Die 5 größten Mythen über die Limo-Steuer

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Die Debatte rund um die Einführung einer Steuer auf zuckerhaltige Getränke verläuft alles andere als sachlich. Zumindest, wenn man sich die Argumente der Industrie anhört. Zuckerlobby und Getränkekonzerne versuchen mit allen Mitteln, die von Ärzteverbänden, Verbraucherorganisationen und Krankenkassen geforderte Steuer zu diskreditieren. Auch unter Verbraucher:innen kursieren falsche Annahmen. foodwatch entlarvt die fünf größten Mythen:

Die Limo-Steuer sei „eine staatliche Zwangsdiät für ökonomisch Benachteiligte“ behauptet Christoph Minhoff, Chef-Lobbyist der Lebensmittelbranche. Auch die Europäische Vereinigung der Softdrink-Hersteller UNESDA verbeitet die Mär, die Limo-Steuer belaste vor allem Menschen mit wenig Geld.

Genau das Gegenteil ist der Fall: Gerade Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status profitieren besonders stark von einer Limo-Steuer. Denn Menschen aus der unteren Schicht (definiert nach Ausbildung, beruflicher Stellung und Einkommen) trinken drei- bis viermal so viel Limonade wie Menschen aus der oberen Schicht. Sie sind deutlich öfter von chronischen Krankheiten betroffen und sterben früher.

Wenn eine nach Zuckergehalt gestaffelte Limo-Steuer also zu zuckerärmeren Rezepturen führt, nehmen insbesondere Menschen mit niedrigem sozialen Status deutlich weniger Zucker über Süßgetränke auf und verringern somit ihr Risiko, an ernährungsbedingten Krankheiten wie Typ 2-Diabetes zu erkranken.

Die Erfahrung mit der Limo-Steuer in Großbritannien zeigt außerdem: Die Steuer macht Süßgetränke nicht zwangsläufig teurer. Reduzieren die Hersteller den Zuckergehalt auf unter fünf Prozent, können sie die Steuer umgehen. Wenn sich einige Getränke dennoch verteuern, würden einkommensschwächere Haushalte dadurch zwar stärker belastet – aber gerade weil Menschen mit niedrigerem sozialen Status preissensibler und besonders häufig von ernährungsbedingten Krankheiten betroffen sind, können steuerliche Anreize hier eine stärkere gesundheitsfördernde Wirkungen zeigen. So zeigte sich beispielsweise in Mexiko nach Einführung einer Limo-Steuer der stärkste Konsumrückgang von gesüßten Getränken bei den ärmsten Bevölkerungsschichten – begleitet von einem Anstieg des Wasserkonsums. Auch in Großbritannien werden die größten gesundheitsfördernden Effekte der Limo-Steuer bei den am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen erwartet. Um eine gesunde Ernährung insgesamt zu fördern, sollte die Mehrwertsteuer für Obst, Gemüse und andere gesunde Lebensmittel abgeschafft werden. 

Es gebe keine ausreichenden Belege dafür, dass eine Zuckersteuer das Auftreten von Adipositas und Übergewicht verringert, behauptet die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker.

Fakt ist: Egal, ob es um die Lebensmittelampel, Junkfood-Werbeschranken zum Kinderschutz oder die Limo-Steuer geht: Die Lebensmittellobby versucht ernährungspolitische Maßnahmen zu verhindern, indem sie Zweifel an ihrer Wirksamkeit sät. Dazu muss man klarstellen: Niemand behauptet, dass sich mit einer einzelnen Maßnahme wie der Limo-Steuer die Adipositas-Epidemie in Luft auflösen wird. Fachorganisationen wie die Weltgesundheitsorganisation oder die Deutsche Allianz nichtübertragbare Krankheiten (DANK) sagen klar: Es braucht ein ganzes Maßnahmenpaket, um die hohe Prävalenz von Adipositas und anderen ernährungsbedingten Krankheiten wirksam zu bekämpfen. Eine Limo-Steuer ist zentraler Bestandteil dieses Pakets. Denn es ist wissenschaftlich unumstritten, dass Süßgetränke eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Adipositas und Typ-2-Diabetes spielen. Tatsächlich sind die positiven gesundheitlichen Auswirkungen einer Limo-Steuer beispielsweise in Großbritannien gut belegt:  

