Tierschutz- und Verbraucherorganisationen kritisieren Reform des Tierschutzgesetzes
Gesundheitsdaten von Nutztieren müssen veröffentlicht werden!
Zahlreiche Tierschutz- und Verbraucherorganisationen haben die geplante Reform des Tierschutzgesetzes als unzureichend kritisiert. Millionen von Nutztieren litten unter Krankheiten, Verletzungen und Schmerzen – und zwar in sämtlichen Haltungsstufen von bio bis konventionell. Dieses Problem werde in dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf jedoch nicht adressiert, kritisierten foodwatch, Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft und zahlreiche weitere Organisationen und Einzelpersonen wie etwa die Berliner Landestierschutzbeauftragte oder der Leiter des Veterinäramtes in Bayreuth. In einem offenen Brief forderten die Unterzeichner:innen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf, das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zu erfüllen und „eine klare gesetzliche Grundlage für eine tiergesundheitsbezogene Datenbank zu schaffen“. Vorhandende Daten, etwa aus Schlachthöfen, über den Gesundheitszustand von Nutztieren müssten systematisch erfasst und ausgewertet werden. Diese Informationen müssten genutzt werden, um konkrete Zielvorgaben für mehr Tierschutz in jedem einzelnen Betrieb zu erreichen.
„Das Tierschutzgesetz in seiner jetzigen Form ignoriert die wissenschaftlichen Daten, die klar zeigen: Kühe, Schweine oder Hühner leiden auf kleinen Bio-Höfen teilweise genauso unter Krankheiten wie in großen Mega-Ställen“, sagte Annemarie Botzki von foodwatch. „Die Bundesregierung darf die Chance nicht verstreichen lassen, mit dem neuen Tierschutzgesetz endlich die Grundlage für die Nutzung wichtiger Tiergesundheits-Daten zu schaffen: Krankheiten und Verletzungen von Nutztieren müssen auf jedem Hof erfasst werden. Betriebe mit guten Gesundheitsdaten müssen belohnt, solche die schlecht abschneiden, entsprechend sanktioniert werden.“
Kai Braunmiller, Tierarzt und Leiter des Veterinäramtes der Stadt Bayreuth erklärte: „Die Tiergesundheit ist in Deutschland in einem alarmierenden Zustand. Was fehlt, ist ein effektives Monitoring-System. Nur durch die Etablierung einer zentralen Tiergesundheitsdatenbank, in die alle relevanten Informationen einfließen, können wir auffällige Betriebe frühzeitig erkennen und rechtzeitig gegensteuern – zum Vorteil aller Beteiligten. Es ist allerhöchste Zeit, dass wir handeln, um das Wohlergehen unserer Tiere zu sichern und die Lebensmittelsicherheit zu erhöhen. Aus der Erfahrung heraus wissen wir: gesunde Tiere = gesunde Lebensmittel.“
Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag eigentlich versprochen, eine „Tiergesundheitsstrategie“ zu erarbeiten. Genaue Pläne wurden bisher jedoch nicht öffentlich. Auch in dem nun von Agrarminister Cem Özdemir vorgelegten Entwurf für ein neues Tierschutzgesetz ist das kein Thema, wie die Unterzeichner:innen des offenen Briefes kritisierten.
Mit einer systematischen Auswertung wissenschaftlicher Studien zur Nutztierhaltung hatte foodwatch vergangenes Jahr gezeigt, dass es in allen Haltungsstufen zum Teil gravierende Probleme bei der Tiergesundheit gibt. So zeigten Schlachthofbefunde beispielsweise, dass knapp 40 Prozent aller Schweine in konventioneller Haltung krankhafte Befunde wie Lungenentzündungen, offene Wunden oder Abszesse haben – in der Bio-Haltung sind es mit 35 Prozent laut einer Studie kaum weniger. Bis zu 39 Prozent aller Milchkühe leiden an schmerzhaften Erkrankungen der Klauen. Bei jeder zweiten Milchkuh in einem Bio-Stall wurden Euterentzündungen festgestellt. In der Legehennenhaltung weisen bis zu 97 Prozent aller Hühner Knochenbrüche auf – in Käfighaltung ebenso wie in Bio-Haltung.