Artikel 20.10.2022

Die feurigsten Facts über Chilis und Paprika

foodwatch/Ronald Talasz

Hallo und herzlich willkommen zurück aus dem Urlaub! Der Herbst ist fast da und ich habe heute für dich etwas gefunden, das dir nochmal richtig einheizen wird. Die Rede ist von Paprika und Chili. Hast du Lust, mich wieder auf einen kleinen Fakten-Spaziergang zu begleiten? Dann auf, auf!

1. Scharfe Brüder

Unter all den Pflanzenarten, die zur Gattung Paprika zählen, sticht Capsicum annuum mit ihren uns wohlvertrauten Früchten Chili und (Gemüse-/Gewürz-)Paprika in ihrer enormen Vielfalt hervor. Bei beiden handelt es sich nicht, wie landläufig oft angenommen, um Schoten, sondern um Beerenfrüchte ein und derselben Art. Das Nachtschattengewächs hat nach der Entdeckung Amerikas von Mittel- und Südamerika aus seinen Siegeszug angetreten. Bevor es Fans in der Küche fand, wurde es, wie schon Paradeiser und Erdapfel, in Europa zuerst unter Zierpflanzenliebhabern gehandelt. In seiner ursprünglichen Heimat hat es jedoch eine mehr als 9.000 Jahre lange Tradition als Gewürz und Heilmittel. Chili und auch Paprika entstammen beide der Wild-Chili Tepin, welche runde, erbsgroße und sehr scharfe Früchte hervorbringt. Sie ist kaum kultivierbar. Solltest du einmal irgendwo über diese Rarität stolpern, dann stammt sie aus Wildsammlungen.

2. Platz 5 der Gemüse-Beliebtheits-Charts in Österreich geht an …

Im Gemüse-Beleibtheitsranking liegen Paprika und Chili in Österreich gleich hinter Paradeiser, Zwiebel, Karotten und Gurken. Völlig zurecht, denn abgesehen vom gigantischen Vitamin-C-Gehalt (mit dem sie Zitrusfrüchte um ein Vielfaches übertrumpfen!) haben sie viele weitere positive Inhaltsstoffe. Bei hohem Wassergehalt und wenigen Kalorien punkten sie gleichzeitig mit viel Kalium, Magnesium und Calcium. Ein ideales Gemüse also zum Snacken, aber auch zum Kochen. Die kräftig rote Farbe verdanken die Früchte ihren Carotinoiden. Die ausgefalleneren violetten Vertreter enthalten als Farbstoffe antioxidative Anthocyane. Die Palette reicht von Weiß über Rot, Orange, Gelb und Violett bis hin zum klassischen Grün.

3. Vorsicht, scharf

Milde Paprika- und Chili-Sorten bescherten Capsicum annuum nicht nur am Gemüsesektor einen Triumphzug um die ganze Welt. Tatsächlich hat Capsicum annuum mit ihrem paprikatypischen Scharfstoff Capsaicin alle anderen Gewürze mit der Eigenschaft „scharf“ in den Schatten gestellt. Paprika und Chili peppen heute weltweit viel mehr Gerichte auf als Ingwer, Pfeffer, Rettich und Senf. Ein kleiner Bissen kann in dir schon das Temperament einer*s Czárdásfürst*in wecken. Der höchste Gehalt an Scharfstoffen findet sich an den sogenannten Plazenten der Paprika und Chilis – dort, wo im Gehäuse die Samen ansetzen. Die zu entfernen kann einem zu feurig geratenen Gemüse die Schärfe etwas nehmen.

4. Geschmack, bis es weh tut, oder: bis einer heult

Was du als Schärfe wahrnimmst, ist kein Aroma im klassischen Sinn. Vielmehr vermitteln spezielle Rezeptoren einen Schmerz- oder Hitzereiz. Schleimhaut und Haut werden gereizt und die Durchblutung wird massiv gesteigert. Genau den gegenteiligen Effekt kennst du vom kühlenden Menthol der Minzen – dieses aktiviert Kälterezeptoren. Sollte dich die Schärfe eines Chili einmal übermannen, dann ist ein erlösender Neutralisierungsgang mit Milch, Joghurt oder einem anderen fetthaltigen Lebensmittel angesagt. Capsaicin ist nämlich fettlöslich. Mit Wasser wird es nur verdünnt und zum nächsten Rezeptor gespült, den es froh und munter weiter kitzelt. Das Spülen mit Milch empfiehlt sich übrigens auch für Augen und Schleimhäute, die Pfefferspray abgekriegt haben. Pfefferspray besteht nicht – wie man meinen könnte – aus Pfefferextrakt, sondern enthält Capsaicin.

