Newsletter 08.12.2017

Glyphosat killt alles!

Hallo und guten Tag,

das für die meisten Undenkbare – es ist passiert! Das Ackergift Glyphosat ist für weitere fünf Jahre zugelassen worden. Und das obwohl 73 Prozent der deutschen Bevölkerung ein Verbot von Glyphosat fordern! Mehr politische Ignoranz geht nicht. Der noch amtierende Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hat sich einfach über das Votum unzähliger Menschen hinweggesetzt und "Ja" zu dem umstrittenen Ackergift gesagt. Angeblich ein Alleingang, sogar das Kanzleramt hatte den Minister angewiesen, sich zu enthalten. Hätte Christian Schmidt dies befolgt, hätte es in der EU keine Mehrheit für eine weitere Zulassung von Glyphosat gegeben. Ausgerechnet der deutsche Minister war das Zünglein an der Waage für Monsanto & Co., die Hersteller des Unkrautgiftes!

Was hat ihn nur geritten? Er hat nicht nur vielen Menschen, die sich in Petitionen gegen Glyphosat ausgesprochen haben, vor den Kopf gestoßen, sondern auch der mitregierenden SPD – und damit das Zustandekommen einer erneuten Großen Koalition ernsthaft riskiert. Wofür nur nimmt er so viel Krach in Kauf, um Glyphosat gegen alle Bedenken durchzusetzen?

Die Entscheidung pro Glyphosat basiert wesentlich auf der Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), das Glyphosat als nicht krebserregend einstuft. Allerdings wurde bekannt, WIE das BfR zu seiner Einschätzung kam. Es hat nämlich ganze Textpassagen fast wörtlich aus Studien von Monsanto übernommen. Ausgerechnet von dem Konzern also, der mit Glyphosat Profit macht! Nicht nur deshalb bestehen Zweifel an der Unabhängigkeit der Behörden.

Die Krebsforscher der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind dagegen der Meinung, dass Glyphosat "wahrscheinlich krebserregend" beim Menschen ist! Auch an ihnen gibt es Kritik.

Ganz offen: Wir können diesen Streit der Wissenschaftler nicht auflösen. Wir können Ihnen nicht sagen, ob Glyphosat nun krebsauslösend ist oder nicht. Aber eines wissen wir: Genau für solche Fälle gibt es in Europa das Vorsorgeprinzip, fest verankert im Umwelt- und Lebensmittelrecht! Der Gesundheitsschutz muss absoluten Vorrang haben, auch wenn es keine wissenschaftliche Klarheit über die Risiken gibt. Soweit die gesetzliche Theorie – in der Praxis erleben wir gerade wieder, wie das Vorsorgeprinzip ausgehöhlt wird. Ob bei der Zulassung von Unkrautvernichtern oder Zusatzstoffen für Lebensmittel: Immer wieder werden unnötige Risiken für die Menschen in Kauf genommen. Damit muss endlich Schluss sein! <link de spenden mitgliederformular-mnl>

Sie fragen sich vielleicht, wie es sein kann, dass eine deutsche Behörde bei Monsanto abschreibt. Das BfR hat dafür eine überraschende Erklärung parat: Es sei "üblich und anerkannt", dass Behörden "Passagen aus eingereichten Dokumenten in ihre Bewertungsberichte integrieren" – natürlich nur "nach kritischer Prüfung". Komisch nur, dass die kopierten Passagen nicht so einfach über Quellenangaben oder sonstige Hinweise auf Monsanto zurückzuführen sind… Nochmal: Es geht um die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die staatlichen Wissenschaftler schreiben bei Monsanto ab – und meinen dann lapidar: Ist halt so! Für uns ist das unwissenschaftlich und inakzeptabel – und vor allem ist ein solches Vorgehen nicht dazu geeignet, Zweifel an den Bewertungen der Behörden zu zerstreuen.

Das BfR argumentiert, dass schließlich auch bei anderen Zulassungsverfahren für Unkrautvernichter oder Chemikalien genauso verfahren worden sei. Soll uns das jetzt beruhigen? Nein, im Gegenteil! Es zeigt uns vielmehr, dass wir uns auf die Risikobewertungen von Behörden offenbar nicht einfach verlassen können, sondern ganz genau hinschauen müssen! Wir meinen: Industrieinteressen dürfen in den Zulassungsverfahren keine Rolle spielen, wenn es um unsere Gesundheit geht. Und es kann nicht sein, dass ein deutscher Minister im Alleingang eine fatale Entscheidung für Millionen Menschen in ganz Europa trifft, noch dazu gegen alle Absprachen!

Es geht dabei um so viel mehr als Glyphosat! Bei Glyphosat ist JETZT eine Entscheidung gefallen, die wir so nicht hinnehmen werden. Doch in dem Streit über die Zulassung oder Nicht-Zulassung dieses einen Unkrautvernichter-Wirkstoffes steckt bedeutend mehr. Es geht um die Frage, welche Art von Landwirtschaft wir wollen. Und es geht darum, wie transparent Zulassungsverfahren in Zukunft ablaufen, und wie stark der Gesundheitsschutz dabei gegenüber wirtschaftlichen Interessen berücksichtigt wird.

Viele Entwicklungen zeigen uns, dass das – richtige und wichtige! – Vorsorgeprinzip in Gefahr ist. Wenn es zwar auf dem Papier steht, aber bei der Zulassung eines möglicherweise krebserregenden Wirkstoffs nicht berücksichtigt wird – dann ist das Papier nicht viel wert. Auch bei dem Handelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada ist das Vorsorgeprinzip nachweislich nicht ausreichend verankert – und bei TTIP sah es in den bekannten Entwürfen ganz ähnlich aus. Bei CETA sind wir auch deshalb vor das Bundesverfassungsgericht gezogen, ein Urteil steht noch aus. Das alles aber zeigt: Wenn wir nicht hinsehen, wird das Vorsorgeprinzip auf dem Altar der Konzerninteressen geopfert!

Vielen Dank und herzliche Grüße,

Ihr Martin Rücker

Geschäftsführer foodwatch Deutschland