Regierung hat Bevölkerung über EHEC getäuscht
Die Bundesregierung hat die Bevölkerung beim weltweit größten EHEC-Ausbruch im Frühjahr 2011 bewusst getäuscht. Anders als Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) und Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) behaupten, ist die Ursache der Epidemie, die in Deutschland 53 Todesopfer forderte, bei weitem nicht aufgeklärt: Mindestens 87 Prozent aller gemeldeten EHEC-Fälle wurden ohne Klärung der Ansteckungsursache zu den Akten gelegt. Das hat das zuständige Robert-Koch-Institut nun gegenüber foodwatch bestätigt.
Bereits kurz nach Ausbruch der EHEC-Epidemie im Mai 2011 war ein Sprossenerzeuger in Niedersachsen von den Behörden als Auslöser der Krise präsentiert worden. Ein Jahr später erklärten Ilse Aigner und Daniel Bahr in einer Pressemitteilung, man hätte die Ursache des Ausbruchs „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ identifiziert: Bockshornkleesamen aus Ägypten, die von dem Sprossenbetrieb im Kreis Uelzen gekeimt und in Verkehr gebracht worden seien.
Sündenbock für die EHEC-Krise?
Doch die Behauptung der Bundesregierung, der Hof in Niedersachsen sei die einzige Verbreitungsquelle des EHEC-Erregers gewesen, hält einer Überprüfung nicht stand. So wurde im EHEC-Abschlussbericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) behauptet, die von Bund und Ländern eingesetzte „Task-Force EHEC“ habe eine Gesamtliste aller EHEC-Ausbruchsorte erstellt. Diese Liste wurde allerdings nie veröffentlicht.
Behörden bestätigen foodwatch-Recherchen
foodwatch stellte daher im Mai 2012 Antrag auf Akteneinsicht bei den zuständigen Behörden, um in dieser „Gesamtliste“ nachzuvollziehen, ob es entsprechende Verbindungen zu dem Sprossenerzeuger gibt. Mittlerweile haben sowohl das BVL als auch das Robert-Koch-Institut (RKI), die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention, bestätigt: Eine solche „Gesamtliste“ mit allen 3.842 EHEC-Erkrankungen und den Verbindungen zu dem Sprossenbetrieb hat es nie gegeben! Das RKI räumte gegenüber foodwatch ein, dass in einer ersten Liste lediglich 350 Fälle untersucht und aufgelistet worden waren und man später eine etwa 500 Fälle erfassende zweite Liste erstellt habe.
Nur 13 Prozent aller EHEC-Fälle aufgeklärt
Im Ergebnis heißt das: Für rund 3.300 EHEC-Fälle wurde offenbar nicht einmal der Versuch unternommen, eine Verbindung zu dem Sprossenbetrieb zu finden. Bei bestenfalls 13 Prozent aller EHEC-Erkrankungen haben die Behörden eine Spur auf den Sprossen-Hof identifiziert. Das reichte offensichtlich aus, um diesen der Öffentlichkeit als Verursacher der EHEC-Krise zu präsentieren. Der Verdacht liegt nahe, dass die Bundesregierung hier ein Bauernopfer zur Beruhigung der verunsicherten Bevölkerung gesucht und gefunden hat. Weder Behörden noch Bundesregierung haben offenbar ein echtes Interesse an einer Aufklärung des EHEC-Geschehens. Die Bundesregierung hat einen Erfolg gefeiert, der so ominös ist wie das Auftreten und Verschwinden des EHEC-Erregers.
Das foodwatch-Fazit: Der weltweit größte EHEC-Ausbruch ist nicht aufgeklärt, die Bundesregierung hat die Bevölkerung belogen – und wiegt sie in falscher Sicherheit.