Warum die Initiative Tierwohl gestoppt werden muss
Hallo und guten Tag,
die maßgeblich vom Lebensmittelhandel gestartete Initiative Tierwohl steckt in der Krise - und das ist gut so. Auch wenn es widersprüchlich klingt: Für die Tiere wäre es wohl besser, wenn die Initiative Tierwohl schnell gestoppt würde. Warum wir das glauben, wollen wir Ihnen gern erklären.
Hinter der Initiative Tierwohl steckt eine simple Idee: Die teilnehmenden Händler verpflichten sich, vier Cent mehr pro Kilogramm Geflügel- und Schweinefleisch zu bezahlen. Das Geld kommt in einen Topf, mit dem Tierhalter gefördert werden - und zwar dann, wenn sie einzelne Punkte aus einem Maßnahmenkatalog für mehr "Tierwohl" umsetzen. Der Handel feiert seine Initiative als Erfolg, gestern sprach der Präsident des ebenfalls beteiligten Bauernverbandes, Joachim Rukwied, von einem "historischen Fortschritt". Nur: Worin der Fortschritt für die Tiere liegen soll, ist nicht so richtig klar. "Tierwohl" ist eben nicht messbar. Ob es Tieren - und falls ja, wie vielen - durch die Initiative wirklich besser geht, dazu kann niemand etwas Konkretes sagen. Messbar wäre zum Beispiel, wenn weniger Hühner oder Schweine an den typischen und weit verbreiteten haltungsbedingten Krankheiten erkrankten - aber solche Vorgaben macht die Initiative eben nicht.
Dementsprechend hagelt es Kritik von vielen Seiten: Der Deutsche Tierschutzbund verabschiedete sich enttäuscht aus dem Beraterkreis, weil ihm die Anforderungen an die Tierhaltung zu lax waren. Aber auch Landwirte beklagen, dass viel zu wenig Geld im Topf sei: Viele scheitern deshalb mit ihren Bewerbungen, die anderen bekommen Beträge, mit denen sie zwar punktuell, aber eben nicht substantiell etwas verändern können. foodwatch kennt auch Fälle, in denen Landwirte Geld von der Initiative bekommen, weil sie ihren Ferkeln zum Beispiel eine gesetzlich nicht vorgeschriebene Beschäftigungsmöglichkeit bieten - die sie aber lange vor und völlig unabhängig von der Initiative Tierwohl bereits im Stall installiert hatten. Den ohnehin am finanziellen Limit arbeitenden Tierhaltern seien die zusätzlichen Einnahmen gegönnt - aber für die Tiere hat sich dadurch eben so gut wie nichts verbessert, anders, als uns die Initiative Tierwohl weismachen will.
Nun sollen Fördermitglieder in die Bresche springen: Futtermittelhersteller, Fleischverarbeiter, Stallbauer, die einen Jahresbeitrag von wenigstens 25.000 Euro in den Fonds einzahlen sollen. Wir meinen: Es wäre besser, die Initiative Tierwohl würde ganz beerdigt. Sie bringt den Tieren keine messbaren Vorteile, und wenn, dann allenfalls einigen wenigen. Sie mögen denken: Das ist doch besser als nichts. Wir glauben: Es ist kontraproduktiv. Denn damit wirklich ALLE Tiere unter deutlich besseren Bedingungen und vor allem ohne vermeidbare Krankheiten gehalten werden, müssen wir Grundlegendes verändern - das ist mit vier Cent pro Kilo Fleisch sicher nicht zu leisten.
Der Handel muss den Tierhaltern deutlich mehr bezahlen, damit diese wesentliche Verbesserungen stemmen können - und ja, wir Verbraucher müssen dies bezahlen. Erwecken nun aber Scheinlösungen wie die Initiative Tierwohl den falschen Eindruck, dass wir längst auf dem richtigen Weg sind, so hat dies vor allem einen Effekt: Es wird noch nicht einmal mehr über die Verantwortung des Handels und der anderen Akteure diskutiert - und vom Anspruch, ALLEN Tieren tiergerechte Bedingungen zu bieten, verabschieden wir uns gänzlich!
Wir treten deshalb für eine echte Tierhaltungswende statt schlechter PR-Gags ein: Möglichst tiergerechte Bedingungen müssen nach dem aktuellen Stand der Forschung zur gesetzlichen Pflicht für alle Tierhalter werden. Und zwar EU-weit, damit hiesige Bauern im Wettbewerb unter den höheren Standards nicht untergehen. Bitte unterstützen Sie unseren Einsatz für eine echte Tierhaltungswende!
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Umfrage: Mehrheit für Zucker-Abgabe
Eine Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland fordert eine Hersteller-Abgabe auf besonders zuckerreiche Getränke. Das hat eine Umfrage von infratest dimap im Auftrag von foodwatch ergeben. Demnach halten insgesamt 54 Prozent der Befragten eine Abgabe für "sehr geeignet" oder "geeignet", um eine gesunde Ernährung von Kindern zu fördern - dem gegenüber stehen 44 Prozent, die dies als "weniger" oder "gar nicht geeignet" einstufen. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) sprechen sich für Sondersteuern auf so genannte Erfrischungsgetränke aus. Mit den Einnahmen aus der Abgabe für Hersteller besonders zuckerreicher Getränke sollen Projekte für eine gesunde Kinderernährung finanziert und letztlich die hohen Fallzahlen von Übergewicht, Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes reduziert werden.
Schon wieder Mineralöl in Lindt-Pralinen
In Pralinen von Lindt hat die nordrhein-westfälische Lebensmittelbehörde erneut gesundheitsgefährdende Mineralöle nachgewiesen. Alle drei getesteten Chargen der "Fioretto Nougat Minis" waren demnach sowohl mit gesättigten Mineralölen (MOSH) als auch mit den noch bedenklicheren aromatischen Mineralölen (MOAH) verunreinigt - letztere stehen im Verdacht, Krebs auszulösen und das menschliche Erbgut zu verändern. Die amtlichen Testergebnisse bestätigen eine Laboranalyse von foodwatch: Bereits im Juli hatten wir Mineralöle in den Pralinen nachgewiesen, kurz vor Ostern auch in den beliebten Schoko-Osterhasen von Lindt. Offenbar hat das Schweizer Unternehmen das Mineralöl-Problem nicht im Griff. foodwatch forderte Lindt auf, die "Fioretto Nougat Minis" öffentlich zurückzurufen. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten auf den Verzehr der Pralinen verzichten.
Unterschriften an EU-Kommissar übergeben
Damit uns belastete Produkte wie die von Lindt künftig erspart bleiben, fordern wir gemeinsam mit den foodwatch-Büros in Frankreich und den Niederlanden gesetzliche Grenzwerte für Mineralöl - im Falle der besonders gefährlichen aromatischen Mineralöle Null-Toleranz. Mehr als 100.000 Menschen haben sich dieser Forderung bereits in unserer E-Mail-Aktion angeschlossen. Am Mittwoch haben wir diese Nachricht persönlich an EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis übergeben. Wir hoffen, in den kommenden Wochen und Monaten mehr zu wissen, was sich in der deutschen und europäischen Politik bei diesem Thema tut - und werden darüber in unserem Newsletter informieren. Bis dahin: Unterstützen Sie bitte weiter unsere E-Mail-Aktion zum Schutz vor gefährlichen Mineralölen unter:
www.mineraloel-aktion.foodwatch.de
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