Immer mehr Lebensmittelhersteller wollen Nutri-Score-Ampel einführen – Lebensmittelverband stellt sich quer
Harry Brot, Bonduelle, Agrarfrost, Rübezahl: Immer mehr Lebensmittelhersteller in Deutschland wollen ihre Produkte mit der Nutri-Score-Ampel kennzeichnen. Das bestätigten die Unternehmen gegenüber der Verbraucherorganisation foodwatch. Bisher hatten unter anderem Aldi, Nestlé, Danone, Lidl und Iglo erklärt, die Farbkennzeichnung einzuführen. Der Lebensmittelverband versuche dagegen mit allen Mitteln, die Einführung des Nutri-Scores zu verzögern und ihn zu verwässern, kritisierte foodwatch. Der Verband hatte kürzlich einen 10-Punkte-Plan veröffentlicht und darin auch Änderungen bei der Berechnung des Nutri-Scores gefordert.
„Der Nutri-Score ist auf dem Vormarsch: Immer mehr Hersteller unterstützen die verbraucherfreundliche Ampelkennzeichnung“, sagte Luise Molling von foodwatch. „Nur der ewiggestrige Lebensmittelverband will noch immer mit aller Macht verhindern, dass Verbraucherinnen und Verbraucher unausgewogene Lebensmittel auf einen Blick erkennen können. Der Lobbyverband stellt sich schützend vor die Junkfood-Industrie und handelt gegen die Interessen zahlreicher Mitgliedsunternehmen, die den Nutri-Score befürworten.“
Deutschlands größte Bäckerei Harry Brot hat angekündigt, die Nutri-Score-Ampel ab dem ersten Quartal 2020 auf seine Produkte zu drucken. Auch die Firma Bonduelle will den Nutri-Score eigenen Angaben zufolge ab kommendem Jahr „sukzessive in den Markt bringen“. Der Geschäftsführer von Bonduelle Deutschland, Fabrice Renaudeau, bezeichnete den Nutri-Score als „sinnvolle Orientierungshilfe“, „die es dem Konsumenten erleichtert, die Nährwertqualität des jeweiligen Lebensmittels zuverlässig einzuschätzen.“ Die Rübezahl Schokoladen GmbH ist der erste Schokoladenhersteller, der die Ampel in Deutschland verwenden will. Auch der Kartoffel-Tiefkühlhersteller Agrarfrost will seine Produkte „schnellstmöglich“ mit dem Nutri-Score kennzeichnen.
In einem kürzlich veröffentlichten 10-Punkte-Plan fordert der Lebensmittelverband dagegen eine Reihe von Maßnahmen, die die Einführung des Nutri-Scores verzögern würden, kritisierte foodwatch. Auch Änderungen der Berechnungsgrundlage, die etwa zu einer besseren Bewertung von Fleischwaren führen würden, seien Teil des Forderungskatalogs.
„Der Nutri-Score ist ein wissenschaftlich unabhängiges Modell und kein Marketinginstrument deutscher Wurstfabrikanten! Anpassungen sollten allein auf wissenschaftlicher Grundlage und nicht aufgrund eines Wunschkonzerts des Lebensmittel-Lobbyverbands vorgenommen werden“, sagte Luise Molling von foodwatch.
Ernährungsministerin Julia Klöckner hatte im September ihren Widerstand gegen die Nutri-Score-Ampel aufgegeben. Grundlage ihrer Entscheidung war das Ergebnis einer Verbraucherumfrage, die zugunsten des Nutri-Scores ausgefallen war. Frau Klöckner kündigte eine Verordnung an, die es deutschen Unternehmen in Zukunft ermöglichen soll, den Nutri-Score freiwillig zu nutzen. Eine gesetzliche Verpflichtung allein auf nationaler Ebene ist nach europäischem Recht nicht möglich. foodwatch forderte Julia Klöckner deshalb auf, sich in Brüssel dafür einzusetzen, die Nutri-Score-Ampel zum verpflichtenden Modell in der EU zu machen.
Der in Frankreich und Belgien bereits eingeführte Nutri-Score bezieht neben dem Gehalt an Zucker, Fett und Salz empfehlenswerte Bestandteile wie Proteine in eine Bewertung ein und gibt dann einen einzigen Wert an – in einer fünfstufigen Skala von „A“ auf dunkelgrünem Feld für die günstigste Bilanz über ein gelbes „C“ bis zu einem roten „E“ für die ungünstigste.
+++ Korrektur (13.12.2019): Nach Veröffentlichung dieser Pressemitteilung hat Rübezahl gegenüber foodwatch erklärt, dass das Unternehmen keine freiwillige Einführung des Nutri-Score plant. Zuvor hatte das Unternehmen in einem Schreiben an foodwatch angegeben: „Unser Unternehmen plant die Einführung des Nutri-Scores für die Markenprodukte. Dies bedingt eine vorherige Rechtssicherheit. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner hat den dazugehörigen Verordnungsentwurf am 31.10.2019 eingebracht. Wir planen die Umstellung nach der Veröffentlichung im Amtsblatt. " Offensichtlich ging das Unternehmen davon aus, dass es sich bei dem Verordnungsentwurf um eine verpflichtende Kennzeichnung handelt. +++