Und der nächste Lebensmittelskandal…
Hallo,
mindestens drei Menschen starben, mehrere Dutzend erkrankten. Der Lebensmittelskandal um gefährliche Listerien-Keime, mangelhafte Hygiene und den Wurstfabrikanten Wilke wirft die Frage auf: Was ist schief gelaufen – und wären der Skandal mit seinen fatalen Folgen nicht vermeidbar gewesen? Schnell hat Bundesministerin Julia Klöckner auf die Bundesländer gezeigt, die für die Lebensmittelüberwachung zuständig sind. Und Priska Hinz, die Verbraucherschutzministerin in Hessen, wo Wilke seinen Sitz hat, verweist auf mangelhafte Kontrollen einer Landkreisbehörde vor Ort. Keiner will etwas mit dem Fall zu tun haben, so scheint es, bis am Ende alles an ein paar „Bauernopfern“ auf dem hessischen Land hängen bleibt, die niemanden mehr haben, an den sie die Schuld weiterreichen können.
Alles ist also ganz einfach: Ein tragischer Einzelfall. Ein Hersteller schlampt, die Kontrolleure vor Ort versagen. Oder? Wer den Listerien-Skandal so darstellt, der muss beide Augen verschlossen halten, liebe foodwatch-Interessierte. Denn was den Fall Wilke möglich gemacht hat, sind Gesetzeslücken und Schwachstellen in unserem Lebensmittelrecht! Und zwar lange bekannte, die auch schon bei all den vergangenen Lebensmittelskandalen ihre Rolle gespielt haben, ob bei Fipronil oder Dioxin in Eiern oder beim europaweiten Pferdefleisch-Betrug. Wer jetzt alles auf die Kontrolleure vor Ort schiebt, will die Probleme nicht lösen – und nimmt billigend in Kauf, dass auch der nächste Lebensmittelskandal nur eine Frage der Zeit ist.
Dagegen müssen wir uns stemmen! Wir wollen, dass Lebensmittelskandale in Zukunft nach Möglichkeit VERHINDERT werden – und wir wollen, dass die verantwortlichen Politiker das und nichts anderes als ihr Ziel ausgeben. Wenn Sie das auch so sehen, dann unterstützen Sie bitte unsere Arbeit und werden Sie Förderin/Förderer von foodwatch!
Erinnern Sie sich an die Aufregung um Pferdefleisch vor einigen Jahren? Keine Behörde war damals in der Lage uns zu sagen, wo, in welchen Produkten undeklariertes Pferdefleisch steckte. Oder bei dioxinbelasteten Eiern: Wie viele waren betroffen, wo wurden sie verkauft? Die Lebensmittelbehörden wussten es nicht. Und auch jetzt tappen sie wieder im Dunkeln. „Wir können schlicht nicht nachvollziehen, in welchem Supermarkt und in welcher Kantine die Wilke-Wurst verkauft wurde“, sagte die hessische Verbraucherschutzministerin Priska Hinz in bemerkenswerter Offenheit – zwei Wochen nach dem weltweiten Rückruf von Wilke-Produkten.
Das Problem ist nur: Sie müsste es wissen! Denn die lückenlose Rückverfolgbarkeit ist seit vielen Jahren im EU-Lebensmittelrecht vorgeschrieben. Aber: Sie wird nicht durchgesetzt. Bis zu 400 (!) verschiedene städtische und Landkreisbehörden waren in den vergangenen Wochen damit beschäftigt, herauszufinden, wohin die möglicherweise mit gefährlichen Bakterien belastete Ware geliefert wurde. Rund 400 Behörden allein in Deutschland, jede macht an der Grenze ihre Zuständigkeitsgebietes Halt, und niemand trägt die Ergebnisse zusammen. Ein Irrsinn, der zeigt: Es reicht nicht, einfach nur in einem Landkreis mehr Kontrollen durchzuführen. Wir versuchen noch immer, mit lokalen Strukturen weltweite Warenströme in den Griff zu bekommen. Doch damit die im Fall der Fälle lebenswichtige Rückverfolgbarkeit funktioniert, muss politisch etwas geschehen! Helfen Sie uns, das zu erreichen: Unterstützen Sie foodwatch als Förderin/Förderer!