  • Der Zuckerkonsum über Getränke hat sich durch die Einführung der Steuer durchschnittlich bei Kindern um drei Gramm täglich und bei Erwachsenen um fünf Gramm täglich reduziert.
  • Die Steuer hat über 5.000 Fälle von Adipositas jährlich allein bei Sechstklässlerinnen verhindert.
  • Eine weitere Studie kam zu dem Ergebnis, dass durch die Steuer zehn Jahre nach Einführung 64.100 weniger Kinder und Jugendliche als übergewichtig oder adipös eingestuft werden.

Für Deutschland hat die Technische Universität München mit der Universität Oxford berechnet, dass mit einer gestaffelten Limo-Steuer bis zu 16 Milliarden Euro Gesundheitskosten eingespart und hunderttausende Krankheitsfälle verhindert werden könnten.

Für die positiven gesundheitlichen Effekte der Limo-Steuer liegt eine beeindruckende wissenschaftliche Evidenz vor. Gegen sie sprechen keine vernünftigen Argumente – außer das Interesse der Hersteller, weiterhin ungestört Profite auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung zu machen.

Auch einige Verbraucher:innen sind skeptisch, wenn es um die Limo-Steuer geht. Eine Followerin unserer Instagramseite kommentierte etwa: „Wenn dann überall Süßstoffe drin sind, wäre die Zuckersteuer ein Bärendienst!”

In Großbritannien hat die Steuer auf zuckerhaltige Getränke tatsächlich dazu geführt, dass viele Hersteller einen Teil des Zuckers durch Süßstoffe ersetzen. Aus Sicht von foodwatch ist das ein vergleichsweise kleineres Übel, aber dennoch ein Übel.  

Zunächst einmal: Die gesundheitsschädliche Wirkung von Zucker ist klar und eindeutig belegt – der regelmäßige Konsum zuckergesüßter Getränke fördert nachweislich Übergewicht und Adipositas, Typ 2-Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Karies, Leberkrebs und Gicht.

Bei Süßstoffen ist die Datenlage weniger eindeutig. Laut Deutscher Adipositas Gesellschaft kann empfohlen werden, Getränke mit kalorienfreien oder kalorienarmen Süßungsmitteln zur Prävention von Adipositas gegenüber Getränken mit Zucker vorzuziehen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Süßstoffe dagegen nicht als Mittel zur Gewichtskontrolle. Positive Effekte auf das Körpergewicht durch den Ersatz von Zucker durch Süßstoffe seien nur in kürzeren Zeiträumen beobachtet worden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält die Datenlage für eine abschließende gesundheitliche Risikobewertung von Süßungsmitteln für nicht ausreichend. So könne das Institut nicht abschließend beurteilen, ob der Konsum süßstoffgesüßter Getränke das „Risiko für neuredegenerative Krankheiten erhöht oder die Darmflora in klinisch bedeutsamen Maße“ beeinflusst. Das BfR weist zudem insbesondere im Hinblick auf Risikogruppen wie Kinder und Vorerkrankte oder im Hinblick auf mögliche Cocktaileffekte auf eine unzureichende Datenlage hin.

Zusammenfassend kann man sagen: Zucker ist eindeutig gesundheitsschädlich. Bei Süßstoffen gibt es Hinweise, dass dem so sein könnte – und vieles ist schlicht noch nicht ausreichend erforscht. Außerdem tragen auch Süßstoffe zur allgemeinen Süßgewöhnung bei. foodwatch fordert daher, süßstoffgesüßte Getränke ebenfalls mit einer Abgabe zu belegen, so dass sowohl der Zucker- als auch der Süßstoffgehalt von Getränken sinkt und die Getränke tatsächlich weniger süß werden.

