Storcks Antwort auf die E-Mail-Aktion
Die Kritik der Unterzeichner der abgespeist.de-E-Mail-Aktion will der nimm2-Hersteller nicht gelten lassen. Er hält sie für nicht vereinbar mit dem „Leitbild eines mündigen und ebenso verständigen Verbrauchers“. Außerdem werde das Produkt seit fast 50 Jahren von Verbrauchern gekauft: „Die Beliebtheit der nimm2-Bonbons spricht für sich – und gegen die von foodwatch für richtig gehaltenen Bewertungen.“ Diesen eindrucksvoll logischen Argumenten fügt Storck hinzu: „Die Bonbons sind ein Angebot an alle Verbraucher, die neben dem Genuss und dem Beitrag zur Energieaufnahme auch die Bedarfsdeckung bei essentiellen Nährstoffen als Mehrwert im Vergleich zu anderen Süßwaren sehen.“
Worin genau der „Mehrwert“ bei nimm2 aber nun liegen könnte und welchen Vorteil die zugesetzten Vitamine oder der beworbene Traubenzucker haben, darauf will Storck selbst partout keine Antwort geben. Ein ernährungsphysiologisches Konzept hinter nimm2 gibt es nach eigener Aussage des Unternehmens nicht, einen Vorteil von Traubenzucker würde man nicht ausloben, heißt es in einem Schreiben an foodwatch. Genauso wenig würde man behaupten, Kinder bräuchten die zugesetzten Vitamine. Man weise lediglich wahrheitsgemäß darauf hin, dass sie enthalten seien.
Storck streitet also ganz und gar ab, mit seiner Werbung irgendeine Botschaft vermitteln zu wollen. Schon gar nicht, dass nimm2 besser oder gesünder sind als andere Süßigkeiten. Ein Sprecher sagte der Tageszeitung taz: „Wir sagen nicht, dass nimm2 gut für die Gesundheit oder Traubenzucker besser sei“. Ob die Werbung jedoch nicht genau das suggeriere, fragte die Zeitung. „Jeder kann selbst entscheiden, ob er den Zusatznutzen von nimm2 sieht oder nicht.“
Den absurden Versuch, jegliche Absicht hinter den eigenen Werbestrategien abzustreiten, lassen Verbraucher Storck jedoch nicht durchgehen. Viele von ihnen haben Storck erneut geschrieben – und foodwatch eine Kopie zukommen lassen. In der E-Mail eines Verbrauchers an den Süßwarenhersteller heißt es:
„foodwatch wirft Ihnen begründet vor, dass die zugesetzten Vitamine keinen Zusatznutzen erbringen. Das widerlegen Sie in keinem Satz. Außerdem bringen Sie keine Argrumente gegen den Vorwurf der Suggerierung, dass es sich um ein gesundes Produkt handelt vor. Sicherlich ist es wahr, dass Vitamine zugesetzt sind, aber es geht im engeren Sinne nicht um diese Vitamine, sondern um die Betonung von diesen und der damit verbunden Suggestion ein Produkt, das überwiegend aus Zucker besteht, sei besonders gesund. Niemand kann Ihnen diese Suggestion nachweisen, weshalb diese Methode moralisch als verächtlich eingestuft werden kann. […] Sie und andere Lebensmittelhersteller werden nicht so, mit Verlaub, "dumm" sein und offensichtlich und nachweisbar falsche Werbeaussagen machen. Aber es geht um die moralische Dimension. Da Sie selbst von "Respekt vor den Menschen" schreiben, sollten Sie diesen auch beweisen, und Konsumenten die nicht über das notwendige Urteilsvermögen verfügen, nicht in die Irre führen. Dass die Mehrheit von dieser Menschensorte ist, wissen Sie als Marketingexperten. Messen Sie Ihr Handeln daran ob es gegenüber diesen Menschen respektvoll ist, und nicht daran ob Sie formaljuristisch korrekte Aussagen machen. Ihre Kunden werden es Ihnen (und Ihrer Bilanz) danken!“
