Rückruf: Wie Kaufland nach drei Wochen „sofort“ reagierte...
Geht in der Produktion etwas schief, wird ein Lebensmittel zurückgerufen – das kommt vor. Dieser Rückruf aber hat es in sich: Erst nahm Kaufland einen mit gefährlichen Mineralölen belasteten Reis aus dem Verkauf, wollte aber partout nicht diejenigen Kunden mit einem offiziellen Rückruf informieren, die das potenziell gesundheitsgefährdende Produkt bereits gekauft hatten. Unter öffentlichem Druck folgte der Rückruf nun doch: gut drei Wochen nach Bekanntwerden des Laborbefunds. Damit nicht genug: Andere, ebenfalls belastete Produkte verkauft die Handelskette munter weiter...
Mineralöle, die vor allem aus Verpackungen und Umverpackungen aus Altpapier in Lebensmittel übergehen, sind in der Lebensmittelbranche seit Jahren als Problem bekannt. Spätestens am 27. Oktober war auch für Kaufland klar, dass es ein Problem gab – an diesem Tag veröffentlichte foodwatch einen umfangreichen Labortest. Eines der Ergebnisse: Der Reis des italienischen Herstellers Curtiriso, den die Handelskette im Sortiment hatte, ist mit sogenannten aromatischen Mineralölen belastet. Die EU-Lebensmittelbehörde beschreibt diese als potenziell krebserregend und erbgutschädigend.
Ein Verkaufsstopp, aber keine Information
Es geschah: erst einmal nichts. Auf Anfrage von foodwatch erklärte der Chef von Curtiriso am 17. November schließlich, dass er seine Verpackung ändern wolle, um das Problem zu lösen – und seinen „Kunden“, also Kaufland, gebeten habe, den Reis zurückzurufen. Am 18. November bestätigte Kaufland gegenüber foodwatch schließlich, einen Verkaufsstopp für das Produkt verhängt zu haben:
Den Verkaufsstopp setzte Kaufland auch schnell um. In einer Berliner Filiale sah das am leeren Regal dann so aus:
Zwar ist „ausverkauft“ eine interessante Umschreibung dafür, dass hier potenziell gesundheitsgefährdende Produkte aus dem Regal geräumt wurden – aber immerhin: Damit war sichergestellt, dass niemand mehr die belastete Ware kaufen konnte. Was aber mit all den Kundinnen und Kunden, die den Reis in den vergangenen Wochen gekauft und noch zu Hause im Regal liegen hatten? foodwatch fragte bei Kaufland nach, ob auch ein öffentlicher Rückruf, also eine Information an die Kunden erfolge. Die Antwort: Nein – ein Ergebnis von Beratungen mit dem Lobbyverband BLL, wie Kaufland mitteilte:
Der Lobbyverband erweckte nicht nur einen falschen Eindruck (denn die für die Risikobewertung zuständigen Behörden in Deutschland und der EU sind sich einig darüber: Aromatische Mineralöle sollten in Lebensmitteln nicht enthalten sein) – er verhinderte auch noch offenbar eine gesundheitsrelevante Information der Kundinnen und Kunden. Ein starkes Stück!
foodwatch veröffentlicht eigenen Rückruf
Nach dieser bemerkenswerten Auskunft veröffentlichte foodwatch am Morgen des 20. Novembers selbst einen Rückruf – und wies darauf in einer Pressemitteilung und auch in sozialen Netzwerken hin:
Der foodwatch-Rückruf verbreitete sich schnell. Viele Nutzer forderten Kaufland auf, endlich selbst seine Kundschaft zu informieren. Wir kündigten zudem an: Sollte die Handelskette bis dahin nicht öffentlich zurückrufen, würden wir am kommenden Dienstag selbst den foodwatch-Rückruf in einer Kauflandfiliale in Berlin-Wedding plakatieren.
Nach öffentlichem Druck: Kaufland lenkt ein
Parallel richteten wir uns auch an die Behörden in Bund und Ländern mit der Bitte, die Verbraucherinnen und Verbraucher zu informieren, weil das Handelsunternehmen untätig blieb. Am Nachmittag des 20. Novembers schließlich lenkte Kaufland ein – und verbreitete nun endlich selbst einen öffentlichen Rückruf zur Information der Kunden:
Kurz vor 17 Uhr veröffentlichte Kaufland die Information auch auf seiner facebook-Seite, verbunden mit dem Hinweis:
Eine zumindest gewagte Formulierung: Rund drei Wochen nach Bekanntwerden der Testergebnisse hat das Handelsunternehmen die Produkte aus dem Verkauf genommen, rund dreieinhalb Wochen nach der Test-Publikation folgt auf öffentlichen Druck hin endlich auch eine Information der Kundschaft – Kaufland aber rühmt sich, man habe „sofort“ alle notwendigen Maßnahmen ergriffen. „Sofort“ ist wohl ein dehnbarer Begriff.
Andere belastete Produkte weiter im Handel
Reinen Tisch hat Kaufland – das im Mineralöl-Test mit seinen Eigenmarke-Produkten übrigens gut abschnitt – allerdings immer noch nicht gemacht. Der mit den gefährlichen aromatischen Mineralölen belastete Curtiriso-Reis ist zwar nicht länger im Regal, die Kunden sind informiert. Andere Produkte jedoch, in denen foodwatch ebenfalls aromatische Mineralöle nachgewiesen hatte, vermarktet Kaufland einfach weiter – darunter die Kellogg's Cornflakes und der „Müller’s Mühle Minuten Spitzen Langkorn Reis“.
Warum misst Kaufland hier mit zweierlei Maß? Wenn es richtig ist, das eine belastete Produkt zurückzurufen, dann ist es sicher nicht richtig, die anderen, ebenso belasteten Produkte einfach im Regal zu belassen. Eines steht also fest: Diese bemerkenswerte Geschichte eines Rückrufs ist noch nicht zu Ende...
Links
- Kaufland Rückruf-Aktion
- Testergebnisse Mineralölrückstände in Lebensmitteln
- E-Mail-Aktion
- foodwatch-Korrespondenz mit Curti und Kaufland
- Zitat des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR)
- foodwatch-Hintergrundpapier Mineral-Öl
- EFSA Scientific Opinion
- Forschungsprojekt des BMELV 2012
- Schreiben des Bundesernährungsministeriums an foodwatch