Wie eine Zwangsjacke aus Metall…
Hallo und guten Tag,
Schweine sind äußerst soziale und intelligente Tiere. Ausgerechnet diese feinfühligen Lebewesen werden zwischen Metallstangen in enge Kastenstände eingezwängt. Ohne jeden Platz für Bewegung. Ohne Möglichkeit, sich auch nur umzudrehen. So verbringen die Sauen in der Ferkelzucht annähernd ihr halbes Leben. Nach der Geburt halten die engen Metallkorsetts die Muttertiere davon ab, sich um ihre Ferkel zu kümmern. Nicht nur aus unserer Sicht und der von Tierärzte-Verbänden ist damit der Tatbestand der Tierquälerei vollumfänglich erfüllt. Vor mehr als drei Jahren hat das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz ohne Wenn und Aber festgestellt: Die bisherigen Kastenstände sind nicht zulässig, sie widersprechen den Zielen des Tierschutzes.
Kastenstände sind nur eines von zahlreichen Beispielen für die völlig pervertierten Zustände in der Tierhaltung. Leider ein Musterbeispiel dafür, was selbst aus den klarsten Urteilen folgt: Nämlich erst einmal gar nichts. Bis heute sind Kastenstände nicht verboten. Lange Zeit nach dem Urteil legte die Bundesregierung einfach keinen neuen Verordnungsentwurf vor. Dann schlug sie dem Bundesrat eine Übergangsfrist von bis zu 17 Jahren (!) vor, in denen die Tierhalter ihre Kastenstände weiter nutzen dürften – obwohl diese gegen geltendes Recht verstoßen. Doch statt dass der Bundesrat diese Pläne entschieden ablehnt und sich für ein schnelles Ende der Kastenstände einsetzt, drückt er sich um eine Abstimmung. Mehrfach schon war die Abstimmung in der Länderkammer geplant und ist dann immer wieder verschoben worden. Auf der Tagesordnung der nächsten Bundesratssitzung am 15.Mai taucht sie schon wieder nicht auf. Es steht zu befürchten, dass jetzt dasselbe Theater losgeht, wie wir es schon mit dem ausstehenden Verbot des Kükentötens und der betäubungslosen Ferkelkastration erleben. Es darf nicht sein, dass erneut eine überfällige Entscheidung zugunsten der Tiere auf Druck von Bauernlobby und Fleischindustrie bis zum St. Nimmerleinstag verschoben wird!
Wir finden: Da gibt es nichts zu verschieben. Denn Tierquälerei als Haltungsform dürfen wir einfach nicht akzeptieren – wenn Sie das auch so sehen, dann werden Sie jetzt Förderer/Förderin von foodwatch!
Bis der Bundesrat endlich abstimmt, wird die Bauernlobby viel Druck ausüben, damit noch für viele, viele Jahre bleiben darf, was schon seit 30 Jahren abgeschafft sein müsste. Statt Kastenstand nennt man die Metallkäfige für Muttersauen nach der Geburt in der Branche nur „Ferkelschutzkörbe“ – was für eine Heuchelei. So wird versucht schönzureden, was nicht schönzureden ist. Der Eindruck, der entstehen soll, ist: Die Käfige seien nötig, damit die schweren Muttersauen beim Hinlegen weniger Ferkel erdrücken. Doch bei ausreichendem Platz und einer guten Tierbetreuung gelingt es auch ohne enge Käfige, die Zahl der getöteten Ferkel zu senken. Das beweisen Großbritannien und Schweden, wo die Kastenstände seit Jahrzehnten verboten sind.
