Nach Abmahnung: Milch-Lobby muss Gesundwerbung für Schulkakao stoppen - Zentraler Schulmilch-Partner des Landes NRW verstieß gegen Verbraucherschutzgesetz
Aus für die Gesundwerbung von Schulkakao: Nach dem Molkereikonzern Landliebe musste auch die Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW unerlaubte Werbeaussagen im Kontext des Schulmilchprogramms zurückziehen. foodwatch hatte den Lobbyverband abgemahnt, weil dieser gezuckerte Schokomilch unzulässig als gesundheitsförderlich bewarb – ein klarer Verstoß gegen Verbraucherschutzvorgaben. Die Verbraucherorganisation bezeichnete dies als besonders schwerwiegenden Fall: Die Landesvereinigung ist zentraler Partner des Landes NRW bei der Organisation des staatlichen Schulmilchprogramms, der Lobbyverband organisiert im Auftrag der Landesregierung Unterrichtseinheiten zur Ernährungsbildung und macht in den Schulen Werbung für Milchprodukte.
Der Verband hatte Schokoladenmilch unter anderem als positiv für die Zahngesundheit dargestellt und behauptet, dass sie den Blutzuckerspiegel „optimal beeinflusst“. Schulmilch – die in NRW zum Großteil in Form von gezuckertem Kakao ausgeliefert wird – bewarb die Milchvereinigung pauschal als „gesund“ und schrieb, mit ihr könne „man besser denken“. Für einen Teil der Aussagen gab die Lobbyvereinigung nun eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, andere Aussagen entfernte oder veränderte sie auf ihren Internetseiten. Zuvor musste bereits der Molkereikonzern Landliebe unerlaubte Gesundheitswerbung für Schulkakao einräumen und eine Elternbroschüre zurückziehen.
„Das Land NRW darf der Milchindustrie nicht länger auf den Kakao gehen. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser muss die steuerfinanzierte Förderung für gezuckerte Milch beenden und klarstellen, dass Lobbyisten nichts an den Schulen verloren haben. Die Landesvereinigung der Milchwirtschaft ist kein geeigneter Partner für die Ernährungsbildung im Unterricht“, sagte foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. "Mit Zucker lässt sich Milch in den Schulen einfach besser verkaufen – da schrecken Unternehmen wie Lobbyisten nicht einmal vor unerlaubter Werbung zurück, um zuckrigen Kakao bei Schülern, Eltern und Lehrern als gesund darzustellen. So geht das Schulmilchprogramm zu Lasten der Kindergesundheit.“
foodwatch kritisierte, dass das Land NRW auf seiner offiziellen Schulmilch-Website (http://www.schulobst-milch.nrw.de/milch/infos-fuer-schulen/) „bei Informationsbedarf zum gesundheitlichen Stellenwert“ der Schulmilchprodukte auf genau jene Internetseite der Landesvereinigung der Milchwirtschaft verweist, auf denen diese entgegen der Verbraucherschutzvorgaben Schokomilch als gesund bewarb – offenbar ohne fachliche Überprüfung der Aussagen. Damit habe das Land ausgerechnet die Gesundheitsaufklärung in die Hände von Interessenvertretern gelegt.
Neben Nordrhein-Westfalen forderte foodwatch auch Berlin und Brandenburg auf, die Subventionen für gezuckerte Milchgetränke zu stoppen. Die drei Bundesländer sind die einzigen, die noch Milchprodukte wie Kakao subventionieren. Andere Länder, die am Schulmilchprogramm teilnehmen, fördern ausschließlich ungesüßte Milch mit Steuergeldern. Gleichzeitig forderte foodwatch auch Bundesernährungsministerin Julia Klöckner auf, Stellung zu beziehen: „NRW, Berlin und Brandenburg verteilen mit Steuergeldern Zucker-Milch an Schülerinnen und Schüler – und der Bundesernährungsministerin, die in Sonntagsreden so gerne über Zuckerreduktion redet, ist das offenbar egal“, so foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker.
Die Landesvereinigung der Milchwirtschaft ist seit Jahrzehnten Partner der NRW-Landesregierung bei der Umsetzung des Schulmilch- und Schulkakaoprogramms. Der Lobbyverband wird von der Landesregierung in die Schulen geschickt, um Lehrer, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern zu einer Teilnahme an dem Programm zu bewegen, um Ernährungsunterricht zu gestalten und Lehrmaterialien zu erstellen – und erhält dafür sogar zusätzliche Steuergelder. Er finanziert sich über Umlagen von den Molkereien und profitiert damit direkt vom Verkauf des Schulkakaos. Gleichzeitig ist der Milchverband eng mit der Molkerei Landliebe verflochten, dem größten Schulmilch-Lieferanten in Deutschland. Landliebe hatte bereits vergangene Woche nach einer Abmahnung von foodwatch unzulässige Werbung für Schulkakao gestoppt.
Die im Internet verbreiteten Werbesprüche der Landesverteidigung zu gesüßter Schulmilch verstießen gegen europäisches Lebensmittelrecht. Denn gesundheitsbezogene Werbeaussagen müssen seit 2012 durch EU-Behörden genehmigt werden - erlaubt sind derzeit rund 260 solcher „Health Claims“. Die von foodwatch abgemahnten Werbesprüche der Milchwirtschaft gehören jedoch nicht dazu. Der Verband verzichtet nun zwar auf die unzulässigen Aussagen, verteidigte aber gleichzeitig zuckrige Schulmilchprodukte. Demgegenüber sprechen sich zahlreiche Zahnmediziner, Kinderärzte und Ernährungsexperten klar gegen die Abgabe von gezuckerter Milch an Schulen aus. Auch die offiziellen Richtlinien der Europäischen Union für das Schulprogramm sehen keine Förderung mehr von gezuckerten Produkten vor. Brandenburg, Berlin und NRW haben allerdings extra Ausnahmeregelungen geschaffen, um weiter auch Kakao und Co. fördern zu können. Alle anderen Bundesländer subventionieren, wenn überhaupt, nur noch ungesüßte Trinkmilch. Zuletzt hatte Hessen auf die Kritik an der Zuckersubvention reagiert und angekündigt, gesüßten Kakao aus der Förderung zu streichen.
Anfang Oktober hatte foodwatch den umfassenden Report „Im Kakaosumpf“ veröffentlicht. Darin entlarvt die Verbraucherorganisation die engen Verflechtungen zwischen Milchwirtschaft, umstrittenen Wissenschaftlern und Politik am Beispiel Nordrhein-Westfalens. Der Report beleuchtet die fragwürdigen Kakaostudien und insbesondere die Rolle der Landesvereinigung der Milchwirtschaft in NRW. Diese hat per Ministererlass den offiziellen Auftrag der Landesregierung, „Werbung zur Erhöhung des Verbrauchs von Milch“ zu machen - „insbesondere" auch durch „Förderung des Schulmilchabsatzes“. Grundlage dafür ist ein Bundesgesetz aus der Nachkriegszeit, als die Milchwirtschaft gefördert und Kinder gepäppelt werden sollten.