„Kinder-Überzuckerungstag“: foodwatch fordert strenge Regeln für Junkfood-Werbung
- Kinder und Jugendliche haben schon am 12. August Zucker-Limit für ganzes Jahr erreicht
- foodwatch-Protestaktion vor Bundesernährungsministerium
- Verbraucherorganisation fordert: Minister Cem Özdemir muss Junkfood-Werbung beschränken
+++ Pressebilder von der Protestaktion unter www.foodwatch.org/kindermarketing +++
Die Verbraucherorganisation foodwatch hat mit Blick auf den heutigen „Kinder-Überzuckerungstag“ Bundesernährungsminister Cem Özdemir aufgefordert, Kinder vor Junkfood-Werbung zu schützen. Die Lebensmittelindustrie werbe mit beliebten Social-Media-Influencern, Comic-Figuren und TV-Spots vor allem für ungesunde Zucker- und Fettbomben. Die Folge: Kinder und Jugendliche äßen zu viel Süßigkeiten und Snacks und zu wenig Obst und Gemüse, so foodwatch. Mit einer Protestaktion vor dem Bundesernährungsministerium in Berlin forderten foodwatch-Aktivist:innen ein Gesetz, das Werbung an Kinder nur noch für ausgewogene Lebensmittel erlaubt. Werbung für ungesunde Lebensmittel solle in TV und Internet grundsätzlich nur noch zwischen 23 und 6 Uhr gesendet werden dürfen. Am „Kinder-Überzuckerungstag“ (12. August) haben Kinder und Jugendliche in Deutschland rechnerisch bereits so viel Zucker konsumiert, wie eigentlich für ein ganzes Jahr nach Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erlaubt wäre.
„Die Zucker- und Junkfood-Industrie hat einen Grund zu feiern: Bereits heute haben Kinder rechnerisch ihr Zucker-Limit für das ganze Jahr erreicht. Während Lebensmittelunternehmen saftige Profite einstreichen, sind die Folgen ungesunder Ernährung für Kinder und Jugendliche fatal: Übergewicht, Adipositas und im Erwachsenenalter Typ-2-Diabetes und Herzerkrankungen“, erklärte Saskia Reinbeck von foodwatch. „Bundesernährungsminister Cem Özdemir muss seinen Versprechungen endlich Taten folgen lassen und die Zuckerflut stoppen: Speziell an Kinder gerichtetes Marketing für Junkfood muss verboten werden. In Rundfunk und Internet sollte Werbung für Ungesundes grundsätzlich nur noch nachts erlaubt sein.“
Kinder und Jugendliche in Deutschland essen deutlich mehr Zucker als von Fachorganisationen wie etwa der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) empfohlen wird. Den Organisationen zufolge sollten Minderjährige maximal zehn Prozent der täglichen Kalorien durch sogenannte freie Zucker aufnehmen. Tatsächlich aber nehmen Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 18 Jahren in Deutschland 16,3 Prozent ihrer Tagesenergie aus freien Zuckern auf – also 63 Prozent mehr als empfohlen. Umgerechnet erreichen die jungen Menschen damit schon am 224. Tag im Jahr, dem 12. August, ihr Zucker-Limit für ein ganzes Jahr.
Konkret bedeutet das: Mädchen essen im Durchschnitt mehr als 60 Gramm freie Zucker pro Tag, obwohl sie maximal 38 Gramm zu sich nehmen sollten. Jungen essen im Schnitt mehr als 70 Gramm freie Zucker pro Tag, obwohl sie nicht mehr als 44 Gramm verzehren sollten.
In ihrem Koalitionsvertrag haben die Ampel-Parteien versprochen, die an Kinder gerichtete Werbung für Ungesundes beschränken zu wollen. Einen Gesetzentwurf hat die Bundesregierung jedoch bislang noch nicht eingebracht.
Hintergrund
Als freie Zucker werden alle Zuckerarten bezeichnet, die zum Beispiel Lebensmittelhersteller ihren Produkten zusetzen, sowie der in Honig, Sirup, Fruchtsaftkonzentraten und Fruchtsäften natürlich enthaltene Zucker. Natürlicherweise in Früchten oder Milchprodukten vorkommender Zucker fällt nicht darunter.
Aktuell gelten etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen als übergewichtig und sechs Prozent sogar als fettleibig – ihnen drohen im späteren Lebensverlauf Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Jeder sechste Todesfall in Deutschland ist laut Daten der OECD auf ungesunde Ernährung zurück zu führen. Fehlernährung ist damit genauso tödlich wie Rauchen.
Grundlage für die Berechnung des „Kinder-Überzuckerungstags“ sind Daten aus der sogenannten DONALD-Studie aus dem Jahr 2016, die das Ernährungsverhalten von mehr als 1.000 Kindern und Jugendlichen untersucht hat. Neuere Zahlen liefert lediglich die Studie „Eskimo II“, allerdings mit Blick auf eine andere Altersgruppe (6 bis 17 Jahren). Laut dieser Studie liegt der Zuckeranteil an der täglichen Kalorienaufnahme sogar bei 20 Prozent. Dann wäre das Zucker-Limit sogar schon am 1. Juli erreicht gewesen.