Artikel 15.11.2024

November 2024: Heumilch und Greenwashing – Der Mythos vom klimaschonenden Milchkonsum

Brigitte Lang/ foodwatch

Unser „Werbeschmäh des Monats“ deckt die Greenwashing-Strategien der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Heumilch auf. Und hat Erfolg. 

Im Werbespot der ARGE Heumilch erleben wir die Idylle grüner Wiesen und glücklicher Kühe, dazu das Versprechen, dass Heumilch das Klima schützt. Angeblich speichern Heuwiesen mehr CO₂ als Wälder. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich diese Werbung als geschicktes Greenwashing. Tatsächlich basiert der Slogan „Wer etwas fürs Klima tun will, kann also einen Baum pflanzen – und Heumilch trinken hilft auch“ auf einer selektiven Interpretation von Forschungsergebnissen. Obwohl bereits 2022 eine Beschwerde beim Werberat eingereicht wurde und dieser auch stattgegeben wurde, wurde der Slogan nur minimal verändert. Erst unser Einsatz sorgte nun dafür, dass diese irreführende Werbung endgültig gestoppt wurde. 

Der Klimavergleich: Wälder gegen Heuwiesen 

Was war das Problem an dem Werbespot? Im Zentrum der Kritik steht der fragwürdige Vergleich, Heuwiesen könnten mehr CO₂ binden als Wälder. Die Aussage stützt sich auf eine von der ARGE in Auftrag gegebene Studie der Universität für Bodenkultur (BOKU), aus der jedoch nur bestimmte Auszüge veröffentlicht wurden. Zudem wird nur der Waldboden ohne die Bäume selbst als Vergleichsgröße herangezogen, was den CO₂-Speicherwert stark verfälscht. Die ursprünglich noch plakativer formulierte Werbebotschaft wurde nach einer Intervention des Österreichischen Werberats im Jahr 2022 leicht abgemildert – an der Grundaussage hat sich in Folge jedoch kaum etwas geändert. 

Vorher:  

[...] die traditionelle Heuwirtschaft schützt wertvolle Böden. Und die speichern sogar mehr CO2 als der Wald. Wer das Klima schützen will, muss also nicht unbedingt einen Baum pflanzen - Heumilch trinken hilft auch.

Nachher: 

[...] die traditionelle Heuwirtschaft schützt wertvolle Böden. Und die speichern sogar mehr CO2 als der Waldboden. Wer etwas fürs Klima tun will, kann also einen Baum pflanzen – und Heumilch trinken hilft auch.

Die Botschaft blieb also problematisch: Sie verschleiert die erheblichen Methanemissionen der Milchkühe, die in der Heumilchwerbung überhaupt nicht erwähnt werden. 

Die Entscheidung des Österreichischen Werberats 

Erst durch eine erneute Beschwerde von foodwatch konnte ein vollständiger Ausstrahlungsstopp des beanstandeten Werbespots erreicht werden. Der Österreichische Werberat entschied auf “sofortige Sujetrücknahme”. Der beanstandete Werbespot, so hat es die ARGE Heumilch zugesichert, wird in dieser Form nicht mehr genutzt werden und wurde auf unsere Anfrage hin auch vom YouTube-Kanal der Heumilch entfernt. 

Bereits in der ersten Entscheidung 2022 hatte der Österreichische Werberat die ARGE Heumilch dazu aufgefordert, bei künftigen Werbemaßnahmen „sensibler vorzugehen“. Zwar verstoße der Werbespot nicht grob gegen den Ethik-Kodex, doch gab das Gremium zu bedenken, “dass die getätigten Aussagen für Laien nicht schnell überprüfbar bzw. schwierig nachzuvollziehen sind”. Die Werberäte stellten damals schon fest, dass keine aussagekräftigen Fakten oder Daten geliefert wurden, die den Klimanutzen von Heumilch stützen. Der Spot erfülle daher die Standards des Ethik-Kodex in den Bereichen „Redlichkeit und Wahrhaftigkeit“ sowie „Umwelt“ nicht.  

Dass die Werbebotschaft trotz der minimalen Umformulierung weiterhin dazu geeignet war, die Konsument:innen in die Irre zu führen, hat die Entscheidung des Werberats über die aktuelle Beschwerde von foodwatch nun belegt.  

„Milchmärchen“: Die Klimabilanz der Milchindustrie im Fokus 

Der aktuelle „Milchmärchen“-Report von Foodwatch Deutschland kritisiert die gesamte Milchindustrie scharf für ihre irreführenden Klimaversprechen. Die Emissionen der Milchproduktion in Deutschland sind laut diesem Bericht dreimal so hoch, wie es die Milchlobby darstellt. Die Milchproduktion könne in Wahrheit für einen erheblichen Anteil an den gesamten deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich gemacht werden. Durch eine Halbierung der Tierhaltung und den verstärkten Einsatz pflanzlicher Milch-Alternativen könnten über 10 Prozent der gesamten deutschen Emissionen eingespart werden, so der Report.

Hier geht´s zum gesamten Report

Greenwashing als Konsument:innentäuschung 

Der Fall Heumilch ist nur ein Beispiel dafür, wie die Milchindustrie mit irreführenden Kampagnen ihre negativen Auswirkungen auf das Klima verschleiert. Foodwatch warnt, dass Begriffe wie „klimapositiv“ oder „nachhaltig“ Konsument:innen ein gutes Gewissen vermitteln sollen, während die tatsächlichen Klima- und Umweltauswirkungen der Milchproduktion ignoriert werden. 

Imagepflege oder Verantwortung? 

Die ARGE Heumilch könnte ehrlichere Vorteile ihrer Produkte kommunizieren – wie die Förderung kleiner landwirtschaftlicher Betriebe oder den positiven Beitrag der Heuwiesen zur Artenvielfalt. Doch anstatt auf solche Vorteile hinzuweisen, hält die ARGE an dem überzogenen „Klimaretter“-Slogan fest. Interessanterweise wird diese Kampagne sogar mit öffentlichen Mitteln unterstützt: Rund 2,2 Millionen Förderung sind laut Transparenzdatenbank im vergangenen Jahr an die ARGE Heumilch geflossen 

Fazit: Greenwashing und der Bedarf an strengeren Regelungen 

Unser „Werbeschmäh des Monats“ zeigt, dass die Heumilchwerbung irreführend ist.  Die Heumilchproduktion hat zwar Vorteile gegenüber der konventionellen Milchwirtschaft, diese liegen jedoch weniger im Klimaschutzbereich. Sie als klimafördernd zu vermarkten ist daher irreführend. Eine strengere Kontrolle von Umweltversprechen in der Werbung ist notwendig, um Konsument:innen vor Greenwashing zu schützen und die Glaubwürdigkeit der Lebensmittelwerbung zu sichern.  

foodwatch fordert: ein umfassendes Verbot von irreführenden Klima-Aussagen in der Bewerbung von Produkten und Unternehmen. Werbemaßnahmen müssen dem Ethik-Kodex des Österreichischen Werberats vollends entsprechen. Diese Regelung gilt für alle, die Werbung machen, und besonders für Kampagnen, die mit Steuergeldern unterstützt werden. Dass Konsument:innen durch staatlich unterstützte falsche Umweltaussagen in Werbebotschaften in die Irre geführt werden, ist nicht akzeptabel.  

Was du tun kannst

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