CDU/CSU

Antwortvorschlag und Argumente zur Antwort der CDU/CSU

Kopieren Sie diesen Text, variieren Sie ihn gerne – weiteren inhaltlichen Input finden Sie weiter unten in unserer Einschätzung zur Standard-Antwort der CDU/CSU – und antworten Sie Ihren CDU/CSU-Abgeordneten!

Sehr geehrter/ geehrte …

vielen Dank für Ihre Antwort auf mein Schreiben zum geplanten Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP.

Sie bringen darin zum Ausdruck, dass meine Befürchtung einer möglichen Einschränkung des gesetzgeberischen Spielraums der Parlamente unbegründet sei. Sie gehen sodann allerdings allein auf die geplanten Schiedsgerichte für Klagen von Investoren gegen den Staat ein. Mit der Frage der Einschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums setzen Sie sich bedauerlicherweise nicht auseinander. Ebenso wenig gehen Sie auf die von mir konkret genannten Beispiele ein, die aufzeigen, dass und wie TTIP Sie in der Ausübung Ihres Mandats als Abgeordnete(r) einschränken und mithin den Spielraum der Parlamente in der EU und den Mitgliedsstaaten beschränken würde.

Zutreffend ist, dass die Bindungswirkung internationaler Abkommen nichts Ungewöhnliches ist.  Im Rahmen von TTIP sind indes eigenständige regulatorische Kompetenzen vorgesehen. Das heißt, das europäische Sekundärrecht müsste künftig, ebenso wie das einfache nationale Recht, den in Ausübung dieser regulatorischen Kompetenzen erlassenen Regulierungen entsprechen.

Das wiederum bedeutet: Die von uns in Europa und Deutschland zukünftig beschlossenen Gesetze dürfen nur so weit gehen, wie es TTIP erlaubt. Sonst werden wir im Verhältnis zu unseren Handelspartnern vertragsbrüchig und riskieren Vertragsstrafen bzw. Handelssanktionen.

Dadurch besteht die konkrete Gefahr, dass gesellschaftspolitische Standards, seien es Verbraucherrechte, Arbeitnehmerrechte sowie Tierhaltungs- und Umweltschutzstandards durch TTIP auf einem zum Teil unzureichenden Niveau eingefroren zu werden.

Veranschaulichen lässt sich das durch das im Rahmen von TTIP angewendete Prinzip der „gegenseitigen Anerkennung von Standards“. Wenn z. B. bestehende Standards der Gentechnikkennzeichnung oder der Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln, die wir für unzureichend und deshalb für verbesserungsbedürftig halten, durch TTIP gegenseitig anerkannt werden, kann ein Vertragspartner eben diese Standards nur noch einvernehmlich, nicht mehr einseitig ändern. Führt er die Änderung gegen den Willen des Partners durch, riskiert er Vertragsstrafen bzw. Handelssanktionen. Das könnte Gesetzgebungsverfahren erheblich verzögern, Vorhaben verwässern oder unmöglich machen.

Bei der Weiterentwicklung gesellschaftspolitscher Standards machen wir uns damit abhängig von unseren Handelspartnern. Das gilt nicht nur für EU-Gesetze, sondern auch für Bereiche, für die noch die Nationalstaaten zuständig sind. Die Weiterentwicklung bzw. Verbesserung von gesellschaftspolitischen Standards würde in Zukunft erschwert, wenn nicht gar in bestimmten Bereichen unmöglich gemacht werden. Das Bestehenbleiben formeller Gesetzgebungskompetenzen bedeutet nicht, dass diese in ihrer materiellen Ausgestaltung nicht tangiert würden. Im Gegenteil, ist das doch gerade Sinn und Zweck eines Abkommens wie TTIP, in dem es auch um die Abschaffung nichttarifärer Handelshemmnisse gehen soll.

Ich bitte Sie daher nochmals, auf mein Schreiben zu antworten und sich auf die darin genannten konkreten Beispiele zu beziehen, die demonstrieren, wie TTIP Ihren Einfluss als Mandatsträger(in) mindert.

Daran schließt sich – ebenfalls erneut - die Frage an, ob Sie sich bewusst sind, wie stark TTIP Sie in der Ausübung Ihres Mandats einschränken wird und ob Sie das akzeptieren. Ihre bisherige Reaktion deute ich so, dass Ihnen dieser Umstand möglicherweise gleichgültig ist. 

