„Schlau machender Kakao“: foodwatch mahnt Milch-Lobby ab
foodwatch hat den Molkereikonzern Landliebe und die Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW wegen unerlaubter Gesundheitswerbung für zuckrigen Schulkakao abgemahnt. Landliebe behauptet zum Beispiel, dass Kakao die Intelligenz steigere und zum Frühstück weniger Karies verursache als Wasser. Besonders pikant: Die Landesregierung in Brandenburg rechtfertigt mit solchen Aussagen ihre steuerliche Subventionen für Schulkakao – entgegen offizieller Ernährungsstandards.
Landliebe und die Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW stellen gesüßte Schulmilch trotz ihres Zuckergehalts als gesund dar – und bedienen sich dabei unerlaubter Werbeaussagen. Das hat eine juristische Prüfung durch foodwatch ergeben. foodwatch hat den größten Schulmilchlieferanten sowie den nordrhein-westfälischen Lobbyverband der Milchwirtschaft abgemahnt und aufgefordert, die Werbung zurückzuziehen.
„Kakao macht schlau“
In einer Elternbroschüre stellt Landliebe dar, dass Schüler durch den Verzehr der gezuckerten „Schokomilch“ in den „Bereich optimaler geistiger Leistungsfähigkeit“ gelangten. Im Internet behauptet das Molkereiunternehmen: „Kakao steigert die Intelligenz“ und „Kakao zum Frühstück verursacht weniger Karies als Wasser“. Diese Aussagen hatte das Unternehmen auch per Newsletter an Entscheidungsträger geschickt.
Brandenburg macht mit diesem Märchen Politik
Die für das Schulmilchprogramm zuständige Behörde in Brandenburg gab gegenüber foodwatch an, auch auf Basis dieser angeblichen Studienergebnisse entschieden zu haben, dass das Land weiter an der Förderung von gezuckerten Schulmilchprodukten festhält, obwohl die aus einem EU-Topf stammenden Zuschüsse nach den Vorgaben der EU grundsätzlich nur für ungesüßte Produkte verwendet werden sollen.
Verflechtung der Milchwirtschaft mit der Landesregierung NRW
Die Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW wiederum behauptet auf Internetseiten unter anderem, dass gezuckerte Schokomilch den Blutzuckerspiegel „optimal beeinflusst“ und Milchprodukte die Zähne „schützen“. Der Lobbyverband ist der wesentliche Partner des Landes NRW bei der Umsetzung des Schulmilchprogramms: Er erhält Steuergelder, um in den Schulen Ernährungsunterricht zu gestalten, Lehrmaterialien zu erstellen und um Schulen, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern zu einer Teilnahme am Schulmilch- und Schulkakaoprogramm zu bewegen.
„Die Kindergesundheit ist offenbar nur noch ein Kollateralschaden des Profitstrebens von Landliebe und der übergriffigen Absatzförderung von Milchlobbyisten. Wem jedes unseriöse Mittel recht ist, um weiterhin am Verkauf von zuckrigem Schulkakao an den Schulen zu verdienen, kann kein Partner für die Landesregierungen sein“Geschäftsführer von foodwatch
Verbotene „Health Claims“ von Landliebe & Co.
Zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor irreführenden oder falschen Werbeversprechen müssen gesundheitsbezogene Werbeaussagen seit 2012 durch EU-Behörden genehmigt werden – erlaubt sind derzeit rund 250 solcher „Health Claims“. Die von foodwatch abgemahnten Werbesprüche der Milchwirtschaft gehören nicht dazu. Ohnehin basieren die Aussagen im Wesentlichen auf einer kleinen Zahl wissenschaftlich höchst fragwürdiger Studien im Auftrag der Milchwirtschaft. Demgegenüber sprechen sich zahlreiche Zahnmediziner, Kinderärzte und Ernährungsexperten klar gegen die Abgabe von gezuckerter Milch an Schulen aus.
foodwatch fordert: Schluss mit Subvention für Schulkakao
foodwatch forderte NRW, Berlin und Brandenburg auf, keine Lobbyverbände mehr mit der Unterrichtsgestaltung zu beauftragen und die Subventionen für gezuckerte Milchgetränke zu stoppen. Die anderen Bundesländer fördern, wenn überhaupt, nur noch ungesüßte Trinkmilch. Zuletzt hatte Hessen auf die Kritik an der Zuckersubvention reagiert und angekündigt, gesüßten Kakao aus der Förderung zu streichen.
NRW will zunächst Eltern befragen
Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Ursula Heinen-Esser hält vorerst an der Subvention von zuckriger Schulmilch fest. Zunächst sollen die Eltern befragt werden. foodwatch forderte die Ministerin auf, die Befragung so auszugestalten, dass Eltern ihre Bedürfnisse zur Unterstützung einer ausgewogenen Ernährung der Kinder an den Schulen äußern können. Denn es kann nicht sein, dass die Milchwirtschaft Eltern, Schulverantwortlichen und Kindern jahrelang einreden darf, Zuckermilch sei besonders gesund – und auf Basis einer solchen Desinformationskampagne werden Eltern plötzlich nur danach gefragt, ob der Kakao weiter gefördert werden soll.
„Alle Argumente liegen längst auf dem Tisch. Wenn NRW ernsthaft eine ausgewogene Ernährung an Schulen unterstützen will, dann gibt es viele Möglichkeiten: Die Zuckerförderung stoppen, die offiziellen Qualitätsstandards für Schulverpflegung nach mehr als zehn Jahren endlich durchsetzen, das Obst- und Gemüseprogramm an allen Schulen zugänglich machen, Angebote für ausgewogene Schulfrühstücke machen – all das würde den Kindern helfen und nicht in erster Linie Milchindustrie. Die Elternbefragung ist eine Chance um herauszufinden, wo die Not am größten ist. Allerdings muss das Land auch dazu bereit sein, die nötigen Mittel bereitzustellen – anders als bisher.“Geschäftsführer von foodwatch
Der Landliebe-Schulkakao enthält in der fettarmen Variante 21,7 Gramm Zucker in einer Tagesportion (250-Milliter) – das entspricht umgerechnet mehr als 7 Stück Würfelzucker. Die ungesüßte, fettarme Trinkmilch enthält demgegenüber 12 Gramm Milchzucker pro Tagesportion.