Der große Klima-Fake: Wie Konzerne uns mit Greenwashing täuschen
Update: Unser Protest hat sich gelohnt: Ende September haben sich die EU-Institutionen auf ein Verbot des Labels "klimaneutral" geeinigt: Auf Produkten darf diese Werbung nicht mehr stehen, wenn dafür Kompensationsprojekte bezahlt wurden. In der Praxis bedeutet das: Das irreführende klimaneutral Label wird von Produkten verschwinden. Ein toller Erfolg für den Verbraucherschutz.
Klimaneutral dank Ablasshandel
Immer mehr Menschen möchten einen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten – auch im Supermarkt. Die Lebensmittelindustrie nutzt dies schamlos aus und bewirbt ihre Produkte als klimafreundlich: Egal, ob Discounter-Milch, Wasser in Einwegplastikflaschen oder Babynahrung – auf vielen Produkten prangen Labels wie „CO2-neutral“, „klimaneutral" oder sogar „klimapositiv“. Doch das ist eine dreiste Lüge. Der Report „Der große Klima-Fake“ zeigt, wie die Lebensmittelindustrie uns mit grüner Werbung hinters Licht führt.
Unternehmen rechnen sich „klimaneutral“, indem sie CO2-Gutschriften von Klimaschutzprojekten kaufen. Mit dieser sogenannten Kompensation wollen sie ihre Emissionen ausgleichen. Das Problem: Viele drücken sich dabei vor echten Klimaschutzmaßnahmen im eigenen Betrieb. Und Kompensation macht die bei der Produktion entstandenen Emissionen nicht rückgängig. Zudem halten die Projekte häufig nicht, was sie versprechen.
Beispiel Hipp: Rindfleisch, aber klimapositiv
Der Hersteller von Babynahrung vermarktete Beikost-Gläschen als “klimapositiv”. Das ist eine dreiste Übertreibung und irreführend. Denn damit suggeriert Hipp, dass Fleisch kaufen besser für das Klima sei, als kein Fleisch zu kaufen. Dabei müssen Fleischkonsum und die Zahl der Nutztiere drastisch sinken, um die Klimakrise zu stoppen.
Der Vergleich mit pflanzlicher Nahrung belegt die Absurdität der Werbelüge: In einem Glas Hipp-Brei sind 0,051 Kilogramm Rindfleisch enthalten. Diese Menge an Rindfleisch im Glas emittiert schätzungsweise gleich viele Treibhausgase, wie 7 Kilogramm Karotten.
Wie kommt Hipp auf die Idee, Rindfleisch sei klimapositiv? Die Lösung ist – wieder mal – ein Marketingtrick: Laut Angabe des Herstellers werden 319 Gramm CO2 pro Glas emittiert. Zum vermeintlichen Ausgleich kauft das Unternehmen Gutschriften für 350 Gramm CO2 – etwa zehn Prozent mehr. Das Problem: Diese Art von Überkompensation ist bei vielen Organisationen bereits Standard, selbst wenn nur mit Neutralität geworben wird.
So wird aus „klimapositiv“ schnell klimaschädlich. Denn das Siegel könnte Verbraucher:innen zum Kauf von Babybrei mit Fleisch anregt, die ansonsten eine vegetarische Alternative ohne Klimalabel wählen würden.
Beispiel Volvic: Plastikwasser, aber klimaneutral
Auf dem Etikett des Volvic-Mineralwassers prangt das Label „Klimaneutral zertifiziert“. Dabei ist das Produkt alles andere als klimafreundlich: Einweg-Plastikflaschen sind schlechter für die Umwelt als Mehrwegflaschen. Und statt aus der Region wird das Volvic-Wasser größtenteils mit dem Lkw über weite Distanzen aus Frankreich nach Deutschland importiert.
Schlimmer noch: Statt auf mehr Schiene zu setzen, um die CO2-Bilanz wenigstens etwas zu verbessern ist der Anteil des Zugtransports innerhalb eines Jahres sogar um 10 Prozentpunkte auf magere 37 Prozent zurückgegangen.
Volvic gibt außerdem an, alle Einwegflaschen auf dem deutschen Markt aus recyceltem PET zu fertigen. Also wenigstens umweltfreundliches Plastik? Die Deutsche Umwelthilfe sieht das anders: „Selbst wenn Einweg-Plastikflaschen vollständig aus Rezyklat bestehen, sind sie nicht als ökologisch gleichwertig mit regionalen Mehrwegflaschen einzuschätzen. Da auch Mehrwegflaschen nach ihrem langen Produktleben recycelt werden, ist Mehrweg und Recycling umweltfreundlicher als Einweg und
Recycling.
Die “klimaneutral”-Werbung auf den Volvic-Flaschen birgt also das Risiko, dass Verbraucher:innen das Produkt für klimafreundlicher halten als regionale Alternativen oder Leitungswasser. Das wäre ein fataler Fehlanreiz für Klima und Umwelt.
Beispiel Aldi: Kuhmilch, aber klimaneutral
Aldi vertreibt die Fair & gut Landmilch 3,8 % Fett bereits seit November 2020 als „klimaneutral“. Doch der Konzern stellt keine effektive Reduktion der Treibhausgas-Emissionen sicher. Der Beweis: Die herstellende Molkerei Gropper, und damit auch Aldi, hatte nach eigenen Angaben im April 2022 noch nicht einmal einen Überblick darüber, wie hoch der CO2 -Ausstoß der Milchlieferbetriebe tatsächlich ist. Und auch verbindliche Reduktionsmaßnahmen für die Landwirt:innen fehlten. Dabei sind die Einsparungen auf den Höfen entscheidend, denn 89 Prozent der Emissionen für die Aldi-Milch stammen nach Angaben der Molkerei aus den Rohstoffen, also der Milchproduktion.
Auch das Kompensationsprojekt, von dem Aldi einen Teil seiner CO2-Gutschriften kauft, ist höchst fragwürdig. Neben foodwatch übte auch ZDF Frontal bereits Kritik, denn: Im Aufforstungsprojekt Guarané in Uruguay werden Monokulturen aus Eukalyptus angelegt, welche in Hitze- und Dürreperioden besonders brandgefährdet sind. Dabei kommen die Pestizide Glyphosat und Fipronil zum Einsatz. Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob überhaupt zusätzliches CO2 durch das Projekt gebunden wird.
Egal, wie man es also dreht: Von ernstem Klimaschutz kann bei Aldi keine Rede sein.
Klimafakes schaden Klima und Wettbewerb
Oft argumentieren Unternehmen, durch Klima-Claims würden finanzielle Anreize für den Klimaschutz geschaffen. Dabei schaden Klimafakes à la klimaneutral nicht nur dem Klima, sondern auch dem Wettbewerb: Denn durch ihre irreführenden Werbeaussagen verzerren sie den Markt und benachteiligen nachhaltigere Anbieter, die in wirkungsvolle Reduktionsmaßnahmen investieren. Diese haben keine Möglichkeit, sich von der irreführenden Konkurrenz abzusetzen, die sich für die vermeintliche Klimaneutralität nur freikaufen. Und für Verbraucherinnen und Verbrauchern ist es unmöglich eine informierte Wahl zu treffen und echte klimafreundliche Produkte zu erkennen.