Nein, liebe foodwatch-Interessierte, in Wahrheit geht es um etwas ganz anderes, nämlich ums Geld. Mehr Platz beutet höhere Kosten und mehr Betreuungsaufwand. Das Ziel der deutschen Agrarpolitik ist aber genau das Gegenteil: Möglichst billig produzieren. Und zwar nicht, weil alle Verbraucherinnen und Verbraucher nur möglichst günstig einkaufen wollen – nein, weil Deutschlands Fleischindustrie seit Jahrzehnten damit Geld verdient, die Märkte der Welt mit extrem niedrigen Preisen für Schweinefleisch zu überschwemmen. Sie produzieren Massenware für den Export, und das gelingt nur mit Tiefpreisen. Das sind die Zusammenhänge, über die kaum gesprochen wird. Lieber feiert die Bundesregierung Deutschland als „Exportweltmeister“ etwa für Schweinefleisch, als verbindlich gute Standards für die Tiergesundheit zum Maßstab für die Tierschutzleistungen jedes Haltungsbetriebs zu machen. vorzugeben. Damit nimmt sie massenhaftes Tierleid in Kauf – ob es um Kastenstände geht, um die nicht minder bedrückende Anbindehaltung bei Milchkühen im Stall oder das „Schicksal“ der Legehennen, deren auf Hochleistung gezüchteten Körper so viele Eier produzieren, dass ihnen das Kalzium für den Knochenbau fehlt und bei denen Knochenbrüche an der Tagesordnung sind.
Wir meinen: Profit darf nicht mit Tierleid gemacht werden. Die Zustände gehören abgestellt – und zwar möglichst schnell. Unterstützen Sie uns dabei und werden Sie jetzt Förderin/Förderer von foodwatch!
Doch statt konsequent Entscheidungen für mehr Tierschutz, mehr Umweltschutz und mehr Verbraucherschutz zu treffen, versuchen die Bundesregierung und der Bauernverband, uns Verbraucherinnen und Verbrauchern die Schuld in die Schuhe zu schieben: „Du entscheidest“, hieß eine groß angelegte Kampagne, die Bundesagrarministerin Julia Klöckner Anfang des Jahres gestartet hatte. Sie haben richtig gelesen: Jene Ministerin, die selbst am liebsten nichts entscheidet, sondern auf lauter „freiwillige Selbstverpflichtungen“ setzt, schiebt jetzt uns die Verantwortung zu. Ihre Botschaft: Mit unseren Kaufentscheidungen könnten wir selbst zum Beispiel mehr „Tierwohl“ durchsetzen.
Das ist schon einigermaßen unverfroren, liebe foodwatch-Interessierte. Wir sind uns sicher einig: Gute Lebensmittel haben ihren Preis, Umwelt- oder Tierschutz auch. Doch was genau passiert heute, wenn wir im Supermarkt das teure Fleisch, die teure Milch kaufen? Nichts – außer, dass Händler oder Industrie einen höheren Profit machen. Für Milch haben wir das selbst einmal analysiert: Wie hoch der Preis im Handel auch war, der Auszahlungspreis für den Landwirt blieb derselbe. Auch wenn wir morgen im Laden mehr bezahlen, können die Bauern dadurch keinen Cent mehr in den Tierschutz investieren! Frau Klöckner sollte – statt uns den schwarzen Peter zuschieben zu wollen – endlich einmal selbst entscheiden. Zum Beispiel, dass die Zustände in der Tierhaltung vielfach inakzeptabel sind – und deshalb konsequent und per Gesetz abgestellt werden müssen. Helfen Sie uns dabei, dieses Ziel zu erreichen: Werden Sie jetzt Förderin/Förderer von foodwatch!
Ich bin mir sicher: Viele Menschen sind bereit, für gute Lebensmittel und für konsequenten Tier- und Umweltschutz auch einen fairen Preis zu bezahlen, wenn sie sich das leisten können. Genauso klar muss aber sein, dass sie dafür etwas erwarten können: Wir haben ein Recht darauf, dass wir Qualität erkennen können und dass uns diese Qualität nicht nur vorgegaukelt, sondern garantiert wird. Und dass verlässliche Mindeststandards dafür sorgen, dass tierische Lebensmittel nachweislich von gesunden und artgemäß behandelten Tieren stammen. „Ferkelschutzkörbe“ – oder besser Zwangsjacken für Muttersauen – gehören sicher nicht dazu. Doch damit das wahr wird, muss die Ministerin sich endlich richtig entscheiden. Unterstützen Sie uns dabei, die Bundesregierung an ihre Aufgaben zu erinnern: Werden Sie jetzt Förderin/Förderer von foodwatch!
Vielen Dank und herzliche Grüße
Ihr Martin Rücker
Geschäftsführer foodwatch