5. Scoville, bitte kommen!

Dem heroischen Pharmakologen Wilbur Scoville verdanken wir die Scoville-Skala. Durch sie muss niemand unwillentlich zum feuerspeienden Drachen mutieren. Scoville schuf ein einfaches System, mit dem man anhand der Einheit SHU (Scoville Heat Unit) die Schärfe der Chilis und Paprika beschreiben kann. So entspricht jeder Tropfen Wasser, der zur Verdünnung einer Probe benötigt wird, einer SHU. Wenn die mit Wasser gestreckte Probe nicht mehr als scharf wahrgenommen werden kann, ist der Wert ermittelt. Das kann beim milden Gemüsepaprika 0 sein, bei einem anständigen Chili 100.000 betragen. Es haben auch schon Extremzüchtungen Blüten getrieben, die Früchte mit SCU 2.200.000 hervorbrachten. Rate mal, wo die Scoville-Skala bei reinem Capsaicin mit ihrem Maximalwert endet – die Antwort findest du am Ende unserer heutigen Erkundungstour.

6. Warum so wehrhaft?

Man könnte den Eindruck bekommen, Capsicum annuum lege nicht viel Wert darauf, von uns verspeist zu werden. Wenn du dich erinnerst, ist die Stammsorte Tepin ja sehr feurig – unseren milden Sorten wurde die Schärfe weggezüchtet. In der Tat verbreitet sich Tepin über Vögel, und die können Capsaicin nicht wahrnehmen. So gesehen ist das Alkaloid ein Fraßschutz gegen Säugetiere, wirkt antibakteriell und auch gegen Pilzangriffe. Diese konservierende Wirkung ist der Grund für die ursprüngliche Verwendung in der Küche. In heißen Gegenden mit nicht immer leicht einzuhaltender Hygiene hat Capsaicin wohl das eine oder andere Bauchgrummeln verhindert.

7. Manche mögen‘s mild

Wer eher die leisen Gewürznuancen des Paprika genießen möchte, dem sei mildes Paprikapulver ans Herz gelegt. Beispielsweise ist in heimischen Supermärkten mildsüßes, edelsüßes und halbsüßes Paprikapulver erhältlich, welches Gulasch und Eintöpfen fernab der Schärfekeule herzhafte Geschmacksnoten verleiht. Achte beim Gewürzkauf in diesem Fall nur darauf, nicht versehentlich ungarischen Rosenpaprika oder braunroten Paprika einzusacken – der hat es schärfetechnisch ebenfalls heftigst in sich.

8. Paprika und Pestizde

So beliebt Gemüsepaprika und Chili sind, so sorgten sie leider in der Vergangenheit auch für Negativschlagzeilen. Die AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) untersuchte Paprika und Chili bereits wiederholt in ihrem Pestizidmonitoring. Zuletzt wurden 2019¹ hundert Proben von in Österreich erhältlicher Paprika und Chilis aus Österreich, EU und Drittländern untersucht. 27 Proben waren ohne jegliche nachweisbaren Rückstände. 73 Proben wiesen Rückstände unter dem erlaubten Höchstwert auf, wovon viele aber mehr als nur eine Art von Wirkstoffrückstand aufwiesen. Das Maximum lag bei je 10 verschiedenen auf zwei Proben. Sechs Proben von hundert überschritten den erlaubten Höchstwert. Die toxikologische Bewertung von Pestiziden bezieht sich immer auf den einzelnen Wirkstoff. Ist beispielsweise ein Paprika mit mehr als mit einem Wirkstoff belastet, besteht die Gefahr des sogenannten Cocktail-Effekts. Es besteht die Möglichkeit, dass Wirkstoffe interagieren und so möglicherweise ihre Wirkung verstärken.

foodwatch setzt sich auf EU-Ebene für eine pestizidfreie Landwirtschaft ein. Derzeit ist das Agrarsystem der Europäischen Union in großem Maße vom Einsatz von Pestiziden abhängig. Dieser Pestizideinsatz in der Landwirtschaft hat fatale Folgen für Artenvielfalt, Klimaschutz, Bodenqualität und Gesundheit. Mit dem Report „Locked-in pesticides“ hat foodwatch einen Pestizid-Ausstiegsplan bis 2035 entworfen.

Quelle (¹): https://www.verbrauchergesundheit.gv.at/Lebensmittel/lebensmittelkontrolle/monitoring/A-918-19_Endbericht_nationales_Pestizidkontrollprogramm_fina.pdf

Ergebnisse S. 38-41

Auflösung des kleinen Ratespiels von Punkt 5: Reines Capsaicin hat 16.000.000 SHU.