Nachricht 22.08.2018

Erfolg: Hessen stoppt Subvention von Zuckermilch

Hessen hat das Aus für die Förderung gezuckerter Milch in Schulen angekündigt. Nordrhein-Westfalen will einen solchen Schritt prüfen und die Eltern befragen. Damit reagierten die beiden Landesregierung auf einen Offenen Brief von foodwatch. Neben NRW fördern nun nur noch Berlin und Brandenburg weiterhin gezuckerte Milchprodukte. 

„Wir nehmen Kakao aus dem Angebot!“, schrieb die hessische Verbraucherschutzministerin Priska Hinz am Freitag auf Twitter. Sie reagierte damit auf eine foodwatch-Kampagne gegen die Subvention gezuckerter Schulmilch. foodwatch hatte die vier Bundesländer Hessen, Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen mit Offenen Briefen an die zuständigen Minister und Senatoren sowie mit einer E-Mail-Aktion aufgefordert, die Zucker-Subvention zu stoppen.

 

Die Europäische Union will aus gesundheitlichen Gründen nur noch Produkte ohne Zuckerzusatz im Rahmen des Schulprogramms fördern. foodwatch-Recherchen zufolge hatten jedoch die vier genannten Bundesländer Ausnahmeregelungen geschaffen, um weiterhin auch gezuckerte Produkte subventionieren zu können – obwohl dies sogar den offiziellen, von der Bundesregierung initiierten Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für die Schulverpflegung widerspricht.

„Frau Hinz tut das einzig Richtige: Die absurde Praxis, mit Steuergeldern die Fehlernährung von Kindern zu fördern, hat in Hessen bald ein Ende. Daran sollten sich die Regierungen in Berlin, Brandenburg und NRW ein Beispiel nehmen und Zuckermilch nicht länger subventionieren. Kinder essen viel zu viel Zucker. Wer das mit Steuergeldern auch noch fördert, betreibt verantwortungslose Politik auf Kosten der Kindergesundheit.“
Oliver Huizinga Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch

Förderung der Milchwirtschaft statt der Kindergesundheit

Mit der Subvention gezuckerter Schulmilch soll in Hessen nun bald Schluss sein. Auch die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat auf die öffentliche Kritik reagiert. So will das zuständige Umweltministerium die Förderung von gezuckertem Kakao in seinem Schulmilchprogramm auf den Prüfstand stellen. „Wir evaluieren bis zu den Herbstferien“, schrieb Umweltministerin Ursula Heinen-Esser am späten Dienstagabend auf twitter. Eine Entscheidung solle dann unter „Beteiligung der Eltern“ fallen. Kriterien für die Evaluation nannte jedoch die Ministerin nicht. 

Von Berlin und Brandenburg gibt es bislang keine Stellungnahmen. Im Vorfeld der Kritik argumentierte das Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung in Brandenburg (LELF), das das Programm für die Bundesländer umsetzt, gegenüber foodwatch: Die „Überlegung“ sei, dass bei „Ausschluss der Milchmischgetränke“ von der Förderung „noch weniger Schulmilchprodukte nachgefragt“ werden. 

Mehr als elf Millionen Zuckerwürfel jährlich (33 Tonnen Zuckerzusatz) erhalten Kinder an Kindergärten und vor allem Schulen in Berlin und Brandenburg auf Staatskosten über subventionierte Milchmischgetränke, obwohl beide Landesregierungen die Förderung gesunder Ernährung zum politischen Ziel erklären. Das LELF verwies auf eine Studie, wonach Kakao ein Beitrag zur gesunden Ernährung leiste. Als Beleg nannte die Behörde einen PR-Newsletter des „Informationsbüro Schulmilch“ mit zahlreichen Verweisen auf das „Netzwerk Schulmilch“ – hinter beiden Initiativen steht die Landliebe Molkereiprodukte GmbH, ein Tochterunternehmen von FrieslandCampina. FrieslandCampina tritt in den Berlin, Brandenburg und NRW als Schulmilchlieferant auf.

EU-Förderprogramm für Schulessen erlaubt Ausnahmeregelungen

Zu Beginn des Schuljahres 2017/2018 hat die EU ihr Förderprogramm für das Schul- und Kitaessen überarbeitet. Im Rahmen dieses Programms fördert die EU die vergünstigte oder kostenlose Abgabe von Obst, Gemüse und Milchprodukten in Schulen und vorschulischen Bildungseinrichtungen wie Kindertagesstätten. Die in Deutschland zuständigen Bundesländer können die Mittel dafür bei der EU beantragen, wovon die meisten auch Gebrauch machen. Seit der Reform dürfen die subventionierten Lebensmittel keine Zusätze von Zucker, Salz, Fett oder Süßungsmitteln enthalten. In der Begründung für diese Änderungen verweist die EU ausdrücklich auf die Zunahme der Zahl fettleibiger Kinder.

Allerdings lässt die EU-Verordnung es zu, dass Mitgliedstaaten Ausnahmen von dieser Regelung schaffen. Recherchen von foodwatch hatten ergeben, dass die meisten Bundesländer eine Förderung gezuckerter Milchprodukte ausschließen. Berlin, Brandenburg, Hessen und NRW haben jedoch entsprechende Ausnahmegenehmigungen zur Förderung gezuckerter Milchprodukte geschaffen. Es handelt sich dabei um jene vier Länder, in denen FrieslandCampina als Schulmilchlieferant auftritt. Das Unternehmen – einer der größten Molkereien Deutschlands – beliefert insgesamt rund 5.000 Schulen.

foodwatch fordert Qualitätsstandards für Schulessen

Neben einer Korrektur der Schulmilchprogramme forderte foodwatch alle Bundesländer auf, Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für das Schul- und Kitaessen verpflichtend einzuführen. Die meisten Bundesländer lehnten das bislang aus Kostengründen ab. Zudem müssten Werbe- und Sponsoringaktivitäten der Lebensmittelindustrie in den Schulgesetzen verboten werden.

15 Prozent der Kinder und Jugendlichen gelten als übergewichtig – ein wesentlicher Grund dafür ist eine unausgewogene Ernährung. Besonders der zu hohe Konsum gezuckerter Lebensmittel wird von Ernährungswissenschaftlern, der Ärzteschaft und der Weltgesundheitsorganisation gleichermaßen bemängelt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sieht in ihren offiziellen Empfehlungen für die Verpflegung in Schulen keine Abgabe von Milchprodukten mit Zuckerzusatz vor.

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