Lebensmittelsicherheit in Berlin: Bezirke schaffen nicht einmal die Hälfte der vorgegebenen Betriebskontrollen
foodwatch: Transparenzsystem für Kontrollergebnisse muss kommen
Jede zweite vorgeschriebene Lebensmittelkontrolle in Berlin fällt aus – weil die Bezirksämter viel zu wenig Personal für den Verbraucherschutz haben. Keiner der zwölf Bezirke schafft es auch nur annähernd, die in einer bundesweiten Verwaltungsvorschrift verankerten Vorgaben für die Kontrollzahlen einzuhalten. Sieben der zwölf Bezirke erfüllten im Jahr 2018 sogar weniger als die Hälfte ihres Solls, Spandau nur gut ein Viertel. Das sind die Ergebnisse einer umfassenden Datenrecherche von foodwatch.
Die Verbraucherorganisation hat am Mittwoch in ihrem Report „Kontrolle ist besser“ Daten zur personellen Ausstattung sowie den Soll- und Ist-Zahlen für vorgeschriebene Betriebskontrollen aus den fast 400 Lebensmittelkontrollbehörden in Deutschland veröffentlicht. Bundesweit kann demnach etwa jede dritte vorgeschriebene Betriebskontrolle nicht durchgeführt werden. Kein Bundesland steht gut da, in Berlin und Bremen ist der Personalmangel am größten.
foodwatch bezeichnete die Situation in der Hauptstadt als katastrophal. Die Verantwortung für die eklatante Unterbesetzung bei der Lebensmittelkontrolle trügen die Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeister. „Gegen so viel politisches Versagen können die besten Kontrolleure nicht ankontrollieren“, erklärte foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. Mit mehr Personal allein ließen sich die Probleme in Berlin jedoch nicht lösen: Die Verbraucherorganisation forderte Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt auf, das von ihm angekündigte Transparenzsystem schnell einzuführen. „Alle Ergebnisse der amtlichen Kontrollen müssen öffentlich werden. Das schafft die dringend erforderliche Transparenz über die Situation in den Betrieben wie auch in den Behörden – und es sorgt mittelfristig für eine echte Entlastung der Kontrollämter.“
Erfahrungen aus anderen Ländern wie Dänemark belegen, dass Transparenz über die Kontrollergebnisse zu niedrigeren Beanstandungsquoten führt – und damit in einem risikobasierten Kontrollsystem auch die Zahl der erforderlichen Kontrollbesuche reduziert. In Dänemark werden in Verbindung mit schnell erfassbaren „Smiley“-Symbolen alle amtlichen Kontrollergebnisse im Internet veröffentlicht – und bei Betrieben mit Kundenkontakt wie Restaurants zudem direkt an der Eingangstür ausgehängt. Weil Betriebe wissen, dass Beanstandungen bei der Hygiene öffentlich werden, haben sie einen Anreiz, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten – in Dänemark konnten so die Beanstandungsquoten halbiert werden, was die Kontrollbehörden deutlich entlastet hat. Auch in Wales oder Norwegen haben vergleichbare Transparenz-Systeme zu weniger Beanstandungen in den Betrieben geführt.
foodwatch kritisierte es als fahrlässig, wie wenig Priorität die Berliner Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeister auf Verbraucherschutz legten und mit ihrer Mangelverwaltung dem Kontrollpersonal, den Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie den Qualitätsbetrieben in den Rücken fielen. Lebensmittelsicherheit dürfe nicht von politischen Haushaltsentscheidungen abhängen, so die Organisation. foodwatch forderte daher, dass in Berlin künftig anstelle der zwölf Bezirke nur noch eine politisch weitestgehend unabhängige Landesanstalt für die Lebensmittelkontrollen zuständig ist. Deren finanzielle und personelle Ausstattung müsse per gesetzlicher Festlegung allein an den Zielen des Verbraucherschutzes ausgerichtet werden. Zudem darf die Behörde keinen politischen Weisungen – etwa bei der Entscheidung über eine mögliche Betriebsschließung – unterliegen, sondern nur einer Rechtsaufsicht durch die Senatsverwaltung.