Um die höchstmögliche Genauigkeit, Wiederholbarkeit und Zuverlässigkeit für die Produktuntersuchungen zu gewährleisten, hat foodwatch zwei Labore mit der Durchführung der Untersuchungen beauftragt.
Die von foodwatch gewählte Analysemethode wurde von der EU-Kommission in ihrer im Februar 2019 veröffentlichten "Guidance on sampling, analysis and data reporting for the monitoring of mineral oil hydrocarbons in food and food contact materials" als Methode der Wahl eingestuft (Übersetzung von foodwatch):
"Die Kombination aus LC, die MOSH von MOAH trennt, und GC-FID zur Quantifizierung ermöglicht eine angemessene Bestimmung des MOSH- und MOAH-Gehalts. In den GC-FID-Chromatogrammen der MOSH- und MOAH-Fraktionen können weitere Fraktionen auf der Grundlage der Retentionszeit der entsprechenden n-Alkane unter denselben chromatographischen Bedingungen definiert werden. Im Einvernehmen mit der EFSA wurde beschlossen, Daten für Mineralöle mit bis zu n-C50 Atomen in ihren Molekülen zu sammeln, um die Zusammensetzung einiger Schmieröle mit schwereren Ölfraktionen widerzuspiegeln."
Kap. 4.3, S. 11-12
Produkte, in denen potenziell krebserregende MOAH-Mineralölbestandteile gefunden wurden, wurden unabhängig voneinander von zwei verschiedenen Labors getestet. Dazu wurden diese Produkte mit speziellen, technisch aufwendigen Nachweismethoden auf sogenannte "Marker", d.h. Referenzsubstanzen aus Soffen, in denen Mineralöl enthalten ist (z.B. Schmierstoffe), untersucht.
Ein höheres Maß an Sicherheit der Ergebnisse ist anhand der guten Laborpraxis und Analysetechnik kaum zu erreichen.
Mineralöle kommen in der Umwelt des Menschen in vielen Bereichen vor. Sie wurden – unter anderem von foodwatch – bereits in zahlreichen Lebensmitteln, wie zum Beispiel Reis, Nudeln, Schokolade und Speiseölen nachgewiesen, sind aber auch in Verpackungen, Kinderspielzeug, Futtermitteln und Kosmetika zu finden.
Nach Angaben der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) haben verschiedene Gruppen von Mineralölen – MOSH und MOAH – unterschiedliches toxikologisches Potenzial.
Aufgrund der genotoxischen und mutagenen Eigenschaften bestimmter MOAH ist die französische Behörde für Lebensmittelsicherheit (ANSES) der Ansicht, dass der Verringerung einer Lebensmittelkontamination durch diese Verbindungen Priorität eingeräumt werden sollte. Die ANSES empfiehlt, die Exposition von Verbrauchern gegenüber Mineralölen (MOHs) und insbesondere MOAHs zu begrenzen, indem zunächst die Hauptquellen von Mineralölen in Papier- und Kartonverpackungen angegangen werden. Die ANSES empfiehlt die Verwendung von Barrieren, um die Migration von Mineralölkohlenwasserstoffen (MKW, engl. MOH) aus Verpackungen in Lebensmittel zu begrenzen.
Die Aufnahme von MOAH sollte generell vermieden werden, da "ein mögliches krebserregendes Potential [...] nicht ausgeschlossen werden kann". Da zudem keine toxikologischen Daten zur Bewertung vorliegen, konnte bisher keine tolerierbare Menge für die Aufnahme abgeleitet werden. Eine endgültige Risikobewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) steht noch aus.
MOSH können vom Körper leicht aufgenommen werden und sich im Fettgewebe anreichern. Bei Versuchen mit Ratten führten diese in bestimmten Organen zu Schäden. Je nach Anzahl der Kohlenstoffatome (Kettenlänge) und der Zähigkeit (Viskosität) können die MOSH in Organen des menschlichen Körpers angereichert werden, einige Fraktionen gelten nach Auffassung der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA als besorgniserregend. Es werden jedoch nur MOSH mit einer Kettenlänge größer als 16 Kohlenstoffatomen (C16) im Körper angereichert.
