Britische Hersteller-Abgabe auf Zuckergetränke wirkt
Bye bye, Zuckerbomben: Ab April gilt in Großbritannien eine Herstellerabgabe auf besonders zuckerhaltige Getränke. Bereits jetzt hat ein Großteil der Hersteller – darunter Coca-Cola, Lidl und Nestlé – auf dem britischen Markt den Zuckergehalt seiner Getränke drastisch gesenkt. Einen Haken hat die britische Regelung trotzdem.
Ab 6. April müssen Getränkehersteller in Großbritannien eine Abgabe bezahlen, wenn ihre Limonaden besonders viel Zucker enthalten. Bereits jetzt zeigt die Abgabe Wirkung: Die führenden Getränkeunternehmen Coca-Cola, Britvic, Lucozade Ribena Suntory, die Handelskonzerne Tesco und Lidl, der Nahrungsmittelkonzern Nestlé sowie mehrere kleinere Getränkehersteller haben seit Ankündigung der Herstellerabgabe vor zwei Jahren den Zuckergehalt etlicher Produkte deutlich gesenkt.
Bundesregierung muss aktiv werden
foodwatch forderte Ernährungsministerin Julia Klöckner und Finanzminister Olaf Scholz auf, in Deutschland ebenfalls eine Herstellerabgabe auf übersüßte Getränke einzuführen und im Gegenzug Obst und Gemüse von der Mehrwertsteuer zu befreien. Stark zuckerhaltige Getränke fördern nachweislich die Entstehung von Übergewicht und Typ-2-Diabetes, während der Konsum von Obst und Gemüse Krankheiten vorbeugen kann. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht sich deshalb für Abgaben auf Zuckergetränke und Subventionen für Obst und Gemüse aus.
Ernährungsministerin Julia Klöckner hält eine Zucker-Abgabe jedoch „für den falschen Weg“. Bisherige Versuche der Besteuerung hätten „wenig Erfolg“ gezeigt, erklärte sie gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
„Großbritannien reiht sich neben Irland, Portugal, Estland, Belgien, Norwegen, Mexiko, Südafrika und Frankreich in die immer länger werdende Liste von Ländern ein, die mit steuerlichen Anreizen aktiv gegen Fehlernährung, Fettleibigkeit und Diabetes vorgehen. Nur Deutschland will sich anscheinend nicht mit der Getränkeindustrie anlegen und schaut lieber tatenlos zu, wie die Hersteller kiloweise Zucker in ihre Produkte kippen.“
Zuckergehalt bei Fanta, Sprite, Orangina & Co. gesenkt
Die im März 2016 in Großbritannien angekündigte Regelung sieht Abgaben für die Hersteller von Getränken vor, die mehr als 5 Gramm Zucker je 100 Milliliter enthalten, bei mehr als 8 Gramm wird eine höhere Abgabe fällig. Der britische Marktführer Coca-Cola hat den Zuckergehalt seiner Getränke Fanta und Sprite seitdem unter die 5-Gramm-Marke gesenkt (Fanta von 6,9 auf 4,6 Gramm und Sprite von 6,6 Gramm auf 3,3 Gramm). In Deutschland enthalten Fanta und Sprite aktuell mehr als 9 Gramm Zucker. Britvic, der Branchenzweite in Großbritannien, hat den Zuckergehalt vieler Produkte ebenfalls reduziert, so dass 94 Prozent seiner Markenprodukte nun weniger als 5 Gramm Zucker je 100 Milliliter enthalten.
Auch der Hersteller Lucozade Ribena Suntory hat den Zuckergehalt in sämtlichen Produkten unter die 5-Gramm-Marke gesenkt, darunter auch das in Deutschland bekannte Getränk Orangina. Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé hat angekündigt, dass drei seiner San Pellegrino-Limonaden ab April 2018 ebenfalls weniger als 5 Gramm Zucker je 100 Milliliter enthalten werden. In Deutschland enthalten die gleichen San Pellegrino-Produkte zwischen 9,7 und 11,8 Gramm Zucker. Nicht nur die Markenhersteller, auch zwei große Handelsunternehmen wurden aktiv: Sowohl Tesco als auch Lidl gaben an, dass nach Rezepturänderungen sämtliche Eigenmarken nicht von der Abgabe erfasst werden.
Süßstoffe kein guter Ersatz
foodwatch kritisierte, dass viele britische Hersteller den Zucker in ihren Getränken durch Süßstoffe ersetzt haben. Rezepturänderungen sollten darauf abzielen, nicht nur den Gehalt von Zucker, sondern den Süßgeschmack insgesamt zu verringern, um der allgemeinen Süßgewöhnung bei Kindern und Jugendlichen entgegen zu wirken. Daher sollte die Herstellerabgabe in Deutschland – genauso wie in Frankreich – auch süßstoffgesüßte Getränke mit einbeziehen.
Hersteller senken Zuckergehalt konsequenter als erwartet
Laut dem staatlichen Office for Budget Responsibility (OBR), das den britischen Staatshaushalt überwacht, haben die Hersteller den Zuckergehalt ihrer Getränke schneller und konsequenter gesenkt als erwartet. So erwartet das OBR in seinem aktuellen Report nur noch die Hälfte der ursprünglich berechneten Steuereinnahmen aus der Herstellerabgabe. Während die britische Regierung 2016 noch von 520 Millionen Pfund Steuereinnahmen für 2018-2019 ausging, rechnet das OBR nun mit weniger als 240 Millionen Pfund Einnahmen. Die britische Regierung hat angekündigt, die Steuereinnahmen zweckgebunden für die Förderung des Schulsports und des Schulessens verwenden zu wollen.
Zuckergetränke fördern Fettleibigkeit und Diabetes
Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) bei Kindern sowie Erwachsenen haben in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch zugenommen. Adipositas wird inzwischen als das am schnellsten wachsende Gesundheitsproblem eingestuft. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sprechen in diesem Zusammenhang von einer globalen „Adipositas-Epidemie“. Gesundheitsexperten schreiben zuckerhaltigen Getränken eine besondere Rolle in dieser Entwicklung zu. Der Konsum dieser Getränke fördert nachweislich die Entstehung von Übergewicht sowie Typ-2-Diabetes und wird zudem mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte in Verbindung gebracht.
Links
- foodwatch-Recherche zur Zuckerreduktion auf dem britischen Getränkemarkt
- Aktueller Report des Office for Budget Responsibility
- WHO-Empfehlungen zu Lebensmittelsteuern auf Zuckergetränke und Subventionen für Obst und Gemüse
- Informationen des britischen Finanz- und Wirtschaftsministeriums zur Herstellerabgabe auf Zuckergetränke (Übersetzung durch foodwatch)