Verbraucher-Portal „Topf Secret“: foodwatch verklagt schleswig-holsteinische Behörde auf Herausgabe von Kontrollberichten
Musterfall für ganz Schleswig-Holstein erwartet
foodwatch hat den schleswig-holsteinischen Landkreis Ostholstein verklagt. Die Verbraucherorganisation fordert die Herausgabe von Hygiene-Kontrollberichten, die der Landkreis unzulässiger Weise geheim halte. In dem Fall geht es um die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen beim „Grand Hotel Seeschlösschen“ am Timmendorfer Strand. foodwatch hatte die Kontrollberichte über das Verbraucherportal „Topf Secret“ bei der zuständigen Behörde beantragt – aber nie erhalten. Die Ablehnung der Behörde sei „rechtswidrig“, heißt es in der Klageschrift, die foodwatch heute beim Verwaltungsgericht Schleswig eingereicht hat.
Die Klage sei wichtig als Musterfall für ganz Schleswig-Holstein, so foodwatch. Denn Schleswig-Holstein ist das einzige Bundesland, in dem sämtliche Lebensmittelbehörden sich kategorisch weigern, die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen herauszugeben, wenn diese über die Plattform „Topf Secret“ angefragt wurden. Diese Behördenpraxis geht auf die zuständige Justizministerin Sabine Sütterlin-Waack zurück, laut der eine Herausgabe der Informationen verfassungswidrig sei. Die Rechtsauffassung des Ministeriums sei „durch die Mehrheit aktueller Verwaltungsgerichtsentscheidungen aus anderen Bundesländern bestätigt“, erklärte Frau Sütterlin-Waack erst am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. foodwatch kritisierte diese Aussage als Täuschung der Öffentlichkeit. Denn tatsächlich haben bereits acht Verwaltungsgerichte in den letzten Wochen den Informationsanspruch bei Topf-Secret-Anfragen bestätigt – nur ein einziges Gericht ist bisher einer Klage eines Hotelbetriebs gefolgt. Bei den Beschlüssen, auf die die Ministerin sich beruft, wurde noch keine Entscheidung in der Sache getroffen, sondern die Entscheidung wurde lediglich vertagt.
„Die Bürgerinnen und Bürger haben ganz klar einen gesetzlichen Anspruch auf Hygiene-Kontrollberichte – und zwar bundesweit und damit auch in Schleswig-Holstein. Landesjustizministerin Sabine Sütterlin-Waack kann sich nicht einfach über das Bundesgesetz stellen und die Landkreise in Schleswig-Holstein zur Geheimhaltung verdonnern. Deshalb verklagen wir jetzt stellvertretend den Landkreis Ostholstein und lassen das gerichtlich klären“, erklärte Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch.
Derzeit wird in Deutschland nur ein Bruchteil der Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrollen aktiv durch die Behörden veröffentlicht. Auf der von foodwatch und der Transparenz-Inititative FragDenStaat ins Leben gerufenen Online-Plattform „Topf Secret“ (www.topf-secret.foodwatch.de) ist es für Bürgerinnen und Bürger jedoch möglich, amtliche Kontrollergebnisse abzufragen – auch solche, die die Behörden bislang geheim halten. Zudem können Verbraucherinnen und Verbraucher die Ergebnisse auf der Plattform veröffentlichen. Rechtliche Grundlage ist das bundesweit gültige Verbraucherinformationsgesetz (VIG). Seit Januar wurden etwa 35.000 solcher VIG-Anfragen über „Topf Secret“ verschickt. Allein in Schleswig-Holstein sind es mehr als 1.300 Anträge. Der Großteil der etwa 400 zuständigen Behörden in Deutschland gewährt den Bürgerinnen und Bürgern die beantragten Informationen – nicht so in Schleswig-Holstein.
Im konkreten Fall hatte foodwatch Mitte Mai nach den Ergebnissen der beiden letzten amtlichen Kontrollen beim „Grand Hotel Seeschlösschen SPA & Golf Resort“ am Timmendorfer Strand gefragt. Die zuständige Behörde im Landkreis Ostholstein lehnte die Herausgabe der Kontrollberichte, wie mit der schleswig-holsteinischen Landesregierung vereinbart, ab. Es seien „im Rahmen dieser Kontrollen keine Beanstandungen festgestellt worden (…) zu deren Veröffentlichung“ die Behörde berechtigt sei. Ob, und welche, Beanstandungen es gegeben hat, blieb unbeantwortet – obwohl die Behörde dazu gemäß VIG verpflichtet wäre, kritisierte foodwatch.
foodwatch kritisiert „Pottkieker-Gesetz“ in Schleswig-Holstein
Als Reaktion auf die vielen Anfragen durch „Topf Secret“ hat die zuständige Justizministerin Sabine Sütterlin-Waack ein Gesetz auf dem Weg gebracht, das den Gästen von Restaurants, Bäckereien und anderen Lebensmittelbetrieben ermöglichen soll, den letzten Kontrollbericht auf Nachfrage vor Ort einsehen zu können. foodwatch kritisierte dieses sogenannte „Pottkieker-Gesetz“, weil es Restaurantgäste zu Bitstellern mache. Zudem sei es eine Kriminalisierung von Verbraucherinformation, dass Gästen im Falle einer Veröffentlichung eines Kontrollberichts ein Bußgeld von bis zu 2.000 Euro drohe. Ohnehin sei es vollkommen unnötig, ein neues Transparenz-Modell zu entwickeln, da es längst erprobte Systeme im benachbarten Ausland gebe, so foodwatch.
foodwatch und FragDenStaat fordern für Deutschland ein Transparenz-System nach dänischem Vorbild. In Dänemark erfahren Verbraucherinnen und Verbraucher direkt an der Ladentür und im Internet anhand von Smiley-Symbolen, wie es um die Sauberkeit in Lebensmittelbetrieben bestellt ist. Wenige Jahre nach Einführung des Smiley-Systems im Jahr 2002 hat sich die Quote der beanstandeten Betriebe halbiert – von 30 auf rund 15 Prozent. In Deutschland bleibt die Beanstandungsquote seit Jahren konstant bei etwa 25 Prozent.
„Anstatt schlechte Gesetze zu erfinden, sollte die Ministerin einen Blick über die Grenze nach Dänemark werfen. Das dänische Smiley ist längst erprobt und ein voller Erfolg – sowohl für die Verbraucherinnen und Verbraucher als auch für die vielen sauber und ehrlich arbeitenden Lebensmittelbetriebe. Frau Sütterlin-Waack sollte den „Pottkieker“ einstampfen und stattdessen das dänische Smiley-System nach Schleswig-Holstein holen“, erklärte Oliver Huizinga von foodwatch.