Ich freue mich, von Ihnen zu hören!

Mit freundlichen Grüßen

Hier die foodwatch-Einschätzung der Argumente aus der Standard-Antwort der CDU:

Aus dem CDU-Schreiben: „Erlauben Sie mir bitte zunächst nochmals einige grundsätzliche Ausführungen zur Bedeutung des Freihandels. Die Europäische Union und Deutschland profitieren in hohem Maße von international frei handelbaren Gütern und Dienstleistungen sowie von grenzüberschreitenden Investitionen. Die EU ist der weltweit größte Exporteur und Importeur von Waren und Dienstleistungen, sowie einer der wichtigsten Investoren und Empfänger von Investitionen. Ihr Handelsvolumen mit dem Nicht-EU-Ausland hat sich allein zwischen 1999 und 2010 verdoppelt. Der Anteil der EU am weltweiten Exportgeschäft für Waren beträgt 15 Prozent (zum Vergleich: China 12 Prozent, USA, 11 Prozent) und für Dienstleistungen 25 Prozent (USA 19 Prozent, China 6 Prozent, Japan und Indien jeweils 4 Prozent). Der Wert der Ausfuhren an Waren und Dienstleistungen der 28 EU-Mitgliedstaaten betrug im Jahr 2012 rund 4,5 Billionen Euro. Die Direktinvestitionstatbestände der EU im Ausland betrugen im Jahr 2012 rund 5 Billionen Euro. Deutschland als größte Volkswirtschaft in der EU und drittgrößter Exporteur weltweit profitiert von dieser Entwicklung in besonderem Maße. Der Anteil der Exporte am deutschen Bruttoinlandsprodukt („Exportquote“) liegt bei rund 51 Prozent. Die deutschen Ausfuhren an Waren und Dienstleistungen betrugen 1,385 Billionen Euro im Jahr 2013.

Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, dass der freie weltweite Handel mit Waren und Dienstleistungen für Europa nicht nur wünschenswert ist. Er ist vielmehr Grundvoraussetzung für unsere wirtschaftliche Prosperität und damit für den Erhalt von Lebensqualität, hohen sozialen Standards und kultureller Vielfalt in der EU.“

Einschätzung von foodwatch: Diese Zahlen belegen in der Tat eindrucksvoll wie sehr Deutschland und Europa vom Handel profitieren. Das bedeutet aber nicht, dass die Vorteile eines TTIP Abkommens die Nachteile aufwiegen. Freihandel ist gut – aber doch nicht unter allen Bedingungen.

Die von Studien prognostizierten wirtschaftlichen Vorteile, die durch TTIP entstehen könnten, sind tatsächlich minimal. Die potenziellen Risiken wie die Einschränkung des gesetzgeberischen Spielraums der nationalen Parlamente und des EU-Parlaments sind dagegen beträchtlich. Eine Abwägung von Chancen und Risiken durch TTIP bleibt hier aus ebenso wie eine Auseinandersetzung mit möglichen Alternativen zu TTIP. Beispielsweise existiert bereits ein Äquivalenzabkommen für Biolebensmittel zwischen der USA und der EU, durch welche die jeweiligen Standards als gleichwertig anerkannt und auf diese Weise Handelshemmnisse aus dem Weg geräumt werden. Wieso braucht es darüber hinaus TTIP?

Aus dem CDU/CSU-Schreiben: „Der internationale Handel und grenzüberschreitende Investitionen unterliegen umfassenden multilateralen und bilateralen Handels- und Investitionsschutzregeln, die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte ständig weiter entwickelt wurden und werden. So befindet sich die EU in laufenden Verhandlungen unter anderem zum Abschluss der so genannten Doha-Welthandelsrunde zwischen den Mitgliedern der Welthandelsorganisation („World Trade Organisation“/WTO), zu einem internationalen Abkommen für den Dienstleistungshandel („Trade in Services Agreement“/TiSA, welches auf dem bestehenden „General Agreement on Trade in Services“/GATS aufbauen soll) sowie zu bilateralen Abkommen etwa zwischen der EU und Kanada („Comprehensive Economic and Trade Agreement“/CETA) sowie zwischen der EU und den USA („Transatlantic Trade and Investment Partnership“/TTIP).

