Investigativ-Recherche: Exquisa, Weihenstephan, MinusL und Andechser Natur beziehen Milch aus tierquälerischer Anbindehaltung
Soko Tierschutz und foodwatch fordern: Kettenhaltung verbieten!
+++ Hinweis an Redaktionen: Fotos und Videos der Recherche schicken wir Ihnen sehr gerne auf Anfrage zu! Eine Fotostrecke finden Sie hier zum Download +++
Bekannte Hersteller und Marken wie Exquisa, Weihenstephan, MinusL und sogar Bio-Firmen wie Andechser Natur beziehen Milch von Höfen mit tierquälerischer Anbindehaltung. Das belegen Investigativ-Recherchen von Soko Tierschutz und foodwatch. Die Kühe leben auf den Zuliefererbetrieben unter tierschutzwidrigen Bedingungen – angekettet auf engem Raum und oft mit Fäkalien verkrustet, die Melkräume sind verdreckt und unhygienisch. Die Organisationen forderten die Unternehmen auf, keine Milch mehr aus Kettenhaltung zu verarbeiten. Die Bundesregierung müsse zudem die tierquälerische Praxis endlich grundsätzlich verbieten – ohne Ausnahmen oder lange Übergangsfristen. Die aktuell diskutierte Neufassung des Tierschutzgesetzes biete dazu die Chance, so foodwatch und Soko Tierschutz. SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, die Anbindehaltung zu beenden. Ein Referentenentwurf aus dem Bundesagrarministerium steckt jedoch offenbar in der Kabinettsabstimmung fest.
„Kühe, die angekettet und von Fäkalkrusten bedeckt sind und sich kaum bewegen können – unsere Recherchen dokumentieren erschütternde Zustände. Das zeigt einmal mehr: Die Anbindehaltung ist klar rechtswidrig und gehört verboten. Wie kann es sein, dass Deutschland die schlechteste Rinderhaltung der Welt hat? Es darf keine Übergangsfristen oder Ausnahmeregeln für solche Straftaten geben“, sagte Friedrich Mülln von Soko Tierschutz.
„Hersteller wie Exquisa oder Andechser werben gerne mit Bildern von glücklichen Kühen auf grünen Almwiesen und schönen Begriffen wie Tradition und Qualität. Die Realität sieht häufig anders aus: angekettete Tiere und verdreckte, schimmelige Ställe. Die Verbraucher:innen im Supermarkt erfahren davon nichts“, sagte Annemarie Botzki von der Verbraucherorganisation foodwatch. „Wir fordern Exquisa, Weihenstephan, Minus L und Andechser Natur auf, keine Milch mehr aus Kettenhaltung zu verarbeiten!“
Etwa jeder dritte Milchviehbetrieb in Deutschland hält seine Kühe in Anbindehaltung. Betroffen sind deutschlandweit insgesamt mehr als eine Million Milchkühe, Bullen und auch junge Rinder in der Mast. Das Bildmaterial, das Soko Tierschutz und foodwatch veröffentlichten, belegt: Die Milch aus Anbindehaltung landet auch in Produkten namhafter Firmen und Marken wie Exquisa, Weihenstephan, MinusL oder dem Bio-Hersteller Andechser Natur. Dieser Hof ist sogar von dem Bioverband Naturland zertifiziert; selbst in Öko-Haltung ist die Anbindehaltung für kleine Höfe weiterhin erlaubt. Die Aufnahmen aus insgesamt acht Ställen in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen zeigen tierschutzwidrige Zustände. Das kurze Leben der Bullen und Kühe verbringen sie permanent angekettet, bevor sie geschlachtet werden.
Soko Tierschutz und foodwatch forderten die Ampel-Koalition auf, im neuen Tierschutzgesetz die Anbindehaltung grundsätzlich zu verbieten. Ein etwaiger Kompromiss, wonach nur die ganzjährige Fixierung verboten würde, die sogenannte Kombihaltung jedoch erlaubt bliebe, sei unzureichend. Bei der „Kombihaltung“ können sich die Tiere an 120 Tagen bewegen, bleiben die meiste Zeit des Jahres aber angebunden – aus Sicht der beiden Organisationen ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Denn dieses schreibe klar vor, dass Tiere „verhaltensgerecht“ untergebracht werden müssen.
SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag 2021 vereinbart, die „Anbindehaltung spätestens in zehn Jahren beenden“ zu wollen. Nachdem ein Referentenentwurf dazu aus dem Bundesagrarministerium im vergangenen Jahr an die Öffentlichkeit gelangt war, organisierte der bayerische Bauernverband Protestaktionen. Auch das Landwirtschaftsministerium in Bayern stemmt sich gegen ein Verbot der Anbindehaltung. Denn insbesondere im Süden Deutschlands setzen viele Landwirt:innen noch immer auf die umstrittene Haltungsform. In Bayern etwa hält nach Angaben des Bauernverbands jeder zweite Milchviehbetrieb seine Tiere in Anbindehaltung, das entspricht circa 30 Prozent der Kühe. Oft sind die Tiere das ganze Jahr über im Stall fixiert. Das Verwaltungsgericht Münster hatte in einem Urteil bereits 2020 die ganzjährige Anbindehaltung untersagt.
Auch Jens Bülte, Strafrechtprofessor an der Universität Mannheim, sieht in der Anbindehaltung eine „strafbare Tierquälerei“: „Um zu erkennen, dass Tiere leiden, wenn beinahe alle ihre natürlichen Verhaltensweisen unterdrückt werden, sind keine besonderen tiermedizinischen Kenntnisse erforderlich. Die dauernde Anbindehaltung ist nicht nur tierschutzrechtlich unzulässig, sondern regelmäßig strafbar”, schreiben Prof. Bülte, Johanna Hahn und Prof. Josef Troxler.
Rinder leben eigentlich auf Weideflächen in sozialen Herden und laufen täglich mehrere Kilometer – in Anbindehaltung unmöglich. Tiermedizinische Studien zeigen zudem, dass Milchkühe, die im Stall fixiert sind, besonders häufig unter schmerzhaften Euterentzündungen leiden.
Links und mehr Informationen
- Fotostrecke
- Mehr als eine Million Rinder in Deutschland leben in Anbindehaltung
- 28.300 rinderhaltende Betriebe praktizieren diese Haltungsform, 35 Prozent aller Milchviehbetriebe
- Rund die Hälfte aller Milchviehbetriebe in Bayern hält ihre Tiere in Anbindehaltung
- Studie zu Euterentzündungen bei Kühen in Anbindehaltung
- Rechtsgutachten: Anbindehaltung verstößt gegen Tierschutzgesetz
- Prof. Jens Bülte: Anbindehaltung ist rechtswidrig
- Urteil des VG Münster zur ganzjährigen Anbindehaltung