Massenhaft Ostereier von kranken Hühnern: foodwatch kritisiert Haltungskennzeichnung – Verbraucherorganisation fordert gesetzliche Vorgaben für gute Tiergesundheit
Die Verbraucherorganisation foodwatch hat die Haltungskennzeichnung bei Eiern als unzureichend für den Tierschutz kritisiert. Selbst wenn Verbraucherinnen und Verbraucher bewusst zu Eiern aus Freiland- oder Biohaltung griffen, könnten sie sich nicht darauf verlassen, dass die Legehennen gesund sind. Die Haltungsform sage nichts über den Gesundheitszustand der Tiere aus, so foodwatch. Tiere in Biohaltung litten genauso oft unter Schmerzen und Krankheiten wie Tiere aus konventioneller Haltung. Statistisch gesehen werden zum Beispiel 4 von 10 Eiern von einer Henne mit Knochenbrüchen gelegt – dabei gibt es keine Unterschiede zwischen ökologischer und konventioneller Haltung oder zwischen kleinen und großen Betrieben, wie wissenschaftliche Untersuchungen zeigen. Entscheidend für die Tiergesundheit ist vor allem, wie der einzelne Landwirt seinen Betrieb führt – ob er also verhindert, dass Tiere überhaupt erkranken und im Krankheitsfall schnell reagiert. foodwatch forderte Bundesagrarministerin Julia Klöckner auf, endlich die Gesundheit der Nutztiere in den Mittelpunkt zu stellen und nicht länger zuzulassen, dass Produkte von kranken Tieren in den Handel gelangen. Die Erfahrungen mit der Eierkennzeichnung zeigten, dass Initiativen wie Frau Klöckners „Tierwohl“-Siegel oder die neue „Haltungsform“-Kennzeichnung der großen Supermarktketten viel zu kurz griffen. Denn dabei gehe es fast ausschließlich um die formalen Haltungsbedingungen – während die Tiergesundheit keine Rolle spiele, so die foodwatch-Kritik.
„Ob die Hühner gesund waren oder an Schmerzen und Krankheiten litten, ist für die Eierkennzeichnung völlig gleichgültig. Beim Einkauf kann niemand erkennen, wie gesund oder krank ein Huhn war – weder bei Bio-Eiern noch bei Eiern aus Bodenhaltung“, sagte Matthias Wolfschmidt, Veterinärmediziner und internationaler Kampagnendirektor von foodwatch. Zwar hätten die Tiere bei der Öko- oder Freilandhaltung mehr Platz und bessere Möglichkeiten, ihre natürlichen Verhaltensweisen wie Scharren und Picken auszuleben. Diese Faktoren seien aber keine Garantie dafür, dass ein Huhn auch wirklich gesund gelebt hat. „Solange die Gesundheit der Tiere bei der Kennzeichnung keine Rolle spielt, werden uns immer wieder massenhaft Lebensmittel vorgesetzt, die von kranken Tieren stammen. Ein paar Zentimeter mehr Platz oder Auslauf ins Freie nützen den Tieren wenig, wenn sie unter Schmerzen und Krankheiten leiden. In einem gut geführten konventionellen Betrieb können die Tiere gesünder sein als in einem schlecht geführten Bio-Hof. Nötig ist daher beides: bestmögliche Haltungsbedingungen plus gesunde Tiere – das muss für jeden einzelnen Betrieb durchgesetzt werden“, so Matthias Wolfschmidt.
Bei frischen Eiern informiert ein Stempel über die Haltungsform: 3 steht für Käfighaltung, 2 für Bodenhaltung, 1 für Freiland- und 0 für Biohaltung. Die Gesundheit der Legehennen ist bei der Kennzeichnung allerdings kein Kriterium. Eine systematische Erfassung des Gesundheitszustandes oder Vorgaben zur Tiergesundheit gibt es bisher nicht – weder in der konventionellen noch in der ökologischen Landwirtschaft. Studien verschiedener Universitäten zeigen bei Hühnern jedoch immer wieder Gelenkerkrankungen, Brustbeinschäden, Knochenbrüche, Eileiterentzündungen, Wurmbefall und Fußballenveränderungen. Dabei gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen konventioneller und Bio-Haltung, zwischen kleinen Höfen und Großbetrieben. Auch bei anderen Nutztieren liefert die Wissenschaft ähnliche Befunde: Mastschweine etwa leiden massenhaft unter Lungenentzündungen, Leberveränderungen oder schmerzhaft verdickten Gelenken, Milchkühe unter Euterentzündungen und Klauenerkrankungen. Die Haltungsform ist dabei offensichtlich nicht entscheidend: Bei der Tiergesundheit gibt es stärkere Schwankungen zwischen Betrieben innerhalb der gleichen Haltungsform als zwischen den verschiedenen Haltungssystemen.
foodwatch kritisierte daher Vorschläge, die vor allem auf eine Kennzeichnung der Haltungsform abzielen, als nicht ausreichend – wie etwa das neue vierstufige „Haltungsform“-Label der großen Supermarktketten um Aldi, Edeka und Rewe, das von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner initiierte „Tierwohl“-Label oder den Vorschlag der Grünen für eine verpflichtende 0-1-2-3 Haltungskennzeichnung bei Fleisch und Fleischprodukten. Stattdessen brauche es verbindliche Vorgaben für die Verbesserung der Gesundheit von Nutztieren, forderte foodwatch. Für jeden Tierhaltungsbetrieb müsse überprüft werden, ob er die Vorgaben einhält. Ziel müsse es sein, dass nur noch Lebensmittel von gesunden Tieren in den Supermarktregalen landen, so die Verbraucherorganisation.