Für die Regelung der internationalen Handelspolitik der EU-Mitgliedstaaten ist nach den EU-Verträgen seit Jahrzehnten die EU zuständig. Die EU Kommission führt internationale Verhandlungen, sie stimmt sich hierzu laufend in einem beratenden Ausschuss mit den EU-Mitgliedstaaten ab. Handels- und Investitionsabkommen, die Zuständigkeiten sowohl der EU als auch Zuständigkeiten der EU-Mitgliedstaaten betreffen (so genannte gemischte Abkommen), bedürfen der Ratifizierung auch der nationalen Parlamente in der EU, also auch des Deutschen Bundestages.“

Einschätzung von foodwatch: Bis heute wurde noch nicht geklärt, ob TTIP und CETA überhaupt ein „gemischte Abkommen“ sind. Die Europäische Kommission will sich ihre Meinung insoweit erst nach Vorliegen aller Verhandlungstexte bilden. Nur im Falle gemischter Abkommen bedürfen die Abkommen der Ratifizierung durch nationale Parlamente. Selbst wenn diese über TTIP abstimmen dürfen, haben sie lediglich die Möglichkeit „Ja“ oder „Nein“ zu sagen. Ist der Vertragstext einmal fertig ausgehandelt, gibt es keine Einflussmöglichkeiten der Bundestagsabgeordneten auf die Bestimmungen des Vertrags mehr. Inhaltlich kann nichts mehr geändert werden. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum sieht anders aus.

Hinzu kommt: Die Abkommen können sogar vorläufig durch einen bloßen Beschluss des EU-Ministerrates angewendet werden. An dem entsprechenden Beschluss sind die nationalen Parlamente nicht beteiligt; ob das Europaparlament beteiligt werden muss, ist umstritten. foodwatch und Andere halten das für rechtlich zwingend. Die Europäische Kommission hat sich allerdings unseres Wissens diesbezüglich bislang nicht festlegt.

Aus dem CDU/CSU-Schreiben: „Gerade auch in der deutschen Öffentlichkeit werden derzeit vielfach Befürchtungen laut, dass die laufenden Verhandlungen zu internationalen Handelsabkommen (z. B. TTIP, CETA, TiSA) zu sehr im Geheimen geführt und bewährte Standards etwa in den Bereichen Arbeitnehmer-, Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz, kommunale Daseinsvorsorge und kulturelle Vielfalt gefährdet würden.“

Einschätzung von foodwatch: Die Gefahr, dass durch TTIP bestehende Standards abgesenkt werden, steht nicht im Mittelpunkt unseres Schreibens. Eine Bedrohung stellt vor allem dar, dass bestehende Standards auf einem niedrigen Niveau – z. B. durch gegenseitige Anerkennung dieser Standards – eingefroren werden. Dringend benötigte Weiterentwicklungen – z. B. im Lebensmittelbereich, in der Landwirtschaft, bei Arbeitnehmerrechten – werden mit TTIP erschwert oder unmöglich gemacht. Dies deshalb, weil (anders als im Falle der oben erwähnten Äquivalenzabkommen) im Rahmen von TTIP gegenseitig anerkannte Standards nicht mehr einseitig, sondern nur noch mit Zustimmung des Vertragspartners geändert werden können. Erfolgt diese Änderung ohne eine derartige Zustimmung, liegt ein Vertragsbruch vor und es muss mit Vertragsstrafen bzw. Handelsaktionen gerechnet werden. Dies schränkt den gesetzgeberischen Spielraum unserer Parlamente entscheidend ein.

Aus dem CDU/CSU-Schreiben: „Tatsache ist jedoch, dass gerade im Gegenteil Abkommen wie TTIP Europa und seinen Verhandlungspartnern die – möglicherweise letzte – Chance bieten, auch im 21. Jahrhundert hohe Standards in wichtigen Bereichen zu setzen. Angesichts aufstrebender Mächte wie China, Indien oder den ASEAN-Staaten wird dies für die westlichen Demokratien im globalen Maßstab zusehends schwieriger. Mit TTIP und CETA können die EU, die USA und Kanada ihre – im weltweiten Vergleich nach wie vor sehr hohen – Standards z.B. beim Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz zum Maßstab für spätere internationale Abkommen bzw. für ein globales Freihandelsregime machen. Nutzen wir diese Chance als Europäer nicht, so werden andere Länder diese Standards setzen – dann aber ohne jede Einflussmöglichkeit für Europa oder Deutschland. Ein erster Anhaltspunkt für diese Entwicklung ist die geplante Transpazifische Wirtschaftspartnerschaft (TPP) zwischen den USA und Pazifik-Anrainerstaaten, bei der die Verhandlungen schon wesentlich weiter fortgeschritten sind, als die TTIP-Verhandlungen zwischen den USA und der EU.“

