Nachricht 22.05.2012

Actimel deaktiviert sich selbst

Jahrelang tischte Danone Verbraucher das Märchen vom „L. casei defensis“ auf, dem Joghurtkeim, der die Abwehrkräfte auf ganz besondere Art und besonders effektiv „activiere“. Doch weder konnte und kann Actimel vor Erkältungen schützen, noch ist die mehr oder weniger effektive „Aktivierung“ des Immunsystems durch Joghurt etwas besonders – Naturjoghurt kann das auch. Inzwischen ist der „Defensis“ offiziell nur noch für den „typischen und leckeren ‚Actimel-Geschmack‘“ verantwortlich. Und statt „activierter Abwehrkräfte“ preist die Werbung einen „starken Start in den Tag“ an.

Danones werbestrategischer Umschwung kommt natürlich nicht freiwillig. Ein Preis für die dreisteste Werbelüge des Jahres 2009, tausende von Verbraucherbeschwerden, Imagewerte im Minunsbereich und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit haben dafür gesorgt, dass von den einst dick aufgetragenen Gesundheitsversprechen nur ein klägliches Häuflein übrig bliebt.

2009 gewann Danone den Goldenen Windbeutel (den Preis für die dreisteste Werbelüge) dafür, dass der Konzern fälschlicherweise suggerierte, Actimel schütze vor Erkältungen. Tausende Verbraucher beschwerten sich, das Image litt gewaltig. So sehr, dass es laut dem Marktforschungsinstitut YouGov inzwischen im Minus-Bereich angekommen ist. Das heißt, mehr Verbraucher bewerten die Marke negativ als positiv, auch das Image von Danone ingesamt hat gelitten. Das zeigt: Verbrauchertäuschung lohnt sich nicht, Vertrauen gewinnt man nur mit Ehrlichkeit.

 

Ein weiterer Grund dafür, dass Danone sich von seinen „Defensis“-Gesundheitsversprechen vorerst verabschiedet hat, ist die so genannte „Health Claims Verordnung“. Sie schreibt vor, dass gesundheitsbezogene Werbeaussagen (so genannte „Health Claims“) künftig nur noch verwendet werden dürfen, wenn sie wissenschaftlich belegt und von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) genehmigt worden sind. Für die angeblich so wirksamen „Defensis“-Joghurtbakterien in Actimel gibt es keine zugelassenen Gesundheitsaussagen. Ein Claim, der von Danone eingereicht wurde – es ging dabei nicht um den Schutz vor Erkältungen, sondern um die Wirkung von Actimel auf Durchfallerkrankungen – ist aufgrund unzureichender Belege abgelehnt worden. Andere Anträge für Actimel und Activia wurden von Danone wieder zurückgezogen, wahrscheinlich aus Angst, ebenfalls eine Ablehnung zu kassieren. So wie 80 Prozent aller von der Lebensmittelindustrie eingereichten Gesundheits-Werbeversprechen.

 

Ende gut, alles gut für die Verbraucher? Keine überzogenen Gesundheitsversprechen mehr in Zukunft? Leider nein – die Health Claims Verordnung sorgt weder dafür, dass Verbraucher künftig nicht mehr getäuscht werden, noch führt sie zu besseren oder gar gesünderen Produkten. Denn zugelassen worden sind eine ganze Reihe von Werbeaussagen zu Vitaminen und Mineralstoffen, zum Beispiel „Vitamin C trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei“. Das stimmt für sich genommen zwar. Aber das Erlauben solcher Claims wird nur dazu führen, dass in Zukunft noch mehr überflüssig angereicherte Fertiglebensmittel oder zuckrige Frühstücksflocken mit unsinnigen Vitaminzusätzen die Supermärkte überschwemmen werden. Ein Produkt ist jedoch noch nicht automatisch gesünder, nur weil ein paar künstliche Vitamine zugesetzt sind. Nicht, nur, dass es den meisten Verbrauchern gar nicht an Vitaminen mangelt. Man sollte sie auch schlicht über Obst, Gemüse und eine vollwertige Ernährung aufnehmen und nicht in Form zugesetzter Vitamincocktails in verarbeiteten Industrieprodukten zu sich nehmen.

 

foodwatch spricht sich darum dafür aus, gesundheitsbezogene Werbeaussagen auf Lebensmitteln gar nicht mehr zu erlauben. Denn weiterhin sind „Health Claims“ vor allem Marketinginstrumente für die Lebensmittelindustrie, mit denen sie Verbrauchern das Geld aus der Tasche zieht. Actimel ist das beste Beispiel dafür. Denn auch wenn es keinen erlaubten Claim für die probiotischen Bakterien gibt – für Vitamin C und D gibt es sie schon. Diese Vitamine tragen laut EFSA zur „normalen Funktion des Immunsystems“ bei. Und genau das schreibt Danone inzwischen – zumindest im Kleingedruckten – auf die Actimel-Verpackungen. Natürlich schützt Actimel damit noch immer nicht vor Erkältungen, natürlich sorgt ein Lebensmittel alleine nicht für ein gut funktionierendes Immunsystem und natürlich braucht immer noch kein Mensch einen teuren, zuckrigen Joghurtdrink um gesund zu sein. Vitamin C nehmen die meisten Verbraucher ohnehin ausreichend auf, daran besteht also kein Mangel. Und im Fall von Vitamin D, mit dem ein Teil der Bevölkerung tatsächlich unterversorgt ist , befürworten Ärzte oder zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Ernährung nicht die wahllose Anreicherung von Produkten wie Actimel, sondern wenn, dann gezielte Maßnahmen. Zumal eine übermäßige Aufnahme von Vitaminen schädlich sein kann.

 

Statt Actimel vollends zum ehrlichen Joghurt zu machen und sich und vor allem den Verbrauchern alle Gesundheitsversprechen ersparen, hat Danone also den Ausweg über Vitaminanreicherung gesucht, auch wenn die Gesundheitsversprechen momentan nicht so prominent wie zuvor in der Werbung auftauchen. Doch egal, welche Tricks und Werbeslogans Actimel sich jetzt oder zukünftig einfallen lässt – mehr als ein unsinnig angereicherter, teurer Zuckerjoghurt steckt nicht dahinter.