Nachricht 03.03.2014

Neue Anbauregeln für Genpflanzen?

Viele Verbraucher wollen keine genetisch veränderten Pflanzen auf dem Feld sehen. Die EU-Staaten könnten ihren Anbau möglicherweise bald einfacher untersagen. Doch welche Lebensmittel schon jetzt mit Hilfe von Gentechnik hergestellt werden, erfahren Verbraucher nach wie vor nicht.

Die EU-Länder könnten den Anbau von Genpflanzen womöglich bald leichter verhindern. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) erwartet, dass sich die Staaten demnächst auf neue europäischen Zulassungsregeln einigen können. „Ich gehe davon aus, dass die Änderungen kommen“, sagte sie am Rande eines Treffens mit ihren EU-Kollegen am Montag in Brüssel. Da Großbritannien seine ablehnende Haltung aufgegeben habe, gebe es unter den EU-Staaten wahrscheinlich eine ausreichende Mehrheit. 

Die Vorschläge sehen vor, dass die Regierungen den nationalen Anbau genetisch veränderter Pflanzen leichter untersagen können. Eine Entscheidung war für Montag noch nicht geplant – nach dem Treffen dürfte aber klar sein, ob die notwendige Anzahl von EU-Staaten die Pläne unterstützt. Allerdings müssten sich die Regierungen auch noch mit dem Europaparlament einigen.

Mehr Spielraum für Nationalstaaten

Derzeit können die EU-Staaten den Anbau in Europa zugelassener Genpflanzen nur verhindern, falls sie ein Verbot mit dem Verweis auf Gefahren für Mensch oder Umwelt begründen können. Doch die Nutzung dieser „Schutzklausel“ ist nicht ganz einfach: Dazu müssen die Regierungen neue wissenschaftliche Erkenntnisse auf den Tisch legen, die die zuständige EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) in ihren Analysen noch nicht berücksichtigt hat. Deutschland hat dies beim Genmais MON 810 getan. 

Mit den neuen Plänen sollen die EU-Staaten mehr Spielraum für nationale oder regionale Anbauverbote bekommen. Die Liste möglicher Gründe für ein Verbot würde länger – so könnten die Staaten den Anbau zum Beispiel aus politischen Gründen untersagen. Auch kleine Parzellen in der Landwirtschaft könnten ein Argument sein, weil sich dann genetisch veränderte Pflanzen weniger leicht von normalen Pflanzen trennen lassen. Voraussetzung für solche nationalen Verbote wäre allerdings, dass sich die Staaten zu Beginn des Prozesses mit dem entsprechenden Agrarkonzern beraten haben. Das Unternehmen würde womöglich schon auf den Zulassungsantrag verzichten, falls es starken Gegenwind spürt.


Obwohl er nationale Anbauverbote für Genpflanzen erleichtern würden, lehnen Umweltverbände den Vorschlag ab. Verbote auf dieser Grundlage seien nicht wasserdicht, bemängelte Greenpeace. Die Agrarkonzerne könnten sie juristisch anfechten. Friends of the Earth Europe bezeichnete die Pläne als „vergifteten Kelch“. „Auf diese Art würden Europas Felder nicht von diesen ungewollten Pflanzen freigehalten.“

Kennzeichnungslücke muss geschlossen werden

Auch foodwatch meint: Dieser Vorstoß geht nicht weit genug. Europas Agrar-Gentechnikpolitik ist ein permanenter Skandal. Kommission und Rat missachten seit Jahren die Interessen der großen Mehrheit der europäischen Bürger – sei es, indem gentechnisch veränderte Maissorten zugelassen werden, die den Verbrauchern keinerlei Nutzen bringen, oder indem den Bürgern die Information verweigert wird, welche tierischen Produkte mithilfe gentechnisch veränderter Futterpflanzen erzeugt wurden. 

Eine Kennzeichnung über den Einsatz von gentechnisch veränderten Futtermitteln ist aber marktentscheidend für die Agrar-Gentechnik, weil 80 Prozent aller in der EU verwendeten gentechnisch veränderten Pflanzen im Tierfutter landen. Die Forderung von foodwatch lautet deshalb: Die Bürger Europas müssen durch eine klare Gentechnik-Kennzeichnung endlich in die Lage versetzt werden, selbst zu entscheiden, ob sie Agrar-Gentechnik in der Nahrungskette haben wollen oder nicht. Denn nur wenn Verbraucher erfahren, ob Milch, Eier, Käse und Co. mit Hilfe gentechnisch veränderter Futtermittel hergestellt wurden, können sie im Supermarkt eine bewusste Kaufentscheidungen treffen.

(mit dpa, Bild: atoss – fotolia.com)