Einschätzung von foodwatch: Der wirtschaftliche Erfolg einer Region hängt nicht von der Angleichung bzw. Harmonisierung von Standards ab. Wie groß der Exporterfolg der europäischen Wirtschaft ist, wird maßgeblich von der Qualität und Innovationskraft der Produkte abhängen, aber auch von Wechselkursen und wirtschaftspolitischen Weichenstellungen. Natürlich kann ein Freihandelsabkommen wie TTIP je nach Branche zu Kosteneinsparungen für Unternehmen und zur Ausweitung ihrer Weltmarktanteile führen. Potenziale können aber auch durch Vereinbarungen zwischen den Staaten genutzt werden, ohne die Risiken in Kauf zu nehmen, die TTIP insbesondere für unsere Demokratie bedeutet.

Aus dem CDU/CSU-Schreiben: „Freihandelsabkommen wie TTIP sollen den Marktzugang durch den Abbau tarifärer und nicht-tarifärer Handelshemmnisse im gegenseitigen Einvernehmen verbessern. Normen sollen aber nur dort angeglichen oder vereinheitlicht werden, wo dies bei gleichem Schutzniveau für Bürgerinnen und Bürger möglich ist.

Deutschland setzt sich erfolgreich dafür ein, dass die ambitionierten Ziele des Freihandelsabkommens nicht auf Kosten der Souveränität der Staaten gehen. Das Recht, auch in Zukunft im Sinne des Allgemeinwohls zu regulieren, darf nicht angetastet werden. Der jeweilige Gesetzgeber soll das Schutzniveau (etwa im Bereich des Umwelt- oder Verbraucherschutzes) selber festlegen. TTIP etwa dient dazu, gemeinsame Prinzipien zu vereinbaren, damit die konkrete Ausgestaltung von Schutzstandards möglichst geringe handelsbeschränkende Auswirkungen hat.“

Einschätzung von foodwatch: Das formelle Recht zu regulieren kann in der Tat durch TTIP nicht eingeschränkt werden. Aber die Art und Weise, wie dieses Rechts ausgeübt werden kann, wird beeinflusst. Damit verengt sich automatisch der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum unserer Parlamente. Die gegenseitige Anerkennung von Standards – wie oben beschrieben – ist nur ein Beispiel dafür. Im Übrigen bestätigt das auch das Bundeskanzleramt in einem Schreiben an foodwatch. Darin heißt es: „Allerdings trifft es zu, dass der Regelungsspielraum der EU und der EU-Mitgliedsstaaten durch konkrete Vereinbarungen über eine engere transatlantische Regulierungszusammenarbeit, etwa im Rahmen einer gegenseitigen Anerkennung von Standards, in Teilen eingeschränkt werden kann.“

Aus dem CDU/CSU-Schreiben: „Das bestehende hohe europäische Schutzniveau in verschiedenen Bereichen steht nicht zur Disposition. Die EU wird keines ihrer Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder der Umwelt aufheben. Dafür setzt sich auch die Bundesregierung ein. Die Gesundheit der EU-Bevölkerung und der notwendige Umweltschutz sind nicht verhandelbar. Dies sollte uns aber nicht vom Ziel abbringen, Handel und Investitionen transatlantisch möglichst weitgehend zu erleichtern und unnötige Hemmnisse, wie etwa doppelte Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren, abzuschaffen.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Behauptung unzutreffend, ein Gesetz müsse den Bestimmungen in TTIP entsprechen, etwa im Hinblick auf die Zulassung und Kennzeichnung gentechnisch veränderter Organismen (GVO). Die Anforderungen der EU an die Zulassung von GVO und die Kennzeichnungspflichten für Erzeugnisse, die GVO enthalten, werden sich infolge der TTIP-Verhandlungen nicht verändern, ebenso wenig wie andere Umwelt- und Verbraucherschutznormen.“

Einschätzung von foodwatch: Dass zukünftige Gesetze nach Abschluss eines TTIP Abkommens nicht dessen Vereinbarungen/ Bestimmungen widersprechen dürfen, ergibt sich aus der Normenhierarchie. Werden demnach in der EU Gesetze beschlossen, die den TTIP Vereinbarungen widersprechen, liegt ein Rechtsbruch vor. Dieser kann mit Handelssanktionen bzw. Vertragsstrafen geahndet werden. Wenn im Rahmen der Anwendung von TTIP z.B. vereinbart würde, es bei der bisherigen Gentechnikkennzeichnung zu belassen, dann wäre die Einführung einer „erweiterten Gentechnikkennzeichnung“ für tierische Produkte rechtswidrig.