Storcks „Nationales Marketing“ – Verfasser der Antwort-E-Mail an die Unterzeichner der Mitmachaktion – wehrt die Beschwerden mit dem Argument ab, die Kritik an nimm2 würde sich letztendlich nur auf die Frage reduzieren, ob Verbraucher das Produkt benötigen oder nicht. Die Antwort darauf überließe man „sehr gern“ den „zu recht selbstbewusst und eigenständig entscheidenden“ Verbrauchern. Eine Reaktion, mit der sich zahlreiche „selbstbewusste und eigenständig entscheidende“ Verbraucher jedoch nicht abspeisen lassen wollen. Einer von ihnen schreibt:
„Leider kann ich Ihr Fazit nicht teilen, dass es letztlich nach foodwatch nur darum geht, ob man nimm2 braucht oder nicht. Das würde für alle Süßwaren zutreffen, unabhängig davon, wie gesund diese sind und seit wann diese auf dem Markt sind, auch die von Ihnen erwähnte Beliebtheit rechtfertigt Aussagen zu einer gesunden Ernährung nicht. […] Ein Bonbon wird auch nicht gesünder oder wichtiger für die Entwicklung von Kindern, weil es ihn seit fast 40 Jahren gibt und weil auf der Verpackung etwas von Vitaminen steht.“
In einer anderen E-Mail heißt es:
"Sie suggerieren mit der Werbung für nimm2 einen Zusatznutzen Ihres Produkts, den foodwatch zu Recht bemängelt und der auch meiner Ansicht nach nicht gegeben ist. Der mündige Verbraucher, wie von Ihnen als Argument angeführt, ist nur dann wirklich mündig, wenn alle Fakten klar auf dem Tisch liegen und die Einkaufsentscheidung schnell getroffen werden kann, da kein Mensch sich im Supermarkt Zeit läßt; der Einkauf findet meist unter Zeitdruck statt."
Und die Verfasserin einer weiteren E-Mail fragt:
„Wie erklären Sie einem weinenden Kleinkind, das durch die bunte Werbung und Verpackung auf die Bonbons etc. aufmerksam gemacht wird, dass das alles ungesund ist? Sie wissen ganz genau, dass viele Kaufentscheidungen von Kindern sehr stark beeinflusst werden. Meines Erachtens stellt foodwatch nicht den mündigen Bürger infrage, sondern nur die Werbemethoden, mit denen sie die noch unmündigen Kinder ködern. Kinder sind rein rechtlich erst ab dem 18. Lebensjahr mündig.“
Schließlich sind viele Verbraucher schlichtweg wütend darüber, dass Storck jegliche Verantwortung von sich weist und nicht bereit ist, auf Kritik einzugehen. In einer E-Mail heißt es beispielsweise:
„Keine, ich wiederhole: KEINE auch nur in homöopathischer Dosis vorhandene Selbstkritik. Kein Hinhören. Nichts. Glattbügeln mit ach so schönen Worten: „... mündige wie gut informierte Verbraucher beantworten seit fast fünf Jahrzehnten in vielen täglichen Kaufentscheidungen, ob sie dem Nutzen im Rahmen ihrer individuellen Disposition einen Stellenwert beimessen ...“ Wow!! Toll!!!! Welch eine Sprache!! So richtig mitten aus dem Leben. Marketing eben. […] Ihr hättet diese Antwort besser nicht geschrieben. Denn sie BEWEIST eure unglaubliche Dreistigkeit. Euer überhaupt nicht vorhandenes Reflektieren. Euer verloren gegangenes Lernvermögen.“
Ein anderer Verbraucher zieht das Fazit:
„Ganz toll geschrieben, wie so ne ‚Gute Nacht Geschichte für Kinder’. Leider gehen Sie, erwartungsgemäß, auf die Kritik von foodwatch in keinster Weise ein. Haben Sie diese Kritikpunkte überhaupt gelesen? Mündige Verbraucher? Durch perfide Marketingtricks (siehe auch Ihre Werbeaussagen ) beeinflusste, für ‚doof erklärte Verbraucher’ das ist doch die Realität. Unter anderem Ihr Unternehmen ist es, das versucht den Verbraucher als ‚geistigen Krüppel’ zu sehen. Mein Fazit: Ihr Schreiben hat mich nicht überzeugt.“
Dabei ist die Forderung vieler Verbraucher ganz einfach – Storck soll einfach ehrlich werben.
„Können Sie sich in ihrer Werbung nicht einfach darauf beschränken, wie lecker ihre Bonbons sind und sich darauf verlassen, dass die Konsumenten sie auch dann noch kaufen? Offensichtlich trauen Sie ihrem Produkt nimm2 das ja nicht zu.“