Aber es geht nicht nur darum, dass die Behörden zu oft ahnungslos sind und ihnen der Überblick fehlt. Es geht auch darum, dass, WENN sie etwas wissen, sie es uns oft nicht mitteilen: Beim Pferdefleisch-Skandal zum Beispiel wiesen sie selbst in Rindfleisch-Produkten Pferdefleisch nach. In welchen? Das blieb geheim. Aus rechtlichen Gründen DURFTEN die Verbraucherschutzbehörden uns Verbraucherinnen und Verbrauchern das nicht verraten, weil es angeblich „nur“ um Betrug ging und nicht um die Gesundheit! Wir wurden betrogen, wir haben etwas bezahlt, was wir gar nicht kaufen wollten – doch die Gesetze schreiben den Behörden Geheimhaltung vor. Nur, wenn die Hersteller freiwillig selbst an die Öffentlichkeit gingen, durften die Behörden die dann schon bekannten Produkte nennen - das sind Gesetze, die die Betrüger schützen und nicht uns Verbraucherinnen und Verbraucher!
Das können wir so nicht hinnehmen. Schon gar nicht, wenn es — wie im Listerien-Fall — um unsere Gesundheit bzw. um eine lebensbedrohende Infektion geht. Hier kennen die Behörden zumindest die direkten Abnehmer von Wilke, größtenteils Groß- und Zwischenhändler. Und auch wenn sie keinen „vollständigen“ Überblick haben, einige der Verkaufsstellen haben sie recherchiert. Aber sie rücken diese Informationen nicht heraus! Sie nennen Marken- und Produktnamen – doch was hilft uns das, wenn wir wissen: Wilke-Wurst ist vor allem ohne Etikett an Wursttheken, in Restaurants, Kindergärten, Hotels, Krankenhäusern und Altersheimen abgegeben worden. Das ist unverantwortlich.
Vielleicht fragen Sie sich jetzt: Warum sagen uns die Behörden nicht, was sie wissen? Die Antwort ist so einfach wie frustrierend: Weil sie es nicht müssen! Das Gesetz sagt nur, die Behörden „sollen“ uns informieren. Sie SOLLEN, sie MÜSSEN nicht – und das bei einer Gesundheitsgefahr! Das müssen wir ändern, liebe foodwatch-Interessierte. Wenn Sie auch nicht akzeptieren wollen, dass uns die Behörden Informationen verweigern, die wir brauchen, wenn wir unsere Gesundheit schützen wollen, dann helfen Sie uns, Druck zu machen für bessere Gesetze: Unterstützen Sie uns jetzt als Förderin/Förderer von foodwatch!
Besonders perfide ist der Rat, den die Behörden Schwangeren an ihrer Verbraucherhotline zum Listerien-Skandal geben. Schwangere gelten als besondere Risikogruppe, denn eine Erkrankung kann unbemerkt verlaufen – aber auf das ungeborene Kind übergehen und schwere Folgen haben. Deshalb empfehlen die Behörden: Auch ohne Krankheitssymptome sollen Schwangere zum Arzt gehen, wenn sie ein vom Rückruf betroffenes Lebensmittel verzehrt haben. Nur: Wie, bitteschön, sollen sie das wissen können, wenn die Lebensmittel ohne Markenlogo ausgegeben wurden und die Behörden ihnen nicht verraten, wo? Diese Informationspolitik halten wir für einen echten Skandal – und wir werden tun was wir können, dass Behörden künftig per Gesetz VERPFLICHTET werden, alle gesundheitsrelevanten Informationen öffentlich zu machen! Helfen Sie uns dabei – als Förderin/Förderer von foodwatch.
Wir sind uns sicher: Nicht nur die richtigen Informationen zu richtigen Zeit würden helfen, uns Verbraucherinnen und Verbraucher besser zu schützen. Viele Lebensmittelskandale ließen sich ganz vermeiden: Wenn die Ergebnisse amtlicher Hygienekontrollen öffentlich werden und sich kein Unternehmen mehr leisten kann, über Jahre hinweg zu schlampen. Wenn nicht länger ein großer Teil der vorgeschriebenen Betriebskontrollen ausfällt, weil es den Lebensmittelbehörden am Personal fehlt. Und wenn Verbraucherschutzbehörden ohne Angst vor Schadenersatzklagen der Unternehmen entscheiden können, wann belastete Lebensmittel zurückgerufen werden. Unterstützen Sie uns dabei, diese Ziele zu erreichen: Werden Sie bitte jetzt Förderin/Förderer von foodwatch!
Vielen Dank und herzliche Grüße
Ihr Martin Rücker
Geschäftsführer