Im Januar 2017 beschloss die EU-Kommission, "Mineralölkohlenwasserstoffe in Lebensmitteln und Materialien und Gegenständen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen", zu überwachen. Die daraus resultierenden Daten sind noch nicht verfügbar und werden für 2022 erwartet. Die EFSA wird diese für die Bewertung heranziehen.
Im Juli 2019 wurde eine Studie des niederländischen Nationalen Instituts für öffentliche Gesundheit und Umwelt (RIVM) veröffentlicht, die neue toxikologische Daten auswertet und mit Verbrauchsdaten verknüpft. Das RIVM hält die ernährungsbedingte Exposition der niederländischen Bevölkerung gegenüber MOSH für gesundheitlich nicht bedenklich. Die Exposition gegenüber MOAH wird vom RIVM jedoch als problematisch angesehen, da sich unter ihnen Stoffe mit krebserregender Wirkung befinden. Allerdings gelten nicht alle Mineralöle, die MOAH enthalten, als krebserregend. Daher müssen MOAH nach ihrer Herkunft unterschieden werden. Diejenigen, die potenziell krebserregende MOAH-Verbindungen enthalten, sollten auf ein Minimum reduziert werden, z.B. rohe und erhitzte Öle.
In Deutschland haben die Landesarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV) und der Lebensmittelverband Deutschland im Juni 2018 ein gemeinsames Projekt zur Ableitung von sogenannten "Orientierungswerten für Mineralölkohlenwasserstoffe (MOH) in Lebensmitteln" gestartet.
- Basierend auf einer umfangreichen Datenerhebung wurde im März 2019 die erste Liste mit Orientierungswerten für drei Lebensmittelkategorien veröffentlicht. Diese wurde zweimal aktualisiert (Juni 2020 und August 2021) und um weitere Produktkategorien ergänzt.
- Die Werte gelten ab sofort für acht Produktgruppen auf dem Markt und stellen den Stand der guten Herstellungs- und Verpackungspraxis dar. Öle/Fette aus tropischen Pflanzen (z.B. Kokosnussöl) wurden jedoch "aufgrund unzureichender Daten" bisher nicht in diese Liste aufgenommen.
- Für MOAH gilt die analytisch erreichbare Bestimmungsgrenze (LOQmax) für jede der dort aufgeführten Produktkategorien gemäß den technischen Leitlinien der GFS.
- In Deutschland haben sich die Lebensmittelüberwachungsbehörden und die Lebensmittelindustrie darauf geeinigt, dass für MOAH die analytisch erreichbare Bestimmungsgrenze (LOQmax gemäß dem technischen Leitfaden des JRC) für jede der acht aufgeführten Produktkategorien gilt.
- Für MOSH gibt es differenzierte Richtwerte, die zwischen 4 mg/kg (z. B. für Nüsse, Ölsaaten, Kokosnüsse, Erdnüsse und Trockenfrüchte) und 22 mg/kg (Milch und Milcherzeugnisse) liegen.
Mögliche Kontaminationsquellen gibt es entlang der gesamten Produktionskette von Lebensmitteln, d.h. von der Ernte der Rohstoffe über die mechanische Bearbeitung der Produkte im Herstellungsprozess bis hin zur Kontamination durch die verwendete Verpackung sind unterschiedliche und sogar mehrfache Eintragsquellen denkbar.
Auch die Verwendung verschiedener Rohstoffe kann zu mehrfachen Einträgen in das Lebensmittel führen. Beispielsweise kann die Verwendung von ungeeigneten, weil verunreinigten Rohstoffen, wie Palm- und Kokosölen/-fetten zu Einträgen von Mineralöl führen.
Siehe Spalte "Chargennummer" in den Tabellen des Projektberichts.