Aus dem CDU/CSU-Schreiben: „Insgesamt ist die von Ihnen angesprochene Befürchtung einer möglichen Einschränkung der gesetzgeberischen Spielräume der Parlamente oder von demokratischen Rechten unbegründet. Zunächst einmal ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass TTIP ein Abkommen zwischen zwei Demokratien ist, die gemeinsame Werte (z. B. Achtung der Grund- und Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit etc.) teilen. Schon aus diesem Grund ist der Vorwurf, die Demokratie könne durch ein Freihandelsabkommen mit den USA ausgehöhlt werden, nicht nachvollziehbar. In den laufenden Verhandlungen ist – in einem bisher nicht gekannten Ausmaß – gewährleistet, dass alle demokratisch legitimierten Institutionen über aktuelle Entwicklungen umfassend informiert werden. Die EU-Kommission informiert regelmäßig das Europäische Parlament sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten (d. h. auch die Bundesregierung) über den Verhandlungsprozess. Die Bundesregierung gibt wiederum regelmäßige Informationen an den Deutschen Bundestag. Zudem tritt das Abkommen nach Abschluss der Verhandlungen nur in Kraft, nachdem das Europäische Parlament, die nationalen Parlamente sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zugestimmt haben. Auch dadurch ist eine umfassende parlamentarische Kontrolle sichergestellt.“

Einschätzung von foodwatch: Es ist völlig richtig, dass die USA und EU Demokratien sind. Umso wichtiger ist es, diese in ihren Kernpunkten zu erhalten und zu schützen. Zu diesen Kernpunkten gehört zweifelsohne die Legislativfunktion der Parlamente. Diese wird eingeschränkt, wenn, wie durch TTIP beabsichtigt, exekutive Foren regulierend tätig werden. Sie wird auch eingeschränkt, durch eine nicht mehr einseitig änderbare Anerkennung von Standards oder durch drohende Klagen vor Schiedsgerichten.

Die Rolle der Parlamente der EU-Mitgliedstaaten bei der Abstimmung des Abkommens beschränkt sich auf ein „Ja“ oder „Nein“. Von einer umfassenden parlamentarischen Kontrolle kann deshalb auch „am Beginn“ von TTIP nicht die Rede sein. Zudem kann das Abkommen durch den EU-Ministerrat vorläufig in Kraft gesetzt werden, ohne dass die nationalen Parlamente daran überhaupt beteiligt wären.

Aus dem CDU/CSU-Schreiben: „Zu der von Ihnen angesprochenen Frage zur geplanten regulatorischen Kooperation hat die EU-Kommission im Februar 2015 einen ersten Vorschlag zum Bereich der regulatorischen Kooperation im Rahmen von TTIP veröffentlicht. Dieser Vorschlag wird derzeit beraten. Regulatorische Kooperation meint die engere Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden in der EU und den USA, um doppelte oder auch unnötige Vorschriften im Handel zu vermeiden und bessere Vereinbarungen zu erreichen. Dies ist wichtig, um den gemeinsamen Handel mit Produkten und Dienstleistungen zu erleichtern - ein zentrales Ziel des TTIP-Abkommens. Sowohl in der EU als auch in den USA gibt es eigene Normen, Standards und Regeln für die eigenen Produkte und Dienste. Dies führt oft zu unnötigen Belastungen für Unternehmen (etwa wenn z.B. ein mittelständischer Maschinenbauer die gleiche Maschine mit roten Kabeln für den europäischen und mit blauen Kabeln für den amerikanischen Markt fertigen muss). Ausweislich der veröffentlichten Texte zur regulatorischen Kooperation wird vor allem angestrebt, sich frühzeitig über geplante Regulierungen zu unterrichten, um unnötige Doppelregulierungen (und damit verbundenen Bürokratie- und sonstige Belastungen, s.o.) zu vermeiden. Ausdrücklich wird in dem Textentwurf festgehalten, dass das Recht der Staaten, Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls (z.B. Umwelt- und Gesundheitsschutz) zu erlassen, durch diese Kooperation in keinster Weise eingeschränkt wird.“

Einschätzung von foodwatch: Nochmals: Das formelle Recht zu Gesetzgebung der nationalen und des EU-Parlaments wird durch TTIP nicht abgeschafft. Aber die Art und Weise, wie dieses Recht künftig nur noch ausgeübt werden darf, wird beeinflusst. Noch vor der parlamentarischen Beratung von Gesetzesvorhaben müssen diese in den Regulierungsbehörden der USA bzw. der EU und in einem Regulierungsrat besprochen werden. Darin sitzen nicht-gewählte Bürokraten, die alle Vorhaben, die negative Auswirkungen auf den transatlantischen Handel haben, ablehnen können. Dass auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen in diesem Gremium mitwirken sollen, ändert daran offensichtlich nichts, denn auch sie sind nicht gewählt. Dieser Mechanismus schwächt die Parlamente noch weiter, als es bisher schon der Fall ist. Die Kernfunktion der Parlamente in einer Demokratie – die Rechtssetzung – darf nicht an Bürokraten und Verbandsvertreter ausgelagert werden.

Aus dem CDU/CSU-Schreiben: „Zu Ihrer Frage zum Thema Investitionsschutz und Schiedsverfahren ist anzumerken, dass die Verhandlungen zu den Investitionsschutzbestimmungen in TTIP und den damit zusammenhängenden Klagemöglichkeiten derzeit ausgesetzt sind. Es liegen keine Texte vor, die eine inhaltliche Bewertung erlauben. Die EU-Kommission hatte im Frühjahr 2014 öffentliche Konsultationen zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren in TTIP eingeleitet, die es Bürgern, Unternehmen und interessierten Gruppen ermöglichen, ihre Positionen in den Verhandlungsprozess einzubringen. Die Ergebnisse dieser Konsultationen werden derzeit ausgewertet. Anschließend will die die EU-Kommission auf dieser Basis gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament ihre Verhandlungsposition festlegen.

Diese Vorgehensweise der Kommission ist aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion zu begrüßen. Es ist unsere Position, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden dürfen. Nur Investitionen, die im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats stehen, sind durch Investitionsschutzverträge geschützt. Nicht diskriminierende Vorschriften zum Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz können kein Klagerecht von Unternehmen begründen. Wir sind davon überzeugt, dass dies auch möglich ist.“

Einschätzung von foodwatch: Schon im Verhandlungsmandat, das der EU-Kommission vom EU-Ministerrat erteilt wurde, ist die Schaffung von Investor-Staat-Klagemöglichkeiten vorgesehen. In dem bereits fertig verhandelten Vertragstext für das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) werden Konzernen bereits weitgehende Klagemöglichkeiten vor privaten Schiedsgerichten eingeräumt.

Die bisher vorgelegten Reformvorschläge ändern auch nichts daran, dass eine Paralleljustiz geschaffen würde, die mit unserer verfassungsmäßigen Ordnung schwerlich in Einklang steht. Genauso gut könnte man die Einrichtung eines Verbraucherschutzgerichtshof im Rahmen von TTIP fordern.

Aus dem CDU/CSU-Schreiben: „Leider ist derzeit festzustellen, dass zum Teil gezielte Desinformationskampagnen gegen Investitionsschutzbestimmungen geführt werden. Dies ist aus meiner Sicht unangemessen. Gern erläutere ich Ihnen dazu die Hintergründe: Investitionsschutz ist nicht grundsätzlich negativ, denn er garantiert Unternehmen, die im Ausland investieren wollen (z. B. eine Fabrik errichten wollen und damit Arbeitsplätze schaffen), dass ihre Investitionen dort gerecht und gleichberechtigt mit den Investitionen der nationalen Unternehmen behandelt werden. Dies schafft Rechtssicherheit und Berechenbarkeit, gerade auch für kleinere und mittelständische Unternehmen, die sich keine eigene Rechtsabteilung in einem fremden Land leisten können. Investitionsschutzabkommen garantieren, dass Länder weltweit für ausländische Direktinvestitionen attraktiv sind. Denn eine der größten Gefahren für Investoren in einem fremden Land besteht in indirekten Enteignungen (z. B. Nicht-Anerkennung von Patenten, Verbote von Finanztransfers ins Heimatland, intransparente Vergabeverfahren). Deutschland hat Investitionsschutzregeln vor rund 50 Jahren erfunden und hat bereits mit rund 130 Staaten sogenannte Investitionsförderungs- und -schutzverträge abgeschlossen, darunter auch mit anderen EU-Mitgliedern. Bisher hat es auf dieser Basis nur drei Klagen gegen Deutschland gegeben. Keine Klage war bisher erfolgreich. Die EU-Mitgliedstaaten haben bereits rund 1400 Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, davon allein 198 EU-interne Abkommen. Die demokratischen Entscheidungsbefugnisse des Bundestages oder anderer europäischer Parlamente wurden in keinster Weise durch diese Abkommen tangiert.“

