Gammelfleisch: Behörden müssen Sofortmaßnahmen ergreifen
Die Verbraucherrechtsorganisation foodwatch hat die Behörden in Bund und Ländern aufgefordert, die Verbreitung von vakuumverpacktem, verdorbenem Fleisch durch Sofortmaßnahmen einzuschränken. „Vakuumverpackung und Kühlung haben weltweit eine neue Form des Fleischverderbs hervorgebracht. Die Behörden müssen diese verdorbene Ware unverzüglich aus der Lebensmittelkette entfernen. Betroffene Betriebe müssen, ähnlich wie bei Tierseuchen, stillgelegt und grundlegend gereinigt und desinfiziert werden“, erklärte Matthias Wolfschmidt, stellvertretender foodwatch-Geschäftsführer. Während die Standard-Untersuchungen der Behörden den Befall mit Clostridium-Bakterienstämmen nicht anzeigten, habe sich der Keim weltweit in der Fleischwirtschaft ausgebreitet. Importeure und Großhändler müssen verpflichtet werden, jede vakuumverpackte Fleisch-Charge auf die Clostridien-Stämme zu testen und Nachweise für die Kontrollbehörden bereitzuhalten.
Analysen des bundeseigenen Max-Rubner-Instituts zufolge ist tonnenweise Fleisch mit dem Keim Clostridium estertheticum belastet. Das Bakterium vermehrt sich unter gekühlten, anaeroben (sauerstoff-freien) Bedingungen. Betroffen ist Fleisch von Rind, Schwein, Pute, Wild und Lamm. Die Vakuumverpackung ist im Fleischgewerbe weit verbreitet, wird aber nur selten an Endverbraucher ausgeliefert. Weil Rindfleisch direkt nach der Schlachtung in Vakuumverpackungen reift und somit zart wird, spart die Fleischindustrie Kosten und Aufwand für das traditionelle wochenlange Abhängen des Fleischs in Kühlräumen.
Clostridien führen zu einem Aufgasen der Verpackungen, erzeugen einen stechenden Geruch und lassen das Fleisch verderben. Nach Angaben des Max-Rubner-Instituts ist keimbelastete Ware gewaschen, umverpackt und illegal wieder in den Handel gebracht worden.
Welche gesundheitliche Folgen der Verzehr des Gammelfleischs hat, ist umstritten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält ein Risiko nach Literaturrecherchen in einer „vorläufigen“ Bewertung für „unwahrscheinlich“, betont jedoch mehrfach, dass das Fleisch „verdorben und für den Verzehr nicht mehr geeignet“ sei. Das Max-Rubner-Institut, ebenfalls eine Einrichtung des Bundes, kommt zu einer anderen Einschätzung: „Meine große Sorge ist, dass sich möglicherweise hinter diesen Clostridien ein Gesundheitsproblem versteckt, weil wir von Clostridien immer eine gewisse Gefahr erwarten müssen“, sagte Professor Manfred Gareis dem SWR-Magazin „Odysso“. Und weiter: „Viele Clostridien sind in der Lage Gifte zu bilden. Und nachdem es sich hier auch um Clostridien handelt, müssen wir eigentlich zunächst mal das Schlimmste annehmen.“
Angesichts der unklaren gesundheitlichen Bewertung hält foodwatch ein Handeln nach dem Vorsorgeprinzip für geboten. Die Verbraucherrechtsorganisation forderte die Behörden auf, die Öffentlichkeit detailliert über die belasteten Produkte, die betroffenen Betriebe und die ergriffenen Maßnahmen zu informieren. „Bei Hinweisen auf verdorbene und nicht zum Verzehr geeignete Lebensmittel besteht ein Informationsanspruch der Öffentlichkeit“, betonte Matthias Wolfschmidt unter Verweis auf § 40, Abs. 1, Nr. 4 des Deutschen Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB).