Nachricht 19.03.2014

EU-Umweltausschuss lehnt Kennzeichnung von Gen-Honig ab

Honig, der gentechnisch veränderte Pollen enthält, soll auch in Zukunft nicht gekennzeichnet werden. Dafür hat sich der EU-Umweltausschuss heute ausgesprochen. Weit mehr als 40.000 Verbraucher hatten in den vergangenen Tagen über eine foodwatch-Protestaktion eine klare Kennzeichnung von Gen-Honig gefordert. Doch am Ende fehlten in der entscheidenden Ausschuss-Sitzung im EU-Parlament drei Stimmen.

Die Europa-Abgeordneten im Ausschuss für Umwelt, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit stimmten mit knapper Mehrheit für einen Vorschlag der EU-Kommission, wonach Pollen im Honig zukünftig als „natürlicher Bestandteil“ definiert werden soll. Was harmlos klingt, bedeutet in der Praxis, dass Honig, der gentechnisch veränderte Pollen enthält, nicht mehr als „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet werden müsste.

Im Vorfeld der Ausschuss-Sitzung hatten innerhalb weniger Tage weit mehr als 40.000 Verbraucher über eine E-Mail-Aktion unter www.foodwatch.de/aktion-gen-honig für eine klare Kennzeichnung von Gen-Honig protestiert und die Abgeordneten aufgefordert, gegen den Vorschlag der Kommission zu stimmen. Doch am Ende reichte es knapp nicht: Drei Stimmen fehlten bei der entscheidenden Abstimmung. Am 16. April entscheidet nun das Europaparlament endgültig. 

Wahlfreiheit bei Agrar-Gentechnik? Fehlanzeige!

Die knappe Entscheidung der Parlamentarier ist eine herbe Niederlage für die europäischen Verbraucher. Eine überwältigende Mehrheit der Bürger in Europa lehnt Gentechnik im Essen ab – doch ob Honig oder tierische Produkte wie Eier, Milch und Fleisch mit Hilfe von Agrar-Gentechnik hergestellt werden, wird den Verbrauchern nach wie vor verschwiegen. Die EU macht Verbraucher zu Zwangs-Unterstützern der Agrar-Gentechnik. Für foodwatch stellt sich die Frage: Wessen Interessen vertreten EU-Kommission, Rat und Parlament eigentlich: Die der Bürgerinnen und Bürger Europas – oder die von Monsanto, Pioneer, Bayer Crop und Co.?

foodwatch fordert: Verbraucher müssen ein Recht darauf haben, selbst entscheiden zu können, ob Sie beim Einkauf im Supermarkt den Einsatz von Gentechnik auf dem Acker unterstützen wollen oder nicht. Unter www.foodwatch.de/aktion-gentechnik fordert foodwatch eine klare Gentechnik-Kennzeichnung bei tierischen Lebensmitteln.

Definitionstrick mit weitreichenden Folgen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte eigentlich schon durch ein Urteil vom 6. September 2011 dafür gesorgt, dass Honig mit gentechnisch veränderten Pollen gekennzeichnet werden muss. Doch die EU hat nun dieses Urteil mit einem Definitionstrick ausgehebelt: Pollen werden in Zukunft nicht mehr als „Zutat“, sondern als „natürlicher Bestandteil“ von Honig definiert – auch wenn sie gentechnisch verändert sind.

Dieser kleine Unterschied in der Definition hat weitreichende Folgen: Der Pollenanteil in Honig beträgt in der Regel etwa 0,5 Prozent. Selbst wenn die gesamten Pollen in einem Honig gentechnisch verändert sind, wird also die Schwelle von 0,9 Prozent im Endprodukt, ab der Lebensmittel in der EU als „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet werden müssen, nicht überschritten. Das bedeutet: Auch Honig, der zu 100 Prozent gentechnisch veränderte Pollen enthält, muss folglich nicht gekennzeichnet werden.

Gen-Kennzeichnung würde vor allem Import-Honig treffen

Anders, wenn Pollen als „Zutat“ definiert wären: Sobald mehr als 0,9 Prozent der gesamten enthaltenen Pollen gentechnisch verändert sind, müsste Honig entsprechend gekennzeichnet werden („Enthält gentechnisch veränderte Organismen“). Von einer solchen Kennzeichnungspflicht wären europäische Imker (mit Ausnahme Spaniens) kaum betroffen, weil die Äcker in der EU nach wie vor weitgehend gentechnikfrei sind. Betroffen sein könnte aber importierter Honig aus Staaten, in denen häufig gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, beispielsweise Kanada oder China.


Zudem hätte eine Kennzeichnung im Sinne des EuGH Auswirkungen auf die umstrittene Frage der Koexistenz von herkömmlicher und Gentechnik-Landwirtschaft. Denn europäische Imker, die gentechnikfreien Honig ernten möchten, könnten ein Anrecht, darauf geltend machen, dass in zehn Kilometern Umkreis um ihre Bienenstöcke keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut werden. Entsprechende Abstandsregelungen würden die Agro-Gentechnik in Europa vor erhebliche praktische Probleme stellen.

Der EU-Umweltausschuss hatte bereits im November 2013 den Vorschlag der EU-Kommission, Pollen entgegen des EuGH-Urteils als „natürlichen Bestandteil“ von Honig zu definieren, abgelehnt und eigene Änderungsvorschläge eingebracht. Doch die Mehrheit des EU-Parlaments schloss sich im Januar 2014 im Wesentlichen dem Vorschlag der Kommission an. Daraufhin verhandelten EU-Parlamentsvertreter und Kommission über einen – gegenüber dem ursprünglichen Kommissionsentwurf kaum veränderten – Kompromiss-Vorschlag. Über diese neue Vorlage war nun im Umweltausschuss des EU-Parlaments am 19. März endgültig abgestimmt worden.