Die Öko-Verordnung – Regelwerk mit Schwachstellen
Lebensmittel, die den Begriff „bio“ oder „öko“ im Namen führen wollen, müssen die Kriterien der Öko-Verordnung der Europäischen Union (EU) erfüllen. Die Regeln sind in vielerlei Hinsicht strenger als für konventionelle Produkte. Doch es bleiben auch Schwachstellen – und die sorgen dafür, dass „Bio“ nicht immer das ist, was sich die Verbraucher unter dieser Bezeichnung vorstellen.
Eine Apfel-Birnen-Limonade, in der weder Apfel- noch Birnensaft drin ist und von deren Zutaten gerade einmal der Zucker aus ökologischem Anbau stammt. Eine Tomate aus Südspanien, die nicht nur weite Transportwege bis in den brandenburgischen Supermarkt hinter sich hat, sondern die aus einer so trockenen Region stammt, dass erst der Einsatz von Unmengen Wasser Landwirtschaft überhaupt möglich macht. Wenig natürlich bzw. wenig ökologisch sind diese Produkte (und über die Arbeitsbedingungen der Menschen schweigen sich EU-Gesetzgeber und Ökobranche vollends aus) – doch Limonade wie Tomate tragen das staatliche Bio-Siegel. Möglich macht es die europäische Öko-Verordnung.
Wo „Bio“ drauf steht, muss Öko-Verordnung drin sein
Das Gesetzeswerk enthält die allgemein verbindlichen Grundsätze der ökologischen Landwirtschaft und regelt die ökologische Erzeugung von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln. Oder einfacher: Was sich „bio“ oder „öko“ nennen und das Bio-Siegel tragen will, muss die Regeln der Öko-Verordnung einhalten – mindestens. Sie enthält außerdem Bestimmungen zur Kennzeichnung, Verarbeitung und Vermarktung von Öko-Produkten sowie zur Einfuhr von ökologischen Produkten in die Europäische Union. Detaillierte Regelungen zum Import sowie eine Positivliste von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie Zusatz- und Hilfsstoffen sind darüber hinaus in so genannten Durchführungsverordnungen geregelt.
Küken in den Schredder – das gibt es auch bei Bio
Wie viel „bio“ steckt also in einem Bio-Produkt? Jedenfalls nicht immer so viel, wie mancher Verbraucher erwarten mag. Beispiele: Die Öko-Verordnung schränkt beispielsweise den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel stark ein, sie verbietet die Verwendung von Mineraldünger sowie gentechnisch veränderten Organismen (Verunreinigungen sind allerdings erlaubt). Außerdem macht sie Tierhaltern wesentlich strengere Vorgaben für die Aufstallungsbedingungen (Platzbedarf, Herdengröße) als in der konventionellen Landwirtschaft. Dennoch gibt es in der Praxis von Betrieb zu Betrieb gravierende Unterschiede bezüglich der Tiergesundheit und damit mehr oder weniger artgemäße Bedingungen für die Tiere. Zudem sind bestimmte Praktiken und Auswüchse verdinglichenden Umgangs mit Nutztieren auch in der ökologischen Tierhaltung zulässig: Männliche Küken von Legehennenrassen werden routinemäßig auch für die „ökologische“ Eiererzeugung als unbrauchbar aussortiert – und geschreddert.
Zusatzstoffe unter dem Bio-Siegel
Auch E-Nummern gibt es unter dem Bio-Standard. Die gute Nachricht ist, dass die Ökoverordnung wesentlich strenger ist als die Gesetze für konventionelle Lebensmittel: Gegenüber rund 320 Zusatzstoffen erlaubt sie nur etwa 50 Zusatzstoffe. Darunter sind jedoch auch einige problematische Substanzen. Erlaubt ist beispielsweise das umstrittene Nitritpökelsalz, das häufig in Fleischprodukten zur Konservierung und zur Stabilisierung einer rosig-roten Farbe eingesetzt wird. Nitrit gilt als problematisch, weil sich daraus im menschlichen Magen krebserregende Nitrosamine bilden können. Zugelassen ist auch das umstrittene Carrageen (E 407). Das Verdickungsmittel wird häufig Milchprodukten zugesetzt, um eine Aufrahmung zu vermeiden. Die physiologische Wirkung der Substanz, die aus Rotalgen gewonnen wird, ist umstritten. Im Tierversuch führt sie zu Geschwüren und Veränderungen im Immunsystem. Herstellerverbände wie Demeter und Bioland verzichten auf Carrageen und Nitritpökelsalz – wegen der möglichen Gesundheitsgefahr.
Schlagsahne: Schütteln statt Carrageen
Wie überflüssig deren Einsatz ist, zeigt ein Kampagnenerfolg von foodwatch aus dem Jahr 2006. Nach Kritik am Carrageen-Einsatz in der „BioBio Schlagsahne“ des – damals noch unter diesem Namen firmierenden – Discounters Plus strich dieser den Zusatz aus der Rezeptur. Ersatzlos. Nicht mehr der Zusatzstoff, sondern der Hinweis „Vor dem Öffnen gut schütteln“ soll seither verhindern, dass sich das Fett aus der Sahne absetzt. Schütteln statt Carrageen: So einfach kann der Verzicht auf Zusatzstoffe sein.