Belgien führt Lebensmittelampel ein – „Nutriscore“-Modell soll gesunde Ernährung fördern – foodwatch: Ernährungsministerin Julia Klöckner muss Widerstand aufgeben!
Nach Großbritannien und Frankreich führt auch Belgien eine Nährwert-Ampel für Lebensmittel ein. Um es den Menschen „leichter zu machen, sich für eine gesunde Ernährung zu entscheiden“, sollen die Verpackungen belgischer Produkte in Kürze zusätzlich mit einer Ampelkennzeichnung dargestellt werden, erklärte die belgische Gesundheitsministerin am Dienstag. Die Verbraucherorganisation foodwatch forderte Bundesernährungsministerin Julia Klöckner auf, ihren Widerstand gegen eine Lebensmittelampel aufzugeben. Sie solle sich auf europäischer Ebene für eine verpflichtende Kennzeichnung stark machen. Weil die Pflicht zur Nährwertkennzeichnung EU-weit einheitlich geregelt ist, können die Mitgliedsstaaten zusätzliche, farbbasierte Kennzeichnungsmodelle nur auf freiwilliger Basis einführen.
„Erst Großbritannien, dann Frankreich, jetzt Belgien – immer mehr Länder in Europa führen Lebensmittelampeln ein. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner wehrt sich jedoch mit Händen und Füßen gegen eine farbliche Kennzeichnung von Zucker, Salz & Co. – und das, obwohl Ärzteverbände, Krankenkassen und Verbraucherorganisationen ein Ampel-System schon seit Jahren fordern, und auch die Mehrheit der Menschen in Deutschland eine Ampel will. Frau Klöckner sollte endlich den Appellen der Fachwelt folgen, statt nach der Pfeife der Lebensmittel-Lobby zu tanzen“, forderte Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch.
Die belgische Regierung will das sogenannte NutriScore-Modell nach französischem Vorbild übernehmen: Das Modell wurde vergangenes Jahr von der französischen Regierung – auf freiwilliger Basis – eingeführt und bereits von zahlreichen Unternehmen übernommen. NutriScore wurde von Wissenschaftlern entwickelt und nimmt eine Gesamtbewertung des Nährwertprofils eines Produktes vor, indem günstige und ungünstige Nährwertbestandteile mit Punkten bewertet und dann miteinander verrechnet werden. Schließlich wird das Ergebnis mit einer fünfstufigen Farbskala dargestellt, die zugleich mit den Buchstaben A-E hinterlegt ist. Ein Produkt mit einem günstigen, ausgewogenen Nährwertprofil erhält somit eine grüne Einordnung und den Buchstaben A, ein sehr unausgewogenes Produkt enthält eine rote Bewertung und den Buchstaben E.
Das NutriScore-Modell unterscheidet sich damit von dem Ampel-Modell, das die englische Lebensmittelbehörde FSA bereits 2007 entwickelt hatte. Diese „Original-Ampel“ zeigt nicht eine einzige Farbskala, sondern vier: jeweils für die Zutaten Fett, gesättigte Fette, Zucker, Salz. Beide Systeme haben in einem großen Vergleichstest der französischen Regierung dazu geführt, dass Menschen gesünder einkaufen. foodwatch würde sowohl die Einführung des britischen Originals als auch des französischen Modells befürworten. Jedes der Modelle ermögliche es Verbraucherinnen und Verbraucher, die ernährungsphysiologische Qualität von Produkten auf dem ersten Blick miteinander vergleichen zu können, so foodwatch.
„Ob NutriScore aus Frankreich oder die Original-Ampel aus Großbritannien: Entscheidend ist, dass wir ein von unabhängigen Experten entwickeltes System haben, das die Nährwerte eines Produkts mit einer farblichen Kennzeichnung direkt auf der Produktvorderseite darstellt und die Vergleichbarkeit von Produkten gewährleistet“, sagte Oliver Huizinga.
Ernährungsministerin Julia Klöckner lehnt eine Lebensmittelampel für Deutschland bislang ab. Laut Koalitionsvertrag wollen Union und SPD das System der Nährwertkennzeichnungen für verpackte und verarbeitete Lebensmittel jedoch weiterentwickeln, indem der Gehalt „gegebenenfalls vereinfacht visualisiert wird“. Ein Modell dafür soll mit Lebensmittel- und Verbraucherverbänden sowie mit Rücksicht auf kleinere Anbieter bis Sommer 2019 erarbeitet werden.
Der Lebensmittelhersteller Danone will in Deutschland bereits ab Anfang 2019 das von Frankreich und Belgien eingeführte Nutriscore-Modell auf seine Verpackungen drucken. foodwatch begrüßt den Vorstoß des Lebensmittelkonzerns, forderte aber zugleich eine verpflichtende Nährwertkennzeichnung in Ampelfarben vorzuschreiben, damit andere Hersteller nachziehen: Die Idee der Lebensmittel-Ampel sei es, dass Verbraucherinnen und Verbraucher im Supermarkt verschiedene Produkte schnell miteinander vergleichen können – das gehe nicht, wenn nur ein Hersteller die Ampel einführt.
Die Verbraucherorganisation kritisierte erneut von der Industrie selbst entwickelte Kennzeichnungsmodelle. So möchten die fünf großen Lebensmittelkonzerne Coca-Cola, Mondelez, Nestlé, PepsiCo und Unilever ein eigenes Ampel-System einführen, das auf Basis von Portionsgrößen berechnet wird. Selbst ein Produkt wie Nutella, das zu fast 90 Prozent aus Zucker und Fett besteht, würde mit dieser Industrie-Kennzeichnung jedoch keine einzige rote Ampel erhalten, kritisierte foodwatch. „Die geplante Fake-Ampel von Nestlé, Cola & Co. ist nicht die Lösung. Da steht Ampel drauf, ist aber nur Verbrauchertäuschung drin“, erklärte Oliver Huizinga.