Auch in anderen Ländern vertrauen Konsument*innen Produkten mit regionalem Bezug. Solche Lebensmittel sind: Nürnberger Lebkuchen, Lübecker Marzipan, Schwarzwälder Schinken, Bayerisches Bier, Aceto Balsamico di Modena, Mortadella Bologna.
Die „garantiert traditionelle Spezialität (g.t.S.)“
Achtung: Dieses Siegel ist kein Herkunftssiegel! Es bezieht sich lediglich auf den „traditionellen Charakter“ eines Lebensmittels. Das bedeutet, das Produkt wird auf „traditionelle” Weise hergestellt, verarbeitet oder besteht aus „traditionellen” Zutaten. Unter „traditionell” versteht man einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren. Weder die Zutaten noch das Produkt müssen jemals den namensgebenden Ort gesehen haben. Das Lebensmittel kann an jedem beliebigen Ort hergestellt werden.
In österreichischen Supermärkten findet man in letzter Zeit immer mehr Produkte mit Heumilch. Auch diese Produkte – vom Joghurt bis zur Schokolade – dürfen das Siegel für „garantiert traditionelle Spezialität“ tragen.
Weitere Beispiele sind: Pizza Napoletana, Boerenkaas, Holländischer Matjes, Kabanosy, Jamón Serrano.
Fazit:
- Nur eines der drei EU-Qualitätssiegel – nämlich die „geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) – taugt verlässlich als Herkunftsangabe. Die anderen beiden können uns Konsument*innen allzu leicht in die Irre führen. Die Siegel sind optisch nämlich schwer unterscheidbar.
foodwatch fordert:
- Die drei Siegel müssen optisch eindeutig zu unterscheiden sein. Hersteller müssen die Bedeutung des jeweiligen Siegels auf der Verpackung genau erklären.
- Wenn der Produktname auf eine bestimmte Herkunft schließen lässt, muss das tatsächliche Herkunftsland aller Zutaten angegeben werden. Etwa „Tiroler Speck mit Schweinefleisch aus den Niederlanden“.
- Die Einhaltung der Vergabekriterien muss staatlich regelmäßig kontrolliert werden. Die Kontrollergebnisse müssen transparent veröffentlicht werden. Das beinhaltet sowohl die Angabe des Produkts als auch die des Herstellers.