Statt über die gesundheitlichen Folgen des Zuckerkonsums, redet die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker lieber ganz allgemein über Kalorien: „Um das eigentliche Ziel zu erreichen – Übergewicht und die damit verbundenen gesundheitlichen Folgen zu bekämpfen – bleibt die Kalorienbilanz entscheidend. Deshalb müssen die Kalorien in den Mittelpunkt gerückt werden, die Regulierung einzelner Nährstoffe wie Zucker ist dafür eindeutig der falsche Weg.“

Diese Taktik ist durchschaubar: Seit Jahren versucht die Zuckerlobby uns weiszumachen, dass Zucker per se nicht schädlich ist, sondern lediglich die darin enthaltenen Kalorien. Wenn man diese nur abtrainiere und seine Kalorienbilanz im Gleichgewicht hielte, sei also alles gut. Dieser Logik zufolge ist es also völlig gleichgültig, ob man eine Schüssel Haferflocken oder eine Schüssel Zucker frühstückt – beides enthält vier Kalorien pro Gramm.

Tatsächlich ist wissenschaftlich längst belegt, dass Kalorien aus unterschiedlichen Nährstoffen vom Körper auch ganz unterschiedlich verstoffwechselt werden. Fakt ist: Zucker fördert unabhängig vom Kaloriengehalt die Bildung von Körperfett. In einer Studie erhielten Kindern mit Adipositas neun Tage lang Mahlzeiten mit dem gleichen Kaloriengehalt und der gleichen Nährstoffzusammensetzung wie üblich, der Zucker wurde aber durch Stärke ersetzt. Das Ergebnis: Bereits nach neun Tagen gingen Bauch- und Leberfett dieser Kinder deutlich zurück. Eine weitere Studie mit Ratten hat gezeigt, dass diese, wenn sie eine fettarme, aber zuckerreiche Diät zu sich nehmen, stärker zunahmen als die Kontrollgruppe mit einer zuckerarmen, aber sogar kalorienreicheren Diät.

Hinzu kommt: Bei der Menge an Zucker und damit an Kalorien, die etwa in süßen Limonaden steckt, ist es sehr schwer, eine ausgewogene Energiebilanz zu bewahren. Eine Dose Coca-Cola enthält etwa 35 Gramm Zucker – das sind etwa zwölf Zuckerwürfel und 140 Kilokalorien. Die Cola ist schnell mal nebenbei getrunken, sie flutet den Körper mit überzähligen Kalorien, lässt den Blutzuckerspiegel in die Höhe schnellen, stimuliert die Bildung des Hormons Insulin und damit die Fettablagerung im Körper. All das, ohne zu sättigen. Wissenschaftlich ist eindeutig belegt: Wer regelmäßig zuckrige Getränke trinkt, erhöht sein Risiko für Adipositas, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen.

„Werden Limos, Colas und Energy-Drinks bald teurer?” heißt es in Medienberichten, wenn Forderungen nach der Limo-Steuer laut werden.

Fakt ist: In Großbritannien hat die nach Zuckergehalt gestaffelte Limo-Steuer lediglich bei den stark gesüßten Getränken zu Preiserhöhungen geführt. Die allermeisten Hersteller haben den Zuckergehalt in ihren Getränken unter fünf Prozent gesenkt. So konnten sie der Abgabe entgehen – und die Getränke wurden auch für die Verbraucher:innen nicht teurer. Die Hersteller, die den Zuckergehalt ihrer Getränke nicht senken wollten und die Abgabe zahlen müssen, haben diese Mehrkosten nur teilweise an die Verbraucher:innen weiter gereicht. Insgesamt hat die Limo-Steuer dem Konsum von Erfrischungsgetränken in Großbritannien keinen Abbruch getan - nur trinken die Menschen jetzt eben zuckerärmere Produkte.