Bei der Mehrzahl der positiv auf MOAH getesteten Produkte (> 0,5 mg/kg) wurde eine weitere, zweite Charge getestet. Bei den meisten Produkten der zweiten getesteten Charge wurde der Gehalt an MOAH bestätigt. Es zeigte sich jedoch auch, dass bei Nutella (Deutschland) in einer Charge 2,3 mg/kg MOAH nachgewiesen wurden und in einer anderen Charge kein eindeutiger Nachweis bis zur Grenze von < 1,0 mg/kg erfolgte. Und bei Lindt Lindor Milchschokolade (Österreich) gab es signifikante Unterschiede: so war eine Charge mit 3,3 mg/kg und eine andere Charge mit 0,98 mg/kg kontaminiert.
foodwatch appelliert an alle Hersteller sowie Händler von Eigenmarken:
- unverzüglich öffentliche Produktwarnungen in allen Mitgliedstaaten zu veranlassen, in denen ihre MOAH-kontaminierten Produkte verkauft werden, und die Produkte sofort aus dem Verkauf zu nehmen;
- jegliche Kontamination mit potenziell krebserregenden MOAH-Mineralölbestandteilen zu verhindern und sich öffentlich zu verpflichten, nur Lebensmittel zu verkaufen, die keine nachweisbaren MOAH enthalten.
foodwatch appelliert an alle zuständigen Behörden auf nationaler und EU-Ebene:
- gesetzlich klarzustellen, dass der analytische Nachweis von MOAH gemäß der einschlägigen GFS-Leitlinie zur Folge hat, dass das Produkt nicht verkehrsfähig im Sinne von Artikel 14 des Allgemeinen Lebensmittelgesetzes (EU VO 178/2002) ist.
- unverzüglich entsprechende Anforderungen für MOAH in der EU-Kontaminantengesetzgebung für alle Lebensmittelkategorien festzulegen und keine Ausnahmen zuzulassen.
- in der EU-Kontaminantengesetzgebung für alle Lebensmittelkategorien Anforderungen an MOSH festzulegen, die im Sinne des ALARA-Prinzips Abweichungen von einem regulären Höchstwert von 2 mg MOSH/kg Lebensmittel nur dann zulassen, wenn eine wissenschaftlich begründete Notwendigkeit dafür besteht. Die Ausnahmen sind sowohl in Bezug auf die Lebensmittelkategorien als auch auf die Ausnahme für die Überschreitung von 2 mg MOSH/kg Lebensmittel so eng wie möglich zu definieren.
foodwatch kann diese Frage nicht für alle auf dem Markt befindlichen Produkte mit Sicherheit beantworten, da uns nur für die von uns getesteten Produkte Labordaten vorliegen. Unsere Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass Mineralölverunreinigungen in bestimmten Lebensmitteln immer noch ein Thema sind.
Nein, bisher nicht.
Die wissenschaftliche Diskussion über die Gefährlichkeit bestimmter Mineralölbestandteilen wird seit vielen Jahren intensiv geführt. Bisher gibt es allerdings noch keine gesetzlich festgelegten Grenzwerte für die Belastung von Lebensmitteln durch Mineralöle.
Mineralöle sind in vielen Bereichen der menschlichen Umwelt zu finden. In zahlreichen Lebensmitteln wie Reis, Nudeln, Schokolade und Speiseölen, aber auch in Verpackungen, Kinderspielzeug, Tierfutter und Kosmetika sind sie bereits nachgewiesen worden - auch durch Untersuchungen im Auftrag von foodwatch.
MOAH
Es besteht Einigkeit darüber, dass aromatische Mineralölverbindungen (sogenannte MOAH) Krebs verursachen können, wenn die Moleküle aus mehr als zwei Ringsystemen bestehen. Daher sind solche MOAH unerwünscht und sollten nach Ansicht der zuständigen Behörden (EFSA, ANSES, BfR, RIVM) nicht in Lebensmitteln enthalten sein. In Frankreich ist die ANSES der Ansicht, dass angesichts des nachgewiesenen genotoxischen und mutagenen Charakters bestimmter MOAH einer Verringerung der Kontamination von Lebensmitteln durch diese Verbindungen Priorität eingeräumt werden sollte.
Es wird derzeit diskutiert, ob es toxikologische Unterschiede zwischen 1- bis 2-Ring-Systemen und den mehr als 3-Ring-Systemen von MOAH gibt. Allerdings gibt es weder von Seiten der Hersteller noch von wissenschaftlicher Seite Analysemethoden, die eine Unterscheidung nach Ringsystemen in Lebensmitteln ermöglichen. Mangels spezifischer Informationen über das Vorhandensein von 3-7 polyzyklischen aromatischen Verbindungen (PAC) sollte nach Ansicht der EFSA jeder Nachweis von MOAH in Lebensmitteln als potenziell besorgniserregend für die menschliche Gesundheit betrachtet werden.
