Salmonellen-Skandal bei Ferrero entlarvt Schwachstellen im Kontrollsystem und bei Veröffentlichungspflichten – foodwatch fordert umfassende Aufklärung und Reformen
Der Salmonellen-Skandal bei Süßwarenhersteller Ferrero entlarvt einmal mehr die Schwachstellen im System der Lebensmittelüberwachung, hat die Verbraucherorganisation foodwatch kritisiert. Verbraucher:innen würden viel zu spät gewarnt. Sowohl Ferrero als auch Überwachungsbehörden wussten bereits seit Dezember 2021 von Salmonellen-Funden – trotzdem kam es erst jetzt, fast fünf Monate später, zu öffentlichen Rückrufen. Zudem sei nach wie vor nicht klar, was der Grund für den Salmonellen-Befall ist. foodwatch forderte Ferrero und die zuständigen Lebensmittelbehörden in Deutschland auf, für Aufklärung zu sorgen. Die Verbraucherorganisation sprach sich außerdem für grundlegende Reformen im System der Lebensmittelüberwachung aus, um solche Fälle in Zukunft besser zu verhindern.
„Wie konnten offenbar monatelang gesundheitsgefährdende Produkte die Fabrik verlassen und verkauft werden? Die Süßwarenindustrie weiß genau, dass Salmonellen ein riesiges Problem sind bei der Herstellung von Schokolade. Wenn so ein Fehler passiert, muss die Bevölkerung sofort gewarnt werden“, sagte Andreas Winkler von foodwatch. „Der Fall Ferrero zeigt: Eigenkontrollen und Eigenverantwortung der Hersteller reichen nicht aus. Wir brauchen Transparenzpflichten für Behörden, damit Fälle wie Ferrero umgehend öffentlich gemacht werden müssen. Lebensmittelhersteller müssen gesetzlich verpflichtet werden, die Verbraucher:innnen sofort auf allen Kanälen deutlich zu warnen. Stille Rückrufe ohne öffentliche Warnung oder scheibchenweise Informationen a la Ferrero können schwere Gesundheitsschäden verursachen.“
foodwatch forderte Ferrero und die Lebensmittelbehörden auf, alle offenen Fragen in dem Fall zu klären:
- Warum kam es erst jetzt zu öffentlichen Rückrufen, obwohl Ferrero und Behörden in Belgien seit Dezember 2021 von Salmonellen-Funden in dem Ferrero-Werk wussten?
- Warum riefen die Behörden in Großbritannien am 2. April belastete Produkte zurück, die Behörden in Deutschland aber erst am 5. April?
- Seit wann genau wusste Ferrero von den Problemen und wann informierte das Unternehmen die Behörden in Belgien?
- Was genau ist der Grund für die Salmonellen-Belastung? (Probleme mit einer Filteranlage, belastete Rohstoffe oder unzureichende Hygiene bei der Herstellung?)
Grundlegende Schwachstellen bei der Überwachung
Der Fall zeigt aus Sicht von foodwatch das gleiche Muster wie fast alle Lebensmittelskandale – egal ob Listerien in Wilke-Wurstwaren, Ethylenoxid in Eis oder Pferdefleisch in Lasagne:
- Rückverfolgbarkeit funktioniert nicht: Das EU-Lebensmittelrecht verpflichtet Hersteller dazu, ihre Produkte lückenlos entlang der Lieferkette zurückverfolgen zu können. In der Praxis funktioniert genau das oft nicht und es dauert zu lange, bis alle betroffenen Produkte identifiziert werden.
- Reaktion statt Prävention: Rückrufe erfolgen oft erst, wenn es bereits zu spät ist und die betroffenen Produkte bereits gekauft und oft auch konsumiert worden sind. Es dauert Tage, Wochen und manchmal sogar Monate bis zu einer öffentlichen Warnung.
- Das Problem der Selbstkontrolle: Das EU-Lebensmittelrecht verpflichtet Hersteller zu Selbstkontrollen, um die Sicherheit der Lebensmittel zu gewährleisten. Stellt ein Hersteller fest, dass ein Lebensmittel gesundheitsschädlich sein könnte, ist er verpflichtet, die zuständigen Behörden unverzüglich zu informieren. Aber: Ob und wie das passiert, ist häufig unklar. Wurden die Selbstkontrollen im Fall von Ferrero sorgfältig durchgeführt? Hat der Hersteller rechtzeitig auf das Gesundheitsrisiko hingewiesen? Wurden alle Informationen an die Behörden weitergegeben? Welche Maßnahmen haben die Behörden daraufhin ergriffen – oder auch nicht? Diese Fragen sind weiterhin offen.
- Sanktionen schrecken nicht ab: Lebensmittelskandale werden selten vor Gericht gebracht. Allzu oft kommen die Hersteller ungestraft oder mit geringfügigen Verwarnungen und relativ kleinen Geldstrafen davon. Aus Sicht von foodwatch braucht es ein wirksames Unternehmensstrafrecht und auch finanziell abschreckende Sanktionen.
Ferrero hat in mehreren Ländern weltweit Süßigkeiten zurückgerufen. In Deutschland sind Produkte der Marke „Kinder“ betroffen. Die EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA und die EU-Gesundheitsbehörde ECDC bestätigten bisher 105 Salmonellenfälle sowie 29 Verdachtsfälle, die meisten davon bei Kindern. Ungewöhnlich viele der Kinder mussten ins Krankenhaus, teilweise mit schweren Symptomen wie blutigem Durchfall, so die Behörden.
Quellen und weiterführende Hinweise
- Informationen der EU-Lebensmittelbehörde EFSA zum Ferrero-Fall
- Rückrufe auf deutschem Behördenportal