foodwatch: Bundesernährungsministerin Klöckner muss Junkfood-Werbung an Kinder verbieten
Gutachten zeigt: Bund hat Gesetzgebungskompetenz
Die Verbraucherorganisation foodwatch hat Bundesernährungsministerin Julia Klöckner aufgefordert, Junkfood-Werbung an Kinder zu untersagen. Die Industrie vermarkte ungesunde Lebensmittel mit Comic-Figuren auf Süßwaren-Verpackungen, mit Werbespots im Fernsehen und mit Social-Media-Stars auf Youtube oder Instagram direkt an Millionen von jungen Fans. Damit torpediere sie die Bemühungen vieler Eltern, ihre Kinder für eine gesunde Ernährung zu begeistern. Ein von foodwatch in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten zeigt, dass Frau Klöckner umfassende Werbebeschränkungen als Bundesgesetz auf den Weg bringen kann. Das Gutachten widerlegt damit die Aussagen der Ministerin, wonach nicht der Bund, sondern die Bundesländer für Kindermarketing im Bereich Hörfunk, Fernsehen und Internet verantwortlich seien.
„Seit Jahren bombardiert die Industrie Kinder mit Werbung für Zuckerbomben und fettige Snacks – oft an der elterlichen Kontrolle vorbei direkt auf die Smartphones junger Menschen. All die freiwilligen Vereinbarungen und höflichen Appelle von Ernährungsministerin Julia Klöckner an die Unternehmen sind offensichtlich krachend gescheitert“, erklärte Luise Molling von foodwatch. „Frau Klöckner darf sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen: Sie kann und muss dem aggressiven Junkfood-Marketing der Lebensmittelindustrie endlich einen Riegel vorschieben.“
Laut einer heute veröffentlichten Studie der Universität Hamburg sieht ein Kind in Deutschland durchschnittlich 15 Werbespots oder -anzeigen für ungesunde Lebensmittel pro Tag. Davon entfallen 5 auf das Internet und 10 auf das Fernsehen. 92 Prozent der Spots für Lebensmittel, die Kinder in Internet und TV wahrnehmen, bewerben ungesunde Produkte wie Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten (Fernsehen 89 Prozent, Internet 98 Prozent).
Lebensmittelkonzerne wie Coca-Cola, McDonald‘s und Mondelez sowie deutsche Familienunternehmen wie Coppenrath & Wiese oder Haribo nutzen dabei vermehrt bekannte Social-Media-Stars, um zuckrige Getränke, fettige Snacks und Süßwaren gezielt an Kinder zu vermarkten. Die Unternehmen erreichen über junge Influencerinnen und Influencer auf Youtube, Tiktok oder Instagram Millionen junger Fans, wie ein Mitte Februar veröffentlichter foodwatch-Report gezeigt.
Julia Klöckner hatte zwar eingeräumt, dass Lebensmittelwerbung Kinder nicht zu einer ungesunden Ernährung verleiten sollte. Ihrer Ansicht nach seien jedoch die Bundesländer in der Verantwortung: Diese hätten vor wenigen Monaten den Medienstaatsvertrag verabschiedet und dabei keine verantwortungsbewusste Regelung zum Schutz von Kindern getroffen. Das juristische Gutachten des Rechtsanwalts Prof. Dr. Remo Klinger im Auftrag von foodwatch stellt jedoch klar: Der Bund kann sehr wohl Werbebeschränkungen einführen, da eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Lebensmittelrechts bestehe. Denn eine bundeseinheitliche Regelung zum Kindermarketing sei im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich. In gleicher Weise habe der Bund seine Kompetenz bereits beim Tabakwerbeverbot wahrgenommen.
Fehlernährung ist bei Kindern und Jugendlichen weit verbreitet. Daten des Robert Koch-Instituts zufolge verzehren Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren im Schnitt nicht einmal halb so viel Obst und Gemüse, aber mehr als doppelt so viele Süßwaren oder Snacks wie empfohlen. Aktuell gelten etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen als übergewichtig und sechs Prozent sogar als fettleibig – ihnen drohen im späteren Lebensverlauf Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Jeder fünfte Todesfall in Deutschland ist laut Daten der OECD auf ungesunde Ernährung zurück zu führen.