foodwatch-Statement zu zu einem Jahr Kükentöten-Verbot: „Herumdoktern an Symptomen eines kranken Systems“
Am 1. Januar 2023 jährt sich das Verbot des Kükentötens: Seit einem Jahr dürfen männliche Küken in Deutschland nicht mehr direkt nach dem Schlüpfen getötet werden. Stattdessen müssen die „Bruderhähne“ entweder mit aufgezogen werden, oder die männlichen Küken werden schon im Ei erkannt und gar nicht erst ausgebrütet. Wirklich mehr Tierschutz hat das Verbot allerdings nicht gebracht, kommentiert foodwatch-Geschäftsführer Chris Methmann:
„Das Bundeslandwirtschaftsministerium feiert sich mit dem Gesetz gegen das Kükentöten als ‚weltweiten Vorreiter‘. Doch auch wenn die Schlagzeile ‚Deutschland verbietet das Kükentöten‘ toll klingen mag: Mehr Tierschutz hat das Gesetz kaum gebracht. Zum einen hat das Verbot an den unerträglichen Zuständen in deutschen Hühnerställen rein gar nichts verbessert, zum anderen weiß offenbar niemand genau, was mit den Millionen ‚Brüderhähnen‘ eigentlich passiert.
Fast 9 Millionen männliche Küken sind in den ersten neun Monaten des Jahres in Deutschland geschlüpft – und niemand weiß oder will wissen, was mit den Tieren passiert. Selbst der Zentralverband der Geflügelindustrie kann über den Verbleib der Tiere nur spekulieren. Auch die zuständigen Behörden wissen es nicht, entsprechende Kontrollen finden bisher offenbar nicht statt. foodwatch-Recherchen zeigen, dass Hühner-Betriebe mehr als 300.000 Tiere ins Ausland transportiert haben, mindestens im Fall einer Brüterei wurden die männlichen Küken nicht zur Aufzucht, sondern zur Tötung exportiert.
Hinzu kommt: Zwar dürfen männliche Küken nicht mehr direkt nach dem Schlüpfen vergast oder geschreddert werden. Die weiblichen Tiere leiden aber weiter unter qualvollen Haltungsbedingungen, Schmerzen und Krankheiten. Unglaubliche 97 Prozent aller Legehennen haben gebrochene Brustbeine, wie eine aktuelle Studie der Uni Bern zeigt. Den auf Hochleistung getrimmten Tieren brechen die Knochen, weil die vielen Eier ihnen alles Kalzium entziehen. Das Leiden der Legehennen geht unvermindert weiter – auch wenn Verbraucher:innen mit dem Versprechen ‚Ohne Kükentöten‘ auf Eierpackungen eine heile Tierhaltungswelt suggeriert wird.
Das Verbot des Kükentötens doktert nur an Symptomen eines kaputten Tierhaltungssystems herum, das möglichst billig möglichst viele Eier produzieren will. Die Aufzucht der Bruderhähne oder die Geschlechtsbestimmung im Ei lenkt von den eklatanten Tierschutzverstößen in der Legehennen-Hochleistungszucht ab. An dem Grundproblem, dass Hühner in der modernen Agrarindustrie entweder für eine extreme Legeleistung oder eine extreme Mastleistung gezüchtet werden, ändert sich nichts. Die einzige zukunftsfähige Lösung für die Hühnerhaltung sind sogenannte ‚Zweinutzungshühner‘, die sowohl Eier legen als auch genug Fleisch für die Mast ansetzen. Die tierquälerische Hochleistungszucht muss gesetzlich verboten und durch robustere und gesündere Hühnerrassen ersetzt werden! Das bedeutet, wir brauchen einen wirklichen Systemumbau: Wir müssen weniger Hühner halten, mit robusteren Rassen und in besseren Haltungsbedingungen, die die Tiere nicht krank und kaputt machen.“
Quellen und weiterführende Informationen:
- 97 Prozent der Legehennen haben gebrochene Brustbeine; Studie der Uni Bern
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Warum die Aufzucht von „Bruderhähnen“ nicht die Lösung ist
- BMEL zum Kükentöten-Verbot