Europaparlament stimmt gegen die Nährwert-Ampel
Das Europäische Parlament hat die Ampelkennzeichnung heute mehrheitlich abgelehnt. Stattdessen soll es verpflichtend eine GDA-Kennzeichnung auf der Produktvorderseite geben – das von der Industrie bevorzugte Modell, das auf verwirrende Zahlen- und Prozentangaben setzt.
Es war knapper als von vielen gedacht, aber es hat nicht gereicht. Alle Anträge europäischer Abgeordneter, die auf eine Einführung der verbraucherfreundlichen Ampelkennzeichnung zielten, wurden im Plenum des Europäischen Parlaments mehrheitlich abgelehnt:
- Ein Antrag für eine verpflichtende Kennzeichnung mit den Ampelfarben, der von der sozialdemokratischen Fraktion des EU-Parlamentes (S&D-Fraktion), den europäischen Grünen (Verts/ALE-Fraktion) und der europäischen Linken (GUE/NGL-Fraktion) eingebracht worden war, wurde mit 398 Nein-Stimmen zu 243 Ja-Stimmen von den Parlamentariern abgelehnt (Antrag 314).
- Auch ein Antrag der europäischen Grünen (Verts/ALE-Fraktion), der den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten die Möglichkeit einräumen sollte, die Ampel national verpflichtend einzuführen (Antrag 272), wurde abgelehnt (Antrag 272).
- Ein Antrag der europäischen Konservativen (PPE/EVP-Fraktion), der auf nationaler Ebene unter bestimmten Bedingungen zusätzliche freiwillige Kennzeichnungen (auch mit den Ampelfarben) ermöglichen sollte, wurde dagegen angenommen (Antrag 298).
Nach der Abstimmung des Europaparlaments muss sich noch der Rat der 27 zuständigen Fachminister mit der Verordnung befassen. Erst bei einer Einigung zwischen Parlament und Ministerrat wird eine verbindliche Nährwertkennzeichnung festgelegt.
Entscheidung unter großem Lobbydruck der Industrie
foodwatch wertete das Votum gegen die Ampel als enttäuschend. Statt Bürgernähe herrscht in Europa die Lobbymacht der Industrie: Obwohl zahlreiche nationale und europäische Spitzenverbände von Ärzten und Kinderärzten, verschiedenste Patientenorganisationen, Krankenversicherungen bis hin zu Verbraucherverbänden sich vehement für die Ampelkennzeichnung eingesetzt haben, obwohl die Vorzüge der Ampelkennzeichnung gegenüber allen anderen Systemen vielfach durch wissenschaftliche Studien belegt wurden und die meisten Verbraucher die Ampel wollen, haben sich die Parlamentarier gegen die Ampel entschieden.
Ganz offensichtlich hat die Mehrheit der Parlamentarier dem massiven Lobbydruck von Coca-Cola, Nestlé & Co nicht standgehalten. Es bleibt das Geheimnis der Politik, wie sie das gesellschaftliche Problem Übergewicht in den Griff bekommen möchte, wenn sie nicht einmal den Mumm hat, eine transparente und verständliche Angabe des Zucker- und Fettgehalts gegen den Willen der Lebensmittelindustrie durchzusetzen.
Freiwillige Option nur ein Feigenblatt
Dass die Industrie zusätzliche grafische Darstellungen wie die Ampel freiwillig einsetzen darf, ist kein Fortschritt – das war auch bisher schon möglich. Den Verbrauchern bringt eine freiwillige Ampelkennzeichnung nichts. Wer heute schon ohne Scham Kalorienbomben als Fitnessprodukte verkauft, wird diesen Schwindel sicher nicht mit einer leuchtend roten Kennzeichnung selbst entlarven. Die freiwillige Ampel ist das Feigenblatt, mit dem die EU-Abgeordneten kaschieren, dass ihnen für eine verpflichtende Ampel der Mut fehlte.