Daher ist jeder Nachweis von MOAH in Lebensmitteln aus Sicht von foodwatch im Sinne des gesundheitlichen Verbraucherschutzes von gesundheitlicher Relevanz. Der Verkauf solcher Produkte ist inakzeptabel.
foodwatch fordert den europäischen Gesetzgeber und die nationalen Regierungen seit sechs Jahren dazu auf, Höchstgehalte für den Nachweis von Mineralölen in Lebensmitteln gesetzlich festzulegen. Für aromatische Mineralöle, die im Verdacht stehen, krebserregend zu sein, fordern wir, den Höchstwert auf den geringsten Nachweis von MOAH festzulegen.
Mit anderen Worten: Jede Spur von MOAH, die in Lebensmitteln nachgewiesen wird, sollte bedeuten, dass das Produkt nicht verkehrsfähig ist und daher nicht verkauft werden darf. Es muss in der Verantwortung eines jeden Herstellers und Händlers liegen, sicherzustellen und jederzeit nachweisen zu können, dass in ihren Lebensmitteln KEINE krebserregenden MOAH nachweisbar sind.
MOSH
Für die aliphatischen Mineralöle (MOSH) fordert foodwatch – im Einklang mit dem wissenschaftlichen Diskurs – die Festlegung strenger Höchstwerte und eine kontinuierliche Minimierung. Der Höchstwert von 2 Milligramm MOSH pro Kilogramm Lebensmittel sollte nur in genau definierten Ausnahmefällen für bestimmte Lebensmittelkategorien (z.B. pflanzliche Öle und Fette, Molkereiprodukte) mit entsprechendem Nachweis durch den Hersteller überschritten werden.
Die Europäische Kommission hat im Januar 2017 ein EU-weites Überwachungsprogramm gestartet, zu dem bisher aber noch keine Ergebnisse veröffentlicht wurden. Ziel ist es, eine breite Datenbasis zu schaffen, um daraus Höchstwerte abzuleiten. Das Überwachungsprogramm wurde verspätet gestartet und ist entgegen der ursprünglichen Absicht der Europäischen Kommission noch nicht bis Dezember 2021 abgeschlossen.
Das Problem der Verunreinigung von Lebensmitteln mit Mineralölbestandteilen ist seit vielen Jahren bekannt. In jüngster Zeit lag der Schwerpunkt auf Analyse und Vermeidung der Migration von Mineralölkomponenten aus recycelten Kartonverpackungen in Lebensmittel. Darüber hinaus wurden verschiedene Möglichkeiten untersucht, wie Mineralöle bei der Ernte, dem Rohstofftransport und den Produktionsprozessen in die Lebensmittelkette gelangen können. Bei pflanzlichen Lebensmitteln wurden in verschiedenen Bereichen Fortschritte erzielt. Zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs gibt es bisher nur wenige oder gar keine Daten. Das gilt auch für die von foodwatch 2019 untersuchten Milchersatzprodukte für Babys.
foodwatch geht davon aus, dass sich die Hersteller der Problematik von Verunreinigungen ihrer Produkte durch Mineralöl bewusst sind.
foodwatch wird sich weiterhin für mehr Engagement von Seiten der Unternehmen und für eine europäische Verordnung einsetzen, die sicherstellt, dass ALLE Lebensmittel
- keine nachweisbaren (krebserregenden) MOAH und
- maximal 2mg/kg MOSH (mit Ausnahmen, die wissenschaftlich begründet sind) enthalten.
Mehrere große Einzelhändler haben sich nach den ersten Testergebnissen, die foodwatch 2015 veröffentlicht hatte, bereits zu solchen Maßnahmen verpflichtet. Wir warten jedoch noch immer auf ähnliche Verpflichtungen von den übrigen Einzelhändlern und Lebensmittelunternehmen wie Unilever oder Lindt. Selbstverpflichtungen auf freiwilliger Basis sind nicht ausreichend.
foodwatch fordert dringend eine Gesetzgebung auf europäischer Ebene, um alle europäischen Verbraucher zu schützen.
Es gibt keinen Grund, noch länger zu warten. Hier geht es um die öffentliche Gesundheit.