EU-Kommission erwägt offenbar europaweites Verbot von Titandioxid in Lebensmitteln
Massiver Lobby-Druck der Industrie auf Fachbeamte des Bundesernährungsministeriums
Unmittelbar vor einer entscheidenden EU-Abstimmung zum umstrittenen Lebensmittelzusatzstoff Titandioxid (E171) haben Industrieverbände Druck auf Beamtinnen und Beamte des Bundesernährungsministeriums ausgeübt. In einem Brandrief forderte der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelindustrie (Lebensmittelverband) gemeinsam mit dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) und weiteren Industrieverbänden die Bundesregierung auf, sich einem möglichen Vorstoß der EU-Kommission gegen Titandioxid zu widersetzen. Laut dem Schreiben, das die Verbraucherorganisation foodwatch am Freitag veröffentlicht hatte, will die Brüsseler Behörde in der Sitzung einer Experten-Arbeitsgruppe am 16. September Titandioxid in Lebensmitteln entweder vollständig verbieten oder massiv beschränken, etwa mit Blick auf den Schutz von Kindern. Die Industrielobby fordert die Bundesregierung „entschieden auf, keiner der beiden von der Kommission vorgeschlagenen Optionen zu folgen“.
foodwatch kritisierte das Vorgehen der Industrie. Wenn wissenschaftliche Zweifel an der Sicherheit der Lebensmittel bestehen, dann gelte das im EU-Recht verankerte Vorsorgeprinzip. In Titandioxid enthaltene Nanopartikel stehen im Verdacht, schwerwiegende gesundheitliche Schäden bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern auszulösen.
„Ernährungsministerin Julia Klöckner muss sich in aller Deutlichkeit öffentlich gegen solche Übergrifflichkeiten der Industrie auf Kosten der Gesundheit - vor allem unserer Kinder - verwahren“, erklärte Matthias Wolfschmidt, Internationaler Kampagnendirektor bei foodwatch. „Die Bundesregierung ist per Gesetz auf die Anwendung des Vorsorgeprinzips verpflichtet. Im Fall von Titandioxid bedeutet das: Raus aus unseren Lebensmitteln. Keine Verbraucherin und kein Verbraucher hat irgendeinen Nutzen von diesem womöglich hoch riskanten Stoff.“
Titandioxid – in der Zutatenliste meist als E171 abgekürzt – dient in Lebensmitteln als weißer Farbstoff. In Frankreich darf der Stoff Lebensmitteln ab 2020 vorerst nicht mehr zugesetzt werden, da E171 die Darmflora schädigen und in Form allerkleinster Nanopartikel möglicherweise Krebs auslösen kann, wie wissenschaftliche Studien nahelegen.
In der vergangenen Woche hat foodwatch den Lebensmittelhersteller Dr. Oetker aufgefordert, kein Titandioxid mehr in seinen Produkten zu verwenden. Dr. Oetker müsse zudem ein Kuchen-Deko-Produkt, das nachweislich zu 100 Prozent Titandioxid in Nanopartikel-Form enthalte, sofort öffentlich zurückzurufen.
Link:
E-Mail-Aktion von foodwatch: www.aktion-titandioxid.foodwatch.de