Einschätzung von foodwatch: Investor-Staat-Klagemöglichkeiten schränken demokratische Entscheidungsbefugnisse des Bundestages gleich mehrfach ein: Sie greifen in die Budgethoheit von Staaten ein, wenn diese erfolgreich von Konzernen vor Schiedsgerichten verklagt werden. Ganz aktuell verklagt Vattenfall die Bundesregierung auf 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz für den beschlossenen Atomausstieg. Doch auch wenn Klagen nicht erfolgreich sind, beschränken sie die Souveränität von Staaten. Denn schon allein die Androhung einer Klage kann Staaten bzw. Gebietskörperschaften und Kommunen veranlassen, auf dringend benötigte Gesetze zum Schutze des Allgemeinwohls zu verzichten.

Aus dem CDU/CSU-Schreiben: „Die weltweit aktivsten Kläger auf der Basis von Investitionsschutzabkommen sind im Übrigen die Europäer und nicht – wie häufig unterstellt wird – die Amerikaner. So laufen derzeit z.B. vor dem Schiedsgericht in Washington mehrere Klagen von europäischen Ökostrom-Unternehmen gegen Spanien und Tschechien wegen Kürzung der dortigen Ökostromförderung. Und sicher wird niemand in diesem Zusammenhang behaupten wollen, dass etwa die Stadtwerke München (die zu den Klägern in Washington) gehören, die Demokratie in Spanien abschaffen wollen.“

Einschätzung von foodwatch: Unsere Kritik an Schiedsgerichten ist allgemeingültig und unabhängig davon, wer der Kläger ist.

Aus dem CDU/CSU-Schreiben: „Ich plädiere daher vor allem für mehr Sachlichkeit in der Diskussion zum Investitionsschutz. Dies heißt nicht, dass die geltenden Investitionsschutzverfahren nicht verbesserungswürdig sind. Insbesondere dürfen, dies ist nochmals ausdrücklich zu betonen, Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden.

TTIP bietet die Chance zur Verbesserung des Investitionsschutzrechts, die wir ergreifen sollten. So werden verschiedene Modernisierungsvorschläge diskutiert, u.a. klarere Regeln für die Zusammensetzung und Funktionsweise der Schiedsgerichte, die Qualifikation und Unabhängigkeit der Richter, das Verhältnis zum nationalen Rechtsweg und die Frage von Revisionsmöglichkeiten. Darüber müssen und werden wir weiter mit unseren transatlantischen Partnern sprechen.“

Einschätzung von foodwatch: Die Schaffung von Schiedsgerichten bleibt eine Paralleljustiz, s. o. Darüber hinaus stellt sich die Frage, warum bei entwickelten Rechtssystemen, wie sie in der EU und der USA existieren, Klagemöglichkeiten vor privaten Schiedsgerichten notwendig sein sollen. Ausländische Unternehmen können bereits jetzt vor europäischen bzw. nationalen Gerichten klagen.

Aus dem CDU/CSU-Schreiben: „Erlauben Sie mir abschließend darauf hinzuweisen, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu TTIP einen breit angelegten Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern, der EU-Kommission, der Bundesregierung, der Wirtschaft, Gewerkschaften, Forschungseinrichtungen sowie Nicht-Regierungsorganisationen durchführt, u.a. in Fachveranstaltungen, Anhörungen und bilateralen Gesprächen. Überdies hat sich im September 2014 eine Arbeitsgruppe der CDU/CSU-Fraktion konstituiert, die die verschiedenen Themenbereiche von TTIP, CETA und anderen Handelsabkommen unter Einbeziehung von Vertretern der relevanten gesellschaftlichen Organisationen berät. Im Ergebnis wird TTIP nur gelingen, wenn eine breite Öffentlichkeit dies unterstützt. Dafür wird sich die CDU/CSU-Fraktion auch weiterhin einsetzen.“