Bio-Produkte: Studie zu Preisen – Falsche Preise, wahre Kosten

Bio ist teurer – aber warum eigentlich? Fest steht: Die Preise im Supermarkt sagen nicht die Wahrheit. Denn für konventionelle und ökologische Produkte herrschen verzerrte Wettbewerbsbedingungen. Das ist das Resultat einer foodwatch-Studie, die die Preisbildung am Beispiel von einem Kilogramm Schnitzelfleisch untersucht hat.

Preise üben eine entscheidende Signalfunktion im Markt aus und bestimmen maßgeblich das Verbraucherverhalten. Um Verbrauchern ihre Schiedsrichterfunktion im Markt zu ermöglichen, müssen Preise die Qualität und die Kosten eines Produktes widerspiegeln. Im Falle der Lebensmittelpreise ist diese Forderung kaum erfüllt. Steuersubventionen in Milliardenhöhe und die Verlagerung von Umweltkosten auf die Allgemeinheit verzerren die Preise.

Rot-grünes Prestigeprojekt Agrarwende

Im Jahr 2001 hatte die rot-grüne Bundesregierung als Reaktion auf die BSE-Krise eine Agrarwende angekündigt. Ziel war es, den Anteil der ökologischen Landwirtschaft von damals etwa drei Prozent auf 20 Prozent im Jahre 2010 zu erhöhen. Dafür ist die Preisfrage die entscheidende Frage. Denn viele Verbraucher bringen zwar ihre Sympathie für Bioprodukte zum Ausdruck, aber fast zwei Drittel geben als Grund für die Kaufzurückhaltung zu hohe Preise von Bioprodukten an.  Immerhin die Hälfte der Befragten findet Mehrpreise von zehn Prozent für Bio akzeptabel – und 40 Prozent würden sogar einen Öko-Zuschlag von 30 Prozent verstehen. Noch höhere Mehrpreise wollen die Wenigsten akzeptieren.

Enorme Preisunterschiede bei Fleisch

Bei Fleisch aus konventioneller und ökologischer Produktion sind die Preisunterschiede enorm. Ein Kilo Öko-Schnitzel kostet oft doppelt so viel wie ein Kilo herkömmliches Schnitzel.

Anhand dieses Beispiels hat foodwatch die Preisbildung untersuchen lassen. Ergebnis ist die Studie „Was kostet ein Schnitzel wirklich?“, in der das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) die Entstehung offener und verborgener Kosten auf allen Produktionsstufen bei der Erzeugung von Schweinefleisch dokumentiert und analysiert.

Die wesentlichen Ergebnisse:

Zum Zeitpunkt der Studie kostete ein Kilogramm herkömmliches Schnitzel rund 7 Euro – im Vergleich zu 13 Euro für ein Kilogramm Bio-Schnitzel. Fast das Doppelte. Wie kommt dieser Unterschied zustande?

Zweifelsohne haben Bio-Schweinehalter höhere Kosten als ihre konventionellen Konkurrenten. Sie müssen mehr für Ferkel und Futter, eine längerer Mastdauer, eine tiergerechtere Haltung und Personal ausgeben. Die Erzeugerpreise von Öko-Schnitzel liegen damit um 60 Prozent über denen für konventionelles Fleisch. Doch den Endverbraucherpreis beeinflussen die Kosten für eine andere Tierhaltung nicht wesentlich – sie tragen nur einige Cent zu dem Betrag bei, der im Handel ausgewiesen wird.

Ungleicher Wettbewerb

Die so großen Preisunterschiede zwischen Schweinefleisch in Ökoqualität und konventionellem Schweinefleisch im Supermarkt sind vor allem die Folge eines ungleichen Wettbewerbs. Der beginnt für konventionelle Unternehmen schon mit einem entscheidenden Startvorteil: Bei der konventionellen Fleischerzeugung fallen hohe Kosten für Umweltschäden an, die sich nicht auf die Verbraucherpreise auswirken. Denn nicht die Landwirte als Verursacher müssen die bei der Produktion eines Schnitzels entstehenden Umweltkosten bezahlen (und entsprechend einpreisen). Es handelt sich um Kosten für Schäden, die durch Kohlendioxid-Emissionen (Treibhauseffekt) sowie durch die Verschmutzung von Wasser mit Phosphaten, Nitraten und Pflanzenschutzmitteln verursacht werden – und für die die Allgemeinheit aufkommt. Bei der ökologischen Produktion fallen diese Kosten in weit geringerem Umfang an, weil zum Beispiel im Futteranbau auf Spritzmittel und Mineraldünger verzichtet wird. Bei der Erzeugung von einem Kilogramm Ökoschnitzel werden im Vergleich zur konventionellen Produktion eingespart:

  • 1/4 Energie
  • 3/4 der Stickstoffbelastungen
  • 3/4 der Treibhausbelastungen
  • 100 Gramm Mineraldünger
  • 1,5 Gramm Pflanzenschutzmittel.

Dafür fällt ein Mehrbedarf an von

  • etwa der Hälfte an Futter-Anbaufläche und 40 bis 95 Prozent an Arbeitszeit.

Müssten die Erzeuger von konventionellem Fleisch die wahren Umweltkosten (rund 45 Cent pro Kilo Fleisch) bezahlen, so würde sich die Differenz der Gesamtproduktionskosten im Vergleich zum Ökofleisch von 83 auf 38 Cent verringern (von 58 auf 20 Prozent). Statt 1,43 Euro pro Kilogramm müsste der konventionell wirtschaftende Landwirt 1,90 Euro pro Kilogramm verlangen. Die Umweltkosten der ökologischen Erzeugung sind weitaus geringer: Der Ökolandwirt müsste statt 2,26 Euro pro Kilogramm dann 2,28 Euro pro Kilogramm verlangen. Die Erzeugerpreise lägen damit nur 38 Cent auseinander.

Hohe Vermarktungskosten für Bio-Ware

Die enorme Differenz von mehreren Euro beim Endverkaufspreis kommt vornehmlich durch die hohen Vermarktungskosten für Ökofleisch zustande. Die Mengen des gehandelten Öko-Fleisches sind klein. Der Marktanteil betrug zum Zeitpunkt der Studie nur 0,5 Prozent, 61.000 Öko-Schweinen standen 10,5 Millionen Mastschweine gegenüber. Ökofleisch ist ein Nischenprodukt innerhalb des hochgradig rationalisierten Systems heutiger Schweinefleischproduktion. Deshalb sind die Vertriebskosten und die damit verbundenen Investitionen für gesonderten Transport, Schlachtung, Zerlegung und anschließende Verteilung von Ökofleisch in die Läden relativ hoch. Das senkt gleichzeitig die Nachfrage. Hohe Vertriebskosten und geringe Nachfrage bedingen sich gegenseitig.

Im Vergleich zu konventionellem Schweinefleisch fallen für ein Kilo ökologisch erzeugtes Schweinefleisch an:

  • 0,14 Euro höhere Kosten bis zum Schlachthof
  • 0,06 Euro höhere Schlachtkosten
  • 4,00 Euro höhere Kosten für den gesamten Vertrieb bis zur Ladentheke, sowie
  • bis zu 50 Prozent nicht als Ökofleisch verkäufliches „Verarbeitungsfleisch“.
  • Die Differenz der Endverkaufspreise wird durch den Umstand vergrößert, dass vom Ökofleisch nur die Edelteile (Schinken, Filet, Schnitzel) zu Ökopreisen abgesetzt werden können. So genanntes Verarbeitungsfleisch, zum Beispiel Bauch für die Herstellung von Wurst, muss dagegen größtenteils zum konventionellen Preis für die Wurstfabrikation abgesetzt werden. Das betrifft insgesamt etwa die Hälfte des Schlachtkörpers.
  • Entsprechende Absatzmöglichkeiten für Bio-Wurst sind nicht so weit entwickelt, dass alles Verarbeitungsfleisch auf diese Weise im Markt untergebracht werden könnte. Wenn neben den Edelstücken auch das Verarbeitungsfleisch zu ökologischen Preisen abgesetzt werden könnte, wären dagegen Preissenkungen bei den Edelstücken an der Ladentheke möglich.
  • Kleinmengenzuschläge bei Erfassung, Schlachtung und Weiterverarbeitung sowie die Tatsache, dass nur die Hälfte des Ökoschweins als Ökofleisch vermarktet werden kann, summieren sich zu Mehrkosten beim Vertrieb von Ökofleisch von insgesamt 4 Euro pro Kilogramm.

(Stand: 24.03.2004)

Nicht im Supermarkt muss eine „Agrarwende“ stattfinden, sondern in der Politik: Indem sie die ungleichen Wettbewerbsbedingungen beseitigt.

Unterstützt durch effektive Werbung und Kennzeichnung könnte die Anwendung des Verursacherprinzips bei den Umweltkosten den Absatz von Ökofleisch so stark ankurbeln, dass die verkaufte Menge ausreicht, um die Vertriebskosten für Ökofleisch von (zum Zeitpunkt der Studie)  9,30 Euro pro Kilogramm deutlich abzusenken. Mit beispielsweise 6 Euro pro Kilogramm könnte man sich dem Niveau der Vertriebskosten für konventionelle Ware annähern (5,30 Euro pro Kilogramm) und damit das Ökoschnitzel zu einem Endverkaufspreis von 8,70 Euro pro Kilogramm anbieten. Der Preisunterschied an der Ladentheke beliefe sich unter Einbeziehung der Umweltkosten nur auf rund 1,20 Euro.

Preis konventionell

Preis
ökologisch

Preisunterschied
in Euro

Preisunterschied
in Prozent

Erzeugerpreis (ohne Umweltkosten)

1,43 €

2,26 €

0,83 €

58 %

Erzeigerpreis (mit Umweltkosten)

1,90 €

2,28 €

0,38 €

20 %

Ab Schlachthof (ohne Umweltkosten)

1,66 €

2,70 €

1,04 €

63 %

Vertrieb (ohne Umweltkosten)

5,30 €

9,30 €

4,00 €

76 %

Thekenpreis (Durchschnitt, ohne Angebotsware)

7,00 €

13,00 €

6,00 €

86 %

Thekenpreis in Supermärkten, die konventionelles und Ökofleisch anbieten (Edeka Nord)

7,00 €

8,50 €

1,50 €

22 %

Thekenpreis (Durchschnitt, mit Umweltkosten)

7,50 €

12,02 €

4,52 €

60 %

Thekenpreis Edeka Nord (mit Umweltkosten)

7,50 €

8,52 €

1,02 €

14 %

(Stand: 24.03.2004)

Wenn mehr Ökofleisch im Supermarkt angeboten wird, führt das zu konkurrenzfähigen Preisen und höherem Absatz. Die Handelskette Edeka Nord vertrieb zum Zeitpunkt der Studie ihr Markenfleischprogramm „Gutfleisch“ sowohl in konventioneller Qualität als auch in Bio-Qualität. „Gutfleisch Bio“ machte dabei 10 Prozent des Fleischumsatzes aus (im Vergleich zu 0,5 Prozent Marktanteil von Ökofleisch bundesweit). Vergleichbare Zahlen gab auch der mittelständische Lebensmittelhändler tegut an. Der Thekenpreis für ein Kilo Öko-Schweineschnitzel betrug bei Edeka-Nord 8,50 Euro pro Kilogramm. Die Preisdifferenz zum konventionellen Fleisch belief sich damit auf nur 1,50 Euro oder 22 Prozent.

Im Unterschied zu anderen großen Lebensmittel-Ketten wurden viele Edeka-Filialen von selbstständigen Kaufleuten geführt. Diese nehmen das unternehmerische Risiko des Mehrpreises für Ökofleisch oftmals aus persönlicher Überzeugung in Kauf. Ähnliches gilt für den Eigentümer von tegut. In anderen Supermarktketten dagegen machen die Konzernzentralen strenge Vorgaben für die pro laufendem Meter Kühltheke innerhalb einer bestimmten Zeit zu verkaufenden Fleischmengen. Für sie sind die umgeschlagenen Ökofleischmengen zu klein, um sich zu rentieren.

Irreführende Werbung behindert Qualität

Auch die laxen Vorgaben für die Werbung für Fleisch verhindern einen größeren Absatz für Bio-Ware. So lange auch konventionelle Produkte mit idyllischen Bildern von glücklichen Schweinen und wohlklingenden, aber undefinierten Aussagen wie „artgerechte Tierhaltung“, „streng kontrollierte Tierhaltung“ etc. beworben werden, leuchtet manchen Verbrauchern der Vorteil von Bio-Produkten nicht ein.

(Stand: 24.03.2004)

Aus der Studie "Was kostet ein Schnitzel wirklich?" ergibt sich für foodwatch vor allem eine zentrale politische Forderungen: Wer die Umwelt schädigt, muss dafür aufkommen. Die Fleischerzeugung muss mit entsprechenden Abgaben (zum Beispiel Stickstoffabgabe, Pestizidabgabe) belastet werden, um bei den Produzenten Anreize für möglichst umweltverträgliches Handeln zu schaffen.

Die Anwendung dieses Verursacherprinzips stellt einen wichtigen Anreiz für den Einsatz von umweltverträglicheren Verfahren auch in der konventionellen Agrarwirtschaft dar. Das Verursacherprinzip leistet einen Beitrag zu mehr Kostenwahrheit. Die bisherige Situation bürdet diese Kosten der Allgemeinheit auf und führt zu Wettbewerbsnachteilen für ökologische Produzenten.

Die aus der Anwendung des Verursacherprinzips resultierende geringere Preisdifferenz auf der Erzeugerebene wird Angebot von und Nachfrage nach hochwertigem konventionellen Fleisch und Ökofleisch signifikant erhöhen.

(Stand: 24.03.2004)