Pressemitteilung 24.09.2018

Hoeneß-Wurstfabrik zeigt: So geht sauber! – Nach Hygienemängeln in Landsberger Tönnies-Fabrik veröffentlicht foodwatch weitere Reports der bayerischen Lebensmittelkontrolle

  • Andere Wurstfabriken mit erheblich geringeren Mängeln als „Landsberger Wurstspezialitäten“
  • Häufige Beanstandungen bei Obazda-Hersteller Alpenhain 
  • foodwatch: Behörden sollen Transparenz schaffen, damit Verbraucher die Wahl haben

Die Verbraucherorganisation foodwatch hat erneut bisher unveröffentlichte Kontrollberichte der bayerischen Lebensmittelüberwachung online gestellt. Die amtlichen Dokumente zeigen ein unterschiedliches Bild: Während beispielsweise in der von Uli Hoeneß gegründeten Wurstfabrik die Kontrolleure zwischen 2013 und 2017 bei knapp 1.200 Besuchen lediglich neun Mal geringe Mängel feststellten, kam es bei dem Käsespezialitäten-Hersteller Alpenhain im gleichen Zeitraum bei fast jeder zweiten von insgesamt 31 Kontrollen zu Beanstandungen. foodwatch forderte, dass Behörden von sich aus grundsätzlich alle Kontrollberichte öffentlich machen müssen. Nur so könnten Verbraucherinnen und Verbraucher erkennen, wo alles in Ordnung ist und welche Betriebe sich nicht an die Hygiene- und lebensmittelrechtlichen Vorgaben halten.

In der vergangenen Woche hatte foodwatch geheime Prüfberichte veröffentlicht, die über Monate hinweg schwere Hygienemängel in der zum größten deutschen Fleischkonzern Tönnies gehörenden Landsberger Wurstwaren-Fabrik aufzeigen. Obwohl die zuständige Behörde, das Landratsamt Landsberg, die Mängel bei zahlreichen Kontrollbesuchen dokumentierte, hatte sie kein Bußgeld verhängt und auch nicht die Öffentlichkeit informiert. Den Kundinnen und Kunden wurden dadurch Produkte aus einer Produktion mit teils ekelerregenden Zuständen zugemutet, kritisierte foodwatch. In Reaktion auf die Veröffentlichung der Kontrollberichte durch foodwatch hatte das auch für die Wirtschaftsförderung zuständige Landratsamt die Mängel nachträglich als geringfügig eingestuft, obwohl die Formulierungen des Amtskontrolleurs von wiederholt mangelhafter Betriebshygiene und teils deutlichen Verstößen gegen Hygienevorgaben zeugen.

„Wer die Kontrollberichte von Hoeneß neben die der Landsberger Wurstwaren legt, sieht den Unterschied: Die Probleme der Tönnies-Fabrik lassen sich nicht herunterspielen. Eine solch ekelerregende Produktion muss nicht sein und ist zum Glück auch kein Standard“, erklärte Johannes Heeg, von foodwatch. Für Qualitätsanbieter und für Verbraucherinnen und Verbraucher sei es gleichermaßen ein Problem, dass die Unterschiede zwischen den Betrieben nicht erkennbar seien und es keine Verlässlichkeit gebe, dass ein Landratsamt die Verstöße sanktioniert und Betriebshygiene durchsetzt. „Transparenz wirkt präventiv! Nach zahlreichen Lebensmittelskandalen im Freistaat sollte sich die bayerische Landesregierung als allererste für ein Gesetz stark machen, nach dem die Behörden alle Kontrollergebnisse öffentlich machen müssen – in den vergangenen Jahren waren es allerdings vor allem Bayern und Markus Söder, die das blockiert haben.“

foodwatch setzt sich seit langem dafür ein, dass Behörden per Gesetz verpflichtet werden, immer alle Kontrollberichte zu veröffentlichen. Sowohl Bundesernährungsministerin Julia Klöckner als auch die bayerische Landesregierung lehnen das bisher ab.

Die jetzt veröffentlichten Berichte hatte foodwatch durch Behördenanfragen über das sogenannte Verbraucherinformationsgesetz erhalten. Die Verbraucherorganisation stellte Kontrollergebnisse aus den Jahren 2013 bis 2017 von vier großen bayerischen Lebensmittelbetrieben online: Alpenhain Käsespezialitäten GmbH, Hans Kupfer & Sohn GmbH, HoWe Wurstwaren KG und Wolf Wurstspezialitäten GmbH – mit unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich Kontrolldichte und Beanstandungen. Bei der von Werner Weiß und Uli Hoeneß gegründeten HoWe Wurstwaren KG in Nürnberg fanden insgesamt 1.162 Kontrollen statt, dabei wurden lediglich neun Mal „geringe Hygienemängel“ festgestellt. Die Wolf Wurstspezialitäten mit Sitz in Schwandorf in der Oberpfalz wurden 246 Mal kontrolliert, bei etwa jeder fünften Untersuchung (51) monierten die Kontrolleure als geringfügige eingestufte Mängel, die bei der nachfolgenden Kontrolle behoben waren. Das Familienunternehmen Hans Kupfer, das unter anderem Nürnberger Rostbratwürste herstellt, bekam 367 Mal Besuch von der Lebensmittelüberwachung, dabei kam es zu vier Beanstandungen. Allerdings übermittelte das zuständige Landratsamt in Ansbach an foodwatch nur solche Beanstandungen, die „in irgendeiner Form für die Lebensmittelqualität oder -sicherheit relevant sind“. Demnach bleibt offen, wie häufig der Betrieb in dem Zeitraum zum Beispiel aufgrund von Hygienemängeln beanstandet wurde. Häufigere Verstöße dokumentieren die Prüfberichte vor allem bei der Alpenhain Käsespezialitäten GmbH: Das im oberbayerischen Pfaffing ansässige Unternehmen, das auch den bayerischen Brotzeitkäse „Obazda“ herstellt, wurde 31 Mal kontrolliert, bei 14 Kontrollen kam es zu Beanstandungen, wie etwa Mängel in der Reinigungsdokumentation oder schimmelartigen Flecken.

Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland erfahren in der Regel nicht, wenn Lebensmittelunternehmen bei Kontrollen auffallen. Anders beispielsweise in Dänemark: Dort sind alle Kontrollberichte im Internet einsehbar, Lebensmittelbetriebe mit direktem Kundenkontakt wie etwa Restaurants, Metzgereien und Bäckereien müssen die Berichte zudem an der Ladentür aushängen. Bewertet werden die Ergebnisse mit einem Smiley, von lachend bis weinend. Seit Einführung dieses „Smiley-Systems“ hat sich die Quote der beanstandeten Betriebe in Dänemark halbiert. In Deutschland hingegen wird jedes Jahr ungefähr jeder vierte kontrollierte Lebensmittelbetrieb beanstandet, häufig aufgrund von Hygienemängeln.

In Landsberg hatten Lebensmittelkontrolleure zwischen Oktober 2017 und Februar 2018 bei insgesamt 41 Überprüfungen der „Landsberger Wurstspezialitäten GmbH“ immer wieder Verstöße gegen Hygienevorschriften beanstandet. Die Firma ist ein Unternehmen der „Zur Mühlen“-Gruppe, die wiederum zur Tönnies-Gruppe gehört. Die Firma hat am 1. Oktober 2017 die laufenden Geschäfte der zuvor insolvent gegangenen Firma „Lutz Fleischwaren“ übernommen, ohne die Produktion zu unterbrechen. Mitte Oktober stellte das Landratsamt Landsberg Altverschmutzungen fest. Über den aktuellen Hygienezustand bei Landsberger liegen foodwatch keine Informationen vor.