foodwatch kritisiert Influencer-Marketing für Ungesundes
Özdemirs Kinderschutz-Gesetz muss „Junkfluencer“ stärker beschränken
Die Verbraucherorganisation foodwatch hat Influencer-Werbung für Zuckerbomben und fettige Snacks kritisiert. Unternehmen wie McDonald’s, Pizza Hut oder Coca-Cola nutzten für ihr Marketing gezielt Social-Media-Stars, die bei Kindern und Jugendlichen ein besonders hohes Vertrauen genießen. In Kooperation mit den Influencer:innen kreierten die Konzerne beispielsweise Sonder-Editionen ihrer Produkte, organisierten teure Veranstaltungen und Reisen und lancierten Marken-Werbung unauffällig auf deren Kanälen. foodwatch warnte davor, dass dieses Junkfluencer-Marketing Fehlernährung und Übergewicht bei Heranwachsenden fördere.
„Influencer:innen sind für Millionen junger Menschen Idole und beste Freunde zugleich. Die Social-Media-Stars sind für die Junkfood-Konzerne die perfekten Werbebotschafter, um immer mehr Zuckerbomben und fettige Snacks zu verkaufen – an der elterlichen Kontrolle vorbei direkt über die Smartphones von Kindern und Jugendlichen”, sagte Luise Molling von foodwatch.
Die Verbraucherorganisation forderte, junge Menschen besser vor Junkfood-Marketing im Internet zu schützen: Influencer:innen sollten nur noch für ausgewogene Produkte werben dürfen. Bundesernährungsminister Cem Özdemir will zum Schutz von Kindern Werbeschranken einführen. Unter anderem soll die Werbung für unausgewogene Lebensmittel im TV in den Abendstunden und an Wochenenden, wenn besonders viele Kinder Medien nutzen, grundsätzlich untersagt sein. Diese Regelung müsse auf den Bereich der sozialen Medien ausgedehnt werden, forderte foodwatch. Instagram-Posts oder Tiktok-Videos, die rund um die Uhr abgerufen werden können, sollten nur noch Werbung für ausgewogene Produkte beinhalten. Wegen des Widerstands der FDP drohten Özdemirs Pläne immer weiter zu verwässern, warnte foodwatch. Um jedoch Kinder und Jugendliche effektiv vor Junkfood-Werbung zu schützen, müsste der Gesetzesentwurf an einigen Stellen nachgeschärft werden, forderte die Verbraucherorganisation.
Die „Junkfluencer-Strategien“ der Lebensmittelindustrie
Lebensmittelunternehmen bedienen sich in den sozialen Medien derzeit vor allem dreier Strategien, um den Verkauf ihrer Produkte anzukurbeln:
- Produkt-Kooperationen: Unternehmen bringen gemeinsam mit Social-Media-Influencern gesonderte Produktlinien auf dem Markt. So lancierte McDonald’s den „McFlurry Shirin“ mit dem Konterfei der Sängerin und Social-Media-Ikone Shirin David. Beauty-Influencerin “Julia Beautx” hat angeblich einen eigenen Donut für Kaufland kreiert. Und Lipton hat eine vom queeren Musiker und Influencer „Twenty4tim“ designte und vermarktete Sonderedition mit mehr als elf Millionen Dosen herausgebracht.
- Reisen und Events: Große Partys, aufregende Reisen, atemberaubende Challenges – die Konzerne lassen sich immer mehr einfallen, um Influencer:innen als Werbebotschafter zu gewinnen. Coca-Cola hat der schwedischen Influencerin Lotta Stichler einen Trip nach Lappland spendiert, damit diese dort Werbung in weihnachtlicher Schnee-Kulisse macht. Fanta und McDonald’s haben zu Halloween eine McDonald’s-Filiale umgestaltet, damit der Influencer Max Müller („Max Echtso“) dort mit gruseligem Content für das Halloween-Menü werben kann. Und zeitgleich war der Fanta “Holoween” Bus in Berlin stationiert, wo der bei Teenagern beliebte Fabian Busch („Iamzuckerpuppe“) vermeintlich spontan erscheint und ein Video dreht. Auch Red Bull nutzt gerne Events als Social-Media-Werbekulisse: So hat der Energy-Drink-Hersteller gleich mehrere Influencer:innen und Gamer:innen auf das „Games on a Plane“-Event geladen.
- „Versteckte“ Werbung: Die Konzerne mischen ihre Werbevideos getarnt unter dem üblichen Content der Influencer:innen, um ihnen mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen und mehr Reichweite zu erzielen. So postete die für ihre veganen Rezept-Tipps bekannte “MinimaLara” ein Video in gewohnter Kulisse, in dem sie aus veganer Ritter Sport Schokolade Choco Crossies zubereitet. Die sich häufig mit ihrem Freund in romantischer Zweisamkeit zeigende Maxine Reuker sieht man mit ihrem Freund beim gemütlichen Herbstpicknick mit Pizza von Pizza Hut. Und der Influencer Aaron Troschke postet eine seiner vielen Challenges, bei der er dieses Mal mit einem anderen Influencer blind Pepsi verkostet.
„Mit immer perfideren Strategien gelingt es der Lebensmittelindustrie, den ständigen Konsum von zuckrigen Getränken und fettigen Snacks als die alltägliche Normalität junger Social-Media-Stars darzustellen und zugleich redaktionelle und werbliche Inhalte immer stärker zu verschmelzen”, erklärte Luise Molling von foodwatch.
Lebensmittelwerbung beeinflusst nachweislich das Ernährungsverhalten junger Menschen. Kinder essen mehr als doppelt so viele Süßigkeiten, aber nur halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen. Den letzten repräsentativen Messungen zufolge sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht und sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht (Adipositas) betroffen. Ihnen drohen im späteren Leben Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Jeder siebte Todesfall in Deutschland ist laut Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf ungesunde Ernährung zurückzuführen.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Fotostrecke mit Produktbeispielen
- Video-Beispiele
- OECD 2021: Länderprofil Gesundheit, u.a. zu Todesfällen aufgrund schlechter Ernährung
- Pressemitteilung: foodwatch kritisiert Influencer-Marketing für Zuckergetränke und Energydrinks
- Pressemitteilung: Werbeschranken für ungesunde Lebensmittel: Mehr als 60 Organisationen fordern Unterstützung von FDP-Parteichef Christian Lindner für Kinderschutz-Gesetz
- Boyland et al (2022): Studie zum Einfluss von Werbung